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Im Osten geht die Sonne auf – und die Menschen lassen sich besonders fleißig impfen. Zweiteres verrät ein Blick auf die erst kürzlich vom Gesundheitsministerium verröffentlichten Daten der teilgeimpften Personen nach Gemeinde. Die zehn Orte mit den höchsten Werten liegen allesamt im Burgenland, Schlusslichter sind hingegen Oberösterreich, Salzburg und Kärnten. Der Impffortschritt nach Gemeinde ist in Österreich allgemein aber sehr breit gefächert: von 79 Prozent mit zumindest einer Impfung in der burgenländischen Gemeinde Kleinmürbisch bis zu 29 Prozent im Tiroler Ort Spiss.

Wie groß die Unterschiede österreichweit sind, wird auch innerhalb der Hauptstadt ersichtlich: In Wien haben im Bezirk Neubau, in Hietzing (beide 65 Prozent) und im Alsergrund (64 Prozent) die meisten Bewohnerinnen und Bewohner zumindest eine Impfung erhalten. Werte jenseits der 60 Prozent gibt es auch im ersten Bezirk, in Währing, der Josefstadt, in Mariahilf, Döbling, Wieden, der Donaustadt und in Liesing. Gleich nebenan liegt das Wiener Schlusslicht, der zehnte Bezirk. In Favoriten erhielten demnach 49 Prozent zumindest die erste Impfung. Nur etwas besser sind die Werte in der Brigittenau und in Simmering (51 Prozent).

Impfen ohne Anmeldung im Container

Warum es diese Diskrepanzen gibt, wurde im Büro des Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) noch nicht genauer untersucht. Klar sei jedenfalls, dass das Durchschnittsalter im ersten Bezirk oder auch in Hietzing höher sei als in Favoriten. Und weil ältere Menschen früher ein Angebot für die Covid-Impfung erhalten haben, sei das ein Faktor. "Einer von wahrscheinlich vielen", sagt Hackers Pressesprecher Norbert Schnurrer.

Wichtig sei, dass in Wien seit Juli offensiv mit Impfangeboten auf die Menschen zugegangen werde. Nicht nur im Stephansdom, sondern auch in Freibädern oder auf einem Boot wird bekanntlich geimpft – ohne Voranmeldung. Ab Montag werde es zudem weitere acht Impfcontainer geben, auch hier ist eine Voranmeldung nicht notwendig. Zwei davon werden in Favoriten stehen.

Ein Faktor könne der Anteil an Zuwanderinnen und Zuwanderern sein, meint Schnurrer. Auch hier arbeite man daran, diese Menschen zu erreichen. Intensiver Kontakt bestehe beispielsweise bereits mit Vertretern verschiedener Glaubensgemeinschaften, außerdem inseriere die Stadt verstärkt in Zuwandererzeitungen und habe Informationen zur Impfung mehrsprachig veröffentlicht.

Wer die Impfskeptiker sind

Im Vergleich mit den österreichweiten Schlusslichtern weisen Favoriten oder Simmering allerdings sogar eine hohe Impfquote auf. Die zehn Gemeinden mit den wenigsten teilgeimpften Personen bewegen sich nämlich zwischen 37 und 29 Prozent.

Wer die Impfskeptikerinnen und -skeptiker sind, untersucht Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien. Laut den Daten des Forschers geht es hier immerhin um 20 Prozent der Bevölkerung. Simple Antworten hat Eberl allerdings nicht parat. "Den Prototyp gibt es nicht", sagte er im Interview mit dem ORF. Bezüglich Alter und Bildung gebe es beispielsweise keinen großen Unterschied zu den impfwilligen Menschen. Allerdings spiele eine große Rolle, wie gefährlich das Virus eingeschätzt wird. In der Skeptiker-Gruppe sei auch der gesellschaftliche Zusammenhalt niedriger. "Und tatsächlich tendieren diese Personen eher dazu, die FPÖ zu wählen."

Grafik: Der Standard

Eberl bezieht sich für diese Analyse auf Daten des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Daraus lasse sich auch ableiten, wie diese Menschen erreicht werden könnten. Facebook werde als primäre Informationsquelle genutzt, den traditionellen Medien werde nicht getraut. Eine breite Informationskampagne der Politik würde Eberl zufolge diese Gruppe auch nicht erreichen, "weil sie auch der Politik nicht trauen". Ausnahme: FPÖ-Politikerinnen oder -Politiker. "Die haben Vorbildcharakter ." Ansonsten empfiehlt Eberl niederschwellige Angebote. Eine Impfpflicht könnte die Skeptiker hingegen bestärken "oder sogar radikalisieren". Landespolitiker, am Freitag etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), sprachen sich zuletzt vermehrt für eine bundesweite Lösung bei einer zumindest partiellen Impfpflicht aus.

Ungeimpft dank frischer Landluft

In Spiss, der Tiroler Gemeinde mit der niedrigsten Impfrate landesweit, hat der Bürgermeister eine originelle Erklärung für die geringe Immunisierung – die Menschen am Land bräuchten nämlich gar keinen Impfstoff: "Die Abwehrstoffe in den ländlichen Gemeinden sind sicher besser", sagte Alois Jäger auf Puls 24. Denn hier lebe man freier, und die Kinder könnten im Dreck spielen, bekräftigte Jäger auch auf STANDARD-Rückfrage. Impfgegner sei er aber keiner, "ich bin einfach neutral". Und selbst ungeimpft. (Sebastian Fellner, Lara Hagen, 30.7.2021)