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In Österreich wird Tag für Tag viel zu viel Land verbaut. Was gehört dringend geändert?

Foto: Getty Images

Österreich ist Europameister im Bodenverbrauch. An dieser Aussage ist nicht zu rütteln, sie ist durch die aktuellen Zahlen des Umweltbundesamts belegt: In Österreich werden im Jahresdurchschnitt 42 Quadratkilometer produktiver Boden verbraucht. Eine alarmierende Zahl und eine Entwicklung, vor der jedes Jahr Umwelt-NGOs oder zuletzt auch ORF-Journalist Tarek Leitner im Gastkommentar (siehe "Versiegelt und zugebaut", 10. 7. 2021) ausdrücklich warnen.

Negative Folgen

Tatsächlich wirkt sich eine wachsende Bodenversiegelung – besonders in urbanen Räumen – auf die Pflanzenvielfalt sowie das Mikroklima negativ aus. Die Folgen des Klimawandels werden immer spürbarer: Überschwemmungen, Murenabgänge und Stürme sind zu unseren ständigen Begleitern geworden.

Gleichzeitig ist die Baubranche nach wie vor einer der Wirtschaftsmotoren des Landes: Laut Statistik Austria beschäftigten mehr als 37.000 vorwiegend Kleinunternehmen vor der Corona-Krise rund 300.000 Personen in Österreich, momentan wird sogar um ein Viertel mehr Personal als vor der Krise gesucht.

In Einklang bringen

Wie kann man also die not wendige und glücklicherweise fast ungebrochene Baudynamik einerseits mit immer dringenderen Appellen für mehr Umweltschutz und Lebensqualität andererseits in Einklang bringen? Dieses Umdenken können wir in drei Schritten angehen:

Baustoffe differenziert betrachten Hier gilt es in erster Linie, die einzelnen Baumaterialien nicht gegeneinander auszuspielen oder wettbewerbsverzerrend zu favorisieren. Erstes Beispiel: Eigentlich ist man nur mit dem Baustoff Beton in der Lage, flächenschonend in die Höhe und in die Tiefe zu bauen und die oft zitierten Asphaltwüsten zu vermeiden.

Zweites Beispiel: Die Stadt Wien setzt seit Jahren auf helle Betonpflastersteine, die weniger Sonnenstrahlen absorbieren und eine Versickerung des Niederschlagswassers ermöglichen. Diese reduzieren nachweislich die Überhitzung von Flächen im urbanen Raum und sind dazu äußerst beständig. Hier gilt der Baustoff also nicht als der böse "Klimakiller", sondern verhilft dazu, versiegelte Flächen wieder zu entsiegeln. Damit wird einerseits das Kanalisationsnetz entlastet (Stichwort Überschwemmungen!) und andererseits für ein angenehmeres urbanes Klima gesorgt.

Innovative Konzepte wie das sogenannte Schwammstadtprinzip verschaffen den Stadtbäumen zusätzlich Wurzelraum unterhalb der befestigten Oberfläche.

Regionalität forcieren Regional hergestellte Baumaterialien sichern nicht nur lokale Arbeitsplätze, sie benötigen auch keine langen Transportwege. Auch hier lohnt ein differenzierter Blick: Der Bedarf an Beton und seinen Rohstoffen wird in Österreich fast ausschließlich aus heimischer Produktion gedeckt – die Transportwege betragen in der Regel nur rund 30 Kilometer. Aus diesem Grund sind die Umweltbelastungen durch den Transport von Beton vergleichsweise gering. Retentionsbecken oder Fertigteile für den Hochwasserschutz lassen sich nicht regionaler herstellen als mit Beton. Gleichzeitig weist die österreichische Holzindustrie im Jahr 2018 einen Importanteil von 63 Prozent der für den Bau relevanten Holzwerkstoffe aus – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Ökobilanz dieses Baustoffes. Ein verpflichtender Herkunftsnachweis würde die Transparenz massiv steigern – was für Eier recht ist, kann doch für Baustoffe nur billig sein.

Recycling ist die Antwort Wir müssen unbedingt den gesamten Lebenszyklus von Baumaterialien bis hin zur Wiederverwertung in den Mittelpunkt der Baupolitik stellen. 100-prozentig recycelbare Baustoffe schonen natürliche Ressourcen und sparen CO2. Österreich kann in diesem Bereich bereits auf erfolgreiche Projekte verweisen: Der gemeinnützige Wohnbauträger Salzburg Wohnbau zeigt momentan, dass die Schaffung neuer Wohnhausanlagen mit recyceltem Holzbeton möglich ist.

Kluge Konzepte zur Entsiegelung

Dem negativen Trend der wachsenden Bodenversiegelung können wir nur entgegentreten, wenn wir einerseits kluge Konzepte zur Entsiegelung bestehender zugebauter Flächen entwickeln und andererseits die Regionalität und Recyclingfähigkeit von Baustoffen in unserer Baupolitik nachhaltig verankern. Denn eines wird uns auch der beste Baustoff nicht abnehmen: innerhalb eines mutigen, politischen Rahmens intelligent zu bauen. Das müssen wir schon selbst. (Thomas Mühl, 2.8.2021)