Expertinnen und Experten empfehlen seit Jahrzehnten: mehr Raum für Kinder.

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Die US-amerikanische Seuchenbehörde CDC stellt in einem neuen, internen Bericht klar: Die Delta-Variante des Coronavirus ist aus Sicht der Expertinnen und Experten mindestens so ansteckend wie Feuchtblattern. Selbst jene, die geimpft sind, können, wenn sie sich infizieren, eine bemerkenswert hohe Anzahl an Viren in sich tragen – und ergo selbst ansteckend sein. Dennoch, man kann es nicht oft genug betonen: Auch die CDC lässt keinen Zweifel daran, dass Impfen der einzige Weg ist, um Covid-Erkrankungen mit schwerem, vielleicht sogar letalem Verlauf zu vermeiden.

US-Präsident Joe Biden verschärft jetzt jedenfalls die Regeln für Bundesbeamte – und in Europa diskutiert man, wie man mehr Menschen zum Impfen bewegen kann. Unangenehm stoßen dabei Veranstaltungen wie jene verspätete Massenmaturafeier in Kroatien auf, bei der sich gleich hunderte junge Menschen ansteckten – darunter dutzende, die bereits zweifach geimpft sind. Schon werden Stimmen laut, die fordern, dass solche Partys eigentlich verboten gehören. Wer das mit der Eigenverantwortung nicht draufhabe, dürfe halt auch nicht feiern, lautet das Verdikt – und es sagt mehr aus über die immer noch autoritäre Unterströmung in Österreichs Gesellschaft als über vermeintliche und tatsächliche Verfehlungen junger Menschen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Anders betrachten

Man könnte die Sache auch anders betrachten: Wenn das mit dem Impfen bisher bei dieser Altersgruppe nicht so gut funktioniert hat, dann müssen Regierung und Behörden eben sehr intensiv darüber nachdenken, wie es künftig besser klappen könnte – und dürfen dabei weder Kosten noch Mühen scheuen. Das Ziel österreichischer Gesundheitspolitik muss sein, eine möglichst hohe Durchimpfungsrate zu erzielen – alles andere sind Nebenschauplätze. Erst wenn das erreicht ist, ist die Pandemiegefahr für die gesamte Gesellschaft einigermaßen gebannt.

Jungen Menschen muss dabei besonderes Augenmerk gelten. Einerseits haben sie in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits gravierende Nachteile erlebt: durch Homeschooling, Distance-Learning, soziale Isolation. Es ist verständlich, dass sie sich nicht mehr einsperren und beschränken lassen wollen. Es stellt sich die Frage: Wo bleiben die gezielten Impfoffensiven des Bundes für junge Menschen ab 16 in Österreich? Bis jetzt hat diesbezüglich nur Wien Initiativen gesetzt. Tatsächlich müssten ab September vor jeder Oberstufenschule, vor jeder Universität und Fachhochschule Impfmöglichkeiten bereitgestellt werden.

Engmaschiges Test-Regime

Noch mehr muss man auf jene schauen, die zu jung sind, um geimpft zu werden. Sie brauchen ein engmaschiges Test-Regime. Das ist die Grundvoraussetzung. Sie brauchen aber auch endlich das, was Expertinnen und Experten seit Jahrzehnten empfehlen: mehr Raum für Kinder, mehr individuelle Förderung und Betreuung, mehr Investition in ihre Zukunft – "koste es, was es wolle", wie die Regierung zu Beginn der Pandemie versprach. Das sollte die Haltung gegenüber Jungen sein. Nicht der rügende Zeigefinger. (Petra Stuiber, 30.7.2021)