Carine Kanimbas Vater gilt als prominenter Kritiker von Ruandas Präsident Paul Kagame.

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Der internationale Abhörskandal, in dessen Mittelpunkt die israelische Softwarefirma NSO Group steht, zieht auch in Afrika Kreise. Neben der Regierung Marokkos, die wegen ihres mutmaßlichen Spionageangriffs auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bereits in die Öffentlichkeit geraten ist, soll auch die ruandische Regierung von der Technologie des Unternehmens profitiert haben.

Das geht aus dem "Pegasus Project" hervor, in dessen Rahmen die Menschenrechtsorganisation Amnesty International gemeinsam mit Journalisten aus aller Welt eine Liste von mehr als 50.000 Telefonnummern womöglich abgehörter Personen aus Politik, Geschäftswelt und Diplomatie durchgekämmt hat.

Ramaphosa auf der Liste

Ruandas Geheimdienst allein soll eine rund 3.500 Namen umfassende Liste afrikanischer Staatschefs, Politiker, Diplomaten, Journalisten und Aktivisten zusammengestellt haben, in deren Handys das Pegasus genannte Spionageprogramm installiert werden sollte – oder schon wurde. Darunter auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, dessen Regierung nach der Ermordung des ruandischen Oppositionspolitikers Patrick Karegeya 2013 in Johannesburg (vermutlich durch ruandische Agenten) problematische Beziehungen zu Kigali unterhält.

"Selbstverständlich sind wir nicht glücklich, als Ziel ausgewählt zu werden", reagierte Ramaphosas Sprecherin Khumbudzo Ntshavheni in Pretoria: "Das ist sowohl ein Angriff auf die Privatsphäre unseres Präsidenten wie auf die Souveränität des südafrikanischen Staates."

Angespannte Stimmung

Das Verhältnis zwischen Kigali und Pretoria hat sich durch die jüngste Entsendung von rund 1.000 ruandischen Soldaten in den unruhigen Norden Mosambiks weiter verschlechtert. Südafrika betrachtet Mosambik als seinen Einflussbereich und schickte selbst schon 1.500 Soldaten in die von islamistischen Extremisten verunsicherte Region, die Truppenstärke soll bald noch verdoppelt werden.

Auf der Abhörliste der ruandischen Regierung stand offenbar auch der Präsident des Nachbarstaats Burundi, zu dem Kigali äußerst angespannte Beziehungen unterhält, sowie zahlreiche hochrangige Politiker und Militärs in Uganda, einem weiteren Konkurrenten.

Entführter Kritiker

Die konkretesten Vorwürfe gegen den vom ruandischen Präsidenten Paul Kagame geführten Überwachungsstaat erhebt Carine Kanimba, Tochter des einstigen Managers des Mille-Collines-Hotels in Kigali, der als Vorlage des Kinofilms Hotel Ruanda weltweite Berühmtheit erlangte. Ruandas Regierung wirft Paul Rusesebagina vor, während des Völkermords 1994 im Mille Collines Flüchtlingen nicht etwa Schutz geboten, sondern viele von ihnen an paramilitärische Milizen ausgeliefert zu haben. Außerdem soll er seit Jahren die ruandische Opposition und die im kongolesischen Nachbarland verschanzte FDLR-Miliz unterstützen. Ein Vorwurf, den Rusesebagina bestreitet.

Der ehemalige Hotelmanager war Ende August vergangenen Jahres in einem aufsehenerregenden Coup nach Ruanda entführt worden: Dort wurde er inhaftiert und vor Gericht gestellt. Bei den Gefängnisbesuchen seiner Anwälte sei wiederholt zum Vorschein gekommen, dass die ruandischen Behörden über Informationen verfügten, an die sie nur durch das Abhören ihres Mobiltelefons gelangt sein konnten, teilte Kanimba CNN mit.

Die im Rahmen des Pegasus-Projekts erhobenen Vorwürfe werden in Kigali dementiert. Ruanda benütze diese Software nicht "und verfügt auch nicht über die nötigen technischen Kenntnisse", sagte Außenminister Vincent Biruta. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 31.7.2021)