Der Ausschussbericht ist für Kanzler Kurz und die ÖVP wenig erfreulich.

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Der U-Ausschuss-Bericht des unabhängigen Verfahrensrichters ist ein merkwürdiges Dokument, weil zwei Welten aufeinanderprallen: da der juristisch denkende Richter; dort die politisch agierenden Abgeordneten der Opposition, die die Untersuchungsthemen vorgeben und den Großteil der Befragungen durchführen.

Das hat zur Folge, dass viele der politisch brisanten Themen des U-Ausschusses im Bericht recht unspektakulär abgehandelt werden. Man nehme das Thema ÖVP-Großspender, die auf bestimmte Posten gesetzt werden und sich über sogenannte "unternehmerfreundliche" Gesetze freuen: Politisch ist das ein verfängliches Narrativ vom Einfluss der Superreichen auf die ÖVP. Nur: Handfeste Beweise dafür fand der U-Ausschuss nicht. Genau deshalb nimmt Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl dieser Erzählung auch den Wind aus den Segeln.

Blick auf Geschehnisse schärfen

Das gilt auch für die ÖVP-Schredderaffäre: Dass ein Kurz-Mitarbeiter unter falschem Namen Festplatten vernichten ließ, regt die Fantasie an. Der Beweis, dass auf diesen Festplatten Beweismittel waren, findet sich aber nicht – und genau das notiert Pöschl. Der Bericht des Verfahrensrichters hilft damit, den Blick auf die Geschehnisse zu schärfen. Deshalb ist der Bericht auf den ersten Blick gut für die ÖVP: Sie ist mit so vielen Vorwürfen konfrontiert, dass in einzelnen Aspekten oft nicht mehr zwischen Spekulationen, Interpretationen und Fakten differenziert wird.

Auf den zweiten Blick ist der Ausschussbericht für Türkis schon weniger erfreulich, da er doch schwere Vorwürfe gegen die damals türkis-blaue Regierung beinhaltet. Er bekräftigt die These der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), dass der Umbau des Casinos-Austria-AG-Vorstands im Frühjahr 2019 aus politischen Interessen erfolgt ist. Der Verdacht der Untreue gegen zahlreiche (Ex-)Politiker und Manager ist also laut Pöschl-Bericht berechtigt. Ebenso klar ist für den Verfahrensrichter, dass der FPÖ-Bezirkspolitiker und Manager Peter Sidlo mit aller Kraft zum Finanzvorstand der Casag gemacht werden sollte und dass es diesbezüglich einen Hintergrund-Deal mit der Politik gab. Pöschl geht sogar so weit, von einem "gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis" zwischen Türkis-Blau und dem Glücksspielkonzern Novomatic zu sprechen. Sich von einem Konzern, der so in der Kritik stand, abhängig gemacht zu haben, ist ein starker Vorwurf in Richtung ÖVP.

Kein Kompliment in Richtung Ballhausplatz

Kanzler Sebastian Kurz sei zwar nicht eingebunden, wohl aber "im Groben" über die Vorgänge informiert gewesen, denkt Pöschl – das ist auch kein Kompliment in Richtung Ballhausplatz. Ebenso kommt der frühere Finanzminister Hartwig Löger im Bericht schlecht weg, was beispielsweise die Bestellung von Thomas Schmid zum Öbag-Chef betrifft. Auch die ÖVP-Spende der Premiqamed, in deren Aufsichtsrat Löger einst war, sieht Pöschl kritisch. Diese habe wohl "die politische Willensbildung" der Partei beeinflussen sollen.

Was vom Pöschl-Bericht bleibt: Natürlich spitzte die Opposition die Vorwürfe gegen die ÖVP massiv zu, vor allem im U-Ausschuss. Aber im Kern hat sie mit ihrer Kritik wesentliche Punkte getroffen. Wie sehr sich ÖVP und FPÖ von manchen Unternehmen einspannen ließen, ist erschreckend – und für einzelne Personen womöglich sogar strafbar. Ein "Freispruch" ist der Bericht jedenfalls nicht. (Fabian Schmid, 30.7.2021)