Igor Levit beim Konzert.

Foto: Salzburger Festspiele/Marco Borrelli

Igor Levit spielt Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55. Nach ein paar Momenten verwunderten Um- und Hineinhörens – so oft hört man das ja nicht – scheint es die Orchesterfassung nie gegeben zu haben. Die Bearbeitung der Eroica für Klavier von Franz Liszt in der Lesart von Igor Levit ist ein pianistischer Klangrausch. Binnen kurzem ist kaum mehr erinnerlich, welches Instrument denn nun diese betörende Melodie oder jenes dumpfe Pochen im Orchesterwerk realisiert.

Immer wieder lässt Igor Levit die Klangfarben von Instrumentengruppen oder die Linien von Solopassagen hörbar werden. Sogar im Tumult von Tutti-Stellen im Fortissimo. Dass die komplex umrauschten kontrapunktischen Passagen auf dem Klavier so beeindruckend gut funktionieren, ist dem klug organisierenden Satz des Bearbeiters ebenso zu danken wie der analysierenden Virtuosität des Interpreten. Dass ein paar Stellen nur verhuscht rüberkommen, macht die Performance nur begreifbarer.

Beängstigende Ruhe

Die Programmdramaturgie setzte die monumentale Wiedergabe in direkten Zusammenhang mit den Stücken von Schubert und Prokofjew – in die Spannung zwischen Heldensang und Totenklage. Schuberts Drei Klavierstücke D 946 betören mit dem steten Wechsel von sturmgepeitschter Atemlosigkeit und beängstigender Ruhe. Sergej Prokofjew Sonate für Klavier Nr. 7 B-Dur op. 83 kommt in Levits Lesart als stampfender Energieausbruch daher. Im Kontext dieses Programms und des noch frischen Schubert-Eindrucks klingt der erste Satz Allegro inquieto, als hätte ein später Nachkomme des Schubert’schen Wanderers sich auf den Weg über Schlachtfelder des 20. Jahrhunderts gemacht. So läutet die Totenglocke im trügerisch friedvollen Andante caloroso nicht als trostreiches Zügenglöcklein, sondern verklingt heillos über den Leichen der Soldaten, die noch sterben werden.

Mehr Schlagwerk als Klavier spielt Levit im dritten Satz Percipato, ein rhythmisch sich "überstürzendes" Aufbegehren. Erst mit der Zugabe, dem Choral aus Nun komm der Heiden Heiland BWV 659 in der Bearbeitung von Busoni, stilistisch aus einem Guss mit dem Gesamtprogramm, kehren Ruhe und Stille ein. Jubel. (Heidemarie Klabacher, 1.8.2021)