Das Pseudonym HNRX findet sich unter vielen Kunstwerken in ganz Europa.

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Gesprüht wird mit alter Fassadenfarbe oder Farbresten von Malern.

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HNRX. Hinter diesen vier Buchstaben verbirgt sich eine mittlerweile 14 Jahre alte Geschichte über Straßenkunst. Sie zieht sich durch Berlin, Hamburg, London, Valencia, Athen und viele andere europäische Städte. Ihren Ursprung hat sie aber in Inzing, einem Tiroler Dorf mit rund 3.500 Einwohnern. Hier kennen die Menschen den Künstler hinter dem Pseudonym, ausgesprochen "Henryx", unter seinem bürgerlichen Namen Maximilian Prantl. Ob die Inzinger stolz sind auf den europaweit bekannten Urban Artist?

"Die meisten wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass ich noch hier wohne", erzählt der 28-Jährige, nicht ohne zu schmunzeln. Die Entscheidung, in Tirol einen fixen Standort zu haben und nicht in den österreichischen Urban-Art-Hotspot Wien zu ziehen, war eine bewusste. Trotzdem war es gerade die Sicherheit und Geborgenheit während der Kindheit im Dorf, die dem Tiroler 2015 den Rückhalt geboten hat "aufzubrechen". Er wollte andere Städte sowie Kulturen kennenlernen – und vor allem neue Wände bespielen.

Fünf Jahre lang fuhr er quer durch Europa und löste bis zu zehn Interrail-Tickets pro Jahr. In der jeweiligen Stadt angekommen, spazierte er durch die Straßen und hielt Ausschau nach leeren Flächen. "Dass das möglich ist, mag in Österreich unmöglich erscheinen, aber in Valencia beispielsweise können Wände ohne Genehmigung bemalt werden. Die Menschen freuen sich, dass die Stadt durch Straßenkunst bereichert wird."

Urban Art ist nicht Graffiti

HNRX bezeichnet sich als Straßenkünstler und der Urban Art zugehörig. Diese Kunstform hat sich aus der Graffiti-Bewegung, die um 1980 von New York nach Europa gekommen war, entwickelt. Während Graffiti Buchstaben darstellt, ist Urban Art eine figurative Kunstform. Sie sind – wenngleich verwandt – getrennt voneinander zu betrachten. Gerade in den Anfangsjahren galt aber beides als Vandalismus und war strafbar. Mittlerweile ist das anders – nicht zuletzt durch das Schaffen von öffentlichen Plätzen, wie dem Donau kanal in Wien, wo sich Künstlerinnen und Künstler austoben können. Mittlerweile sei Urban Art ein unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Raums und auch in der Stadt politik angekommen, so HNRX. Banksy und Golif sind Künstlernamen, die geläufig sind.

Seine Aufträge bekommt HNRX vor allem von Stadtverwaltungen in ganz Europa, weshalb er auch von seiner Kunst leben kann. Dabei werden ihm je nach Projekt Wände zugewiesen, oder er macht sich selbst auf die Suche. Ein Werk, das im September in Innsbruck enthüllt wird, ist gerade in Arbeit. Was zu sehen sein wird, ist noch nicht fixiert. Meist sind es aber einfache Alltagsgegenstände oder Lebensmittel wie Zahnbürsten, Wäscheklammern, Streichhölzer, Gurken oder Würste, die HNRX abstrahiert darstellt. "Meine Arbeiten sind indirekte Expression, die die Menschen berühren soll. Das ist meine Spielwiese, um neue Formen und Farben zu finden."

Letztere kommen übrigens längst nicht mehr aus einer herkömmlichen Dose. "Ich bin seit drei Jahren weg von der Sprühdose und verwende stattdessen Fassadenfarbe von der Deponie oder Restfarben vom Maler." Mit bereits Vorhandenem zu arbeiten, statt Neues zu konsumieren, ist Teil des Kunstanspruchs von HNRX. Die Herangehensweise sei dabei nie dieselbe. Teilweise gehe er spontan an Wände und male los, in anderen Phasen sei er perfekt vorbereitet mit Entwurf und Skizzen. "Es kommt auch auf meine Laune an. Manchmal habe ich keine Lust und muss es trotzdem machen, weil es mein Job ist. An anderen Tagen explodiere ich fast vor Ideen."

Produzieren, um präsent zu sein

Seit dem ersten Lockdown vor einem Jahr hat HNRX eine "gesunde Bremse" gezogen. "Ich habe nach fünf Jahren Reisen gemerkt, dass ich müde werde." Ohne Pausen hätten sich die täglichen Abenteuer zum Einheitsbrei entwickelt. "Es war Zeit für eine Veränderung." Also hat sich der Künstler ein Studio in seiner zweiten Wahlheimat Hamburg gemietet. Isoliert in der neuen Stadt, malte er erstmals auf Leinwände. "Ich konnte eine neue Schaffensphase beginnen. Es ging nicht mehr um Halligalli, sondern darum, ins Studio zu gehen und zu arbeiten. Das hat mich entschleunigt", erzählt er.

Zuvor hat ein Projekt das nächste abgelöst. Das liege auch daran, dass die Urban Art viel von Künstlerinnen und Künstlern verlangt. "Es geht darum, seinen Künstlernamen auf der Straße zu präsentieren, und daher muss quantitativ viel abgeliefert werden." Urban Artists wollen in jeder Stadt eine große Wand bespielen. Dem eifert auch HNRX nach. Das erzeugt aber auch einen enormen Schaffensdruck – zumal die Bilder nicht ewig bestehen.

Und wie geht der Tiroler Künstler mit dieser Vergänglichkeit um? Denn selbst wenn Werke nicht von Sprayern übermalt werden, blättert die Farbe irgendwann ab. "Daran gewöhnt man sich, aber jeder hat wohl das Bedürfnis, dass die eigene Kunst so lange wie möglich steht." Daher ist HNRX immer auf der Suche nach exklusiven Spots. Viele davon hat er bereits bespielt. Wer beim nächsten Städtetrip durch die Straßen spaziert, entdeckt unter einem Kunstwerk vielleicht die Buchstaben HNRX. (Julia Beirer, 2.8.2021)