Hartwig Löger wechselte vom Aufsichtsrat der Premiqamed ins Finanzministerium. Sein ehemaliger Arbeitgeber spendete der ÖVP daraufhin 50.000 Euro

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Mindestens fünf Korruptionsverfahren – das größte davon mit 14 Ermittlungssträngen – hat das Ibiza-Video laut Justizministerium ausgelöst. Als Randnotiz lief die längste Zeit über der Fall Privatklinikengesetz, bevor er im Juli zum ersten Korruptionsprozess mit Ibiza-Bezug führte. Vor dem Straflandesgericht Wien standen der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der Privatklinik-Betreiber Walter Grubmüller; ein Urteil wird für Ende August erwartet. Doch laut dem Bericht des unabhängigen Verfahrensrichter im U-Ausschuss könnte in Punkto Privatkliniken die ÖVP noch stärker als Strache in die Bredouille geraten.

Fünffacher Spendenbetrag an ÖVP

Grubmüller spendete der FPÖ im Wahlkampf 2017 exakt 10.000 Euro, als Vizekanzler setzt sich Strache später für dessen Anliegen ein – herauskam bis heute eine rechtlich unklare Situation für Grubmüllers Privatklinik. Der größte private Klinikbetreiber Premiqamed spendete hingegen in zwei Tranchen 50.000 Euro; das nicht im Wahlkampf, sondern in der zeitlichen Nähe zu politischen Ereignissen – und er profitierte von der türkis-blauen Gesundheitsreform deutlich stärker. Premiqamed-Aufsichtsratsvorsitzender bis zu seiner Angelobung als Finanzminister: Hartwig Löger (ÖVP).

Im Zentrum der Verdachtsmomente steht der Privatklinikenfinanzierungsfonds (Prikraf). Wenn Sie die nächsten Zeilen aufmerksam lesen, werden Sie verstehen, warum er als Einfallstor für Korruption gesehen werden kann. Damit Privatkliniken direkt mit Gesundheitskassen verrechnen können, sind drei Schritte nötig. Zuerst muss das Prikraf-Gesetz geändert werden, in dem alle berechtigten Kliniken namentlich angeführt werden. Dann müssen sich Dach- und Fachverband auf einen Vertrag einigen. Dann muss noch ein Direktverrechnungsübereinkommen abgeschlossen werden.

Das wird aber noch komplizierter: Der Fonds an sich ist gedeckelt. Es gibt eine fixen Betrag, der den Privatkliniken für die Direktverrechnung zur Verfügung steht. Je mehr Leistungen abgerechnet werden, desto weniger ist jede einzelne "wert". Kommt eine neue Privatklinik in den Fonds, erhalten alle anderen wohl weniger.

Falls Sie bis hierhin durchgehalten haben und denken, so eine Gesetzeskonstruktion kann nicht absurder werden: Sie liegen falsch. Es gibt nämlich keine rechtliche Handhabe dafür, in den Prikraf-Fonds aufgenommen zu werden. Als Privatklinikbetreiber müssen Sie zuerst den Gesetzgeber überzeugen, Ihr Unternehmen in den Anhang des Prikraf-Gesetzes aufzunehmen. Danach müssen Sie Fach- und Dachverband auf Ihre Seite bringen, dann noch das Direktverrechnungsübereinkommen abschließen.

Der Fall Grubmüller

Diese Stolpersteine hat Walter Grubmüller erlebt, wie er vor Gericht und vor dem U-Ausschuss dargelegt hat – "durchaus glaubwürdig", wie der U-Ausschuss-Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl attestiert. Seit der Übernahme der Privatklinik Währing versuchte Grubmüller, in den Prikraf zu gelangen. Die Regelungen führten, so Pöschl, "für Grubmüller zweifellos zu einer unbefriedigenden Situation, die er durch Inanspruchnahme der Hilfe von Politikern zu bewältigen versuchte".

Zuerst soll Grubmüller den ÖVP-nahen Publizisten und Lobbyisten Herbert Vytiska beauftragt haben, der einst Pressesprecher von Außenminister Alois Mock gewesen war. Vytiska, der im Juni 2020 verstarb, soll für Grubmüller bei der Wirtschaftskammer lobbyiert haben; außerdem schlug er ihm angeblich eine Spende beim Alois-Mock-Institut vor, das Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gegründet hatte. Vytiskas Bemühungen für Grubmüller dürften nicht gefruchtet haben.

Daraufhin wandte sich der Klinikbetreiber, der in der Glücksspielbranche reich wurde, an die FPÖ. Strache kannte er schon seit den 1990er-Jahren, erzählte Grubmüller vor dem U-Ausschuss; er wies Strache auf das Prikraf-Konstrukt hin. Im Wahlkampf 2017 spendete Grubmüller 10.000 Euro an die FPÖ; zuvor hatte Strache eine Pressekonferenz mit ihm abgehalten und gemeinsam geurlaubt. Als Vizekanzler machte Strache im Hintergrund Druck für eine Prikraf-Reform, Chats zwischen Grubmüller und dem damaligen FPÖ-Chef zeigen einen intensiven Austausch zum Thema. Wegen Bestechlichkeit steht Strache derzeit vor dem Straflandesgericht Wien; Ende August soll die Verhandlung weitergeführt und abgeschlossen werden – es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Bericht des U-Ausschuss-Verfahrensrichters ist für Strache durchaus positiv: "Im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss kamen keinerlei Anhaltspunkte dafür hervor, dass Strache Gegenleistungen, sei es in Form von Einladungen, sei es in Form einer Spende, für sein Engagement in der Sache Privatklinik Währing eingefordert hat. Ebenso wenig ist hervorgekommen, dass Grubmüller von Strache explizit für die Spende und für Einladungen Gegenleistungen gefordert hätte."

Der Fall Premiqamed

Dafür legt der Verfahrensrichter auch einen starken Fokus auf die Premiqamed und deren Parteispenden an die ÖVP. Der größte private Klinikbetreiber Österreichs ist eine hundertprozentige Tochter der Uniqa Österreich Versicherungen AG; deren Vorstandsvorsitzender war bis Dezember 2017 Hartwig Löger. Premiqamed-Manager Julian H. ist gleichzeitig auch Branchenobmann in der Wirtschaftskammer.

Im Mai 2017 soll bei einem Treffen zwischen H., Löger und dem Wiener Wirtschaftskammer-Chef Walter Ruck eine Spende an die "Neue ÖVP" aufgebracht worden sein – bei der Frage, von wem die Idee dazu ausging, gibt es jedoch deutliche Widersprüche. Laut H.s Beschuldigteneinvernahme vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erbat der ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior bei einem Termin im Sommer dann die konkrete Summe von 50.000 Euro, die die Premiqamed spenden sollte.

Löger gibt an, am Rande einer Aufsichtsratssitzung der Premiqamed über die geplante Spende informiert worden zu sein und auf die Einhaltung der Compliance-Regeln bestanden zu haben. Allerdings erfolgte die Spende nicht im Wahlkampf, wie der U-Ausschuss-Verfahrensrichter mehrfach moniert: Die erste Tranche über 25.000 Euro kam im Dezember 2017. Aus Melchiors Büro kam zeitgleich zur Angelobung des bisherigen Premiqamed-Aufsichtsratsvorsitzenden Löger zum Finanzminister eine Zahlungsaufforderung.

"Mit Blümel und Löger abgestimmt"

Die zweite Spende an die ÖVP erfolgte im Juni 2018, im Juli 2018 wandte sich Premiqamed-Manager H. an Strache und fügte an die E-Mail das Dokument "Novellierung Gesetzestext 149 150 ASVG und PRIKRAF-G." mit der Bemerkung bei, "dass die beigeschlossenen Regelungen, wie vereinbart, mit Herrn Kanzleramtsminister G. Blümel und Herrn Finanzminister H. Löger abgestimmt worden seien."

Für den Verfahrensrichter im U-Ausschuss zeigt sich somit "ein auffälliger zeitlicher Zusammenhang zwischen Spende und Gesetzwerdung des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes". Und er attestiert trocken: "Von einer Wahlkampfspende wäre wohl anzunehmen, dass sie im Nahbereich der Wahl geleistet wird." Grubmüller hatte an die FPÖ gespendet, bevor klar war, dass diese an die Regierung kommt und bevor im Koalitionsabkommen von einer Prikraf-Erweiterung die Rede war – die Premiqamed erst, als all das fixiert war.

Die Genannten bestreiten jedweden Zusammenhang zwischen Spende, Gesetzeswerdung und Lögers Angelobung als Finanzminister. Die WKStA ermittelt, es gilt die Unschuldsvermutung.

Dringender Reformbedarf

Im U-Ausschuss-Bericht liefert der Verfahrensrichter jedoch weitere Hinweise auf Merkwürdigkeiten: So wurde der Prikraf-Fonds im Jahr 2008, als die Privatklinik Wörgl mit 29 Betten aufgenommen wurde, um 380.000 Euro erhöht. Als im Herbst 2018 die Privatklinik Währing mit 20 Betten hinzugefügt wurde, lag der Betrag bei 14,7 Millionen Euro. Davon profitierten alle anderen Prikraf-Mitglieder, die Premiqamed selbst rechnete vier Millionen Euro mehr ab. "Dass es auf Regierungsseite an objektivierbaren Argumenten für die Erhöhung des Fondsvermögens fehlte, lässt sich aus den Erläuterungen zum Ministerialentwurf und der Regierungsvorlage des Sozialversicherungs- Organisationsgesetzes erschließen, die entgegen sonstiger Übung keinen nachvollziehbaren Grund für die zusätzlich zur Valorisierung gegebenen EUR 14,7 Millionen nennen, sondern nur auf die Aufnahme der Privatklinik Währing in den Prikraf verweisen, die allerdings aufgrund des vergleichsweisen kleinen Umfangs der Klinik einen derartigen Betrag nicht rechtfertigen kann", kommentiert Pöschl.

Abgesehen von den Verdachtsmomenten auf Untreue und Korruption sieht der Verfahrensrichter jedenfalls gesetzlichen Reformbedarf: Die Aufnahmebedingungen für den Prikraf "sollten gesetzlich festgelegt werden", schlägt er vor. "Im Streitfall sollte eine unabhängige, außergerichtliche Institution zur Entscheidung angerufen werden können", meint Verfahrensrichter Pöschl weiter; im Zweifel eine gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche ermöglicht werden.

Für ihn ist im Fall Prikraf klar: "Nach den im Untersuchungsausschuss gewonnenen Erkenntnissen spricht jedoch viel dafür, dass einerseits die sachlich nicht begründbaren Aktivitäten Straches ein wesentliches Argument für die Gesetzwerdung waren und dass andererseits die genannte Spende der Premiqamed Group begünstigend auf die Willensbildung in der ÖVP einwirken sollte." (Fabian Schmid, 31.7.2021)