Im Jahr des Herrn 2037. Wir besuchen Walter Röhrl kurz nach seinem 90. Geburtstag. Der drahtige Bursche kommt soeben vom Radtraining zurück, schwingt sich vom Sattel, "bin gleich so weit, kommt erst einmal rein". In der Einfahrt steht ein Porsche Macan, seit 2023 ein Elektro-SUV, geladen wird aber nicht induktiv, er will schließlich vermeiden, dass seine Katze gegrillt wird. In der Halle stehen Heiligtümer aus der Automobilgeschichte, unter anderem sein 911er aus den frühen 1970ern, herrlich währt am längsten, fährt sich auch wieder ganz ohne Erklärungsnotstand, seit diese E-Fuels in großindustriellem Maßstab hergestellt werden.

Den Turbo GT gibt es ausschließlich auf Basis des Coupés. Fahrleistungen? Wie vor wenigen Jahren bei einem Supersportwagen.
Foto: Porsche

Röhrl sei in seiner Rennsportkarriere der schnellste Autofahrer der Welt gewesen, nun sei er der beste, hatte David Staretz vor Jahrzehnten treffend formuliert. Heute, wäre zu ergänzen, ist er der weiseste.

Fit wie ein Turnschuh obendrein, physisch und mental, und wie wir so beisammensitzen und plaudern, kommt diese und jene Episode aus der Vergangenheit zur Sprache. Unter anderem die von vor 16 Jahren. Es gab da eine Sperrfrist für den Bericht, jetzt ist sie längst verflossen, und ich erinnere mich gut daran: Wir trafen den bodenständig-sympathischen Superstar hochsommers in Gotland; ja, auch unsereins war unter den Gotlandfahrern, wenngleich wir keine Neugründung Rigas von hier aus vornahmen.

Foto: Porsche

Porsche hatte geladen zum Kennenlernen des Cayenne Turbo GT, des ersten Sport-SUVs, der die 300er-Mauer durchbrach, wenig später wollte der Ferrari Purosangue es ihm reinen Blutes nachmachen.

Ja, das interessierte die handverlesene weltweite superreiche Klientel. Der Rest der Menschheit rümpfte womöglich eher die Nase, gab sich pikiert oder kommentierte: "Obszön." Eine Tageszeitung, damals gab es eine solche häufig auch noch in Papierform, nicht nur im energiefressenden Internet, war da insofern neutral, als sie eben vorwiegend der Aufgabe nachkam und -kommt, redlich zu berichten, was alles so vorfällt und geschieht in der Welt.

Die Sitze werfen sich in Schale, und damit zusammenwächst, was zusammengehört, sollte man sportlich figuriert sein.
Foto: Porsche

Präzisions-Popometer

Zu berichten war in etwa dies: "Sportliches Utilitätsvehikel" hatte man seinerzeit zu dieser Fahrzeuggattung gesagt, und, weil Porsche, nahmen die "sportlich" immerzu wörtlich. Selbst aus heutiger Sicht, wo wir Flugdrohnen gewohnt sind und all dieses neumoderne halbautomatische Zeugs, ist man vom technischen Aufwand beeindruckt.

Wie das seit langem so üblich war bei den Zuffenhausenern, hatten sie sich auch bei der Entwicklung dieses Ultimativgeräts Röhrls Präzisions-Popometer-Expertise bei der Abstimmung gesichert. Abzustimmen war ein knapp fünf Meter langes 2,2-Tonnen-Trumm von Auto, als Basis diente die Coupé-Version des SUVs, das Hochbaudingens allerdings 17 mm tiefergelegt, und über die fahrdynamische Potenz gab am besten die Zeit auf der Nürburgring-Nordschleife Auskunft: 7:38,9 Minuten. Ein Fabelwert, der wenige Jahre früher einem richtigen Supersportwagen zur Ehre gereicht hätte.

Foto: Porsche

Zurück nach Gotland. Im Norden gab es einen privaten Kurs, den Gotlandring, eben erst war er auf 7,3 km Länge ausgebaut worden, der neue Abschnitt zwecks zusätzlicher Herausforderung reichlich wellig, und bevor ich auf die Strecke ging, war der Herr Röhrl gerade mit "meinem" Cayenne unterwegs.

"Wenn du eine schlechte Zeit fährst – am Auto kann’s nicht liegen", hatte er beim Überreichen in der Boxengasse zu mir gesagt, und ich entsinne mich, meine Rundenzeiten waren lausig, aber welcher Normalsterbliche stinkt nicht ab gegenüber diesem Ausnahmekönner. Um zu erahnen, wes der GT fähig war, als er so hinter dem 911er-Führungsauto herflog, langte es allemal.

Da grollte was auf uns zu: Die Ingenieurinnen vorwiegend maskulinen Geschlechts hatten den Vierliterbiturbo-V8 gegenüber dem "normalen" Cayenne Turbo Coupé um 90 PS aufgepeppt, 640 PS (und 850 Nm) waren bei der Höchstleistungsübung herausgekommen, wodurch sich der Nullaufhundertsprint in 3,3 Sekunden realisieren ließ und eine, wie erwähnt, vmax von 300 km/h. Wunder der Natur: Es gibt Fliegende Fische? Ist ja noch gar nichts. Das hier war eine tieffliegende Kuh!

Foto: Porsche

Auch das Fahrwerk war auf die neuen Ziele maximaler Längs- und Querdynamik abgestimmt worden: Bis zu 15 Prozent steifere Dreikammerluftfederung, modifizierte Dämpferkennlinien und Lenkungsabstimmung, die Titan-Sportabgasanlage brachte 18 kg Gewichtsreduktion, und, und, und. Ergab in Summe eine Wankstabilität und Präzision auf bis dato bei einem SUV unerreicht sportlichem Niveau. Wie gesagt: Porsche eben.

War da noch was? Ach ja, in Österreich war gerade eine türkisch-, nein: türkis-grüne Regierung am Ruder, die hatte soeben einen unter NoVA laufenden Steueraufschlag verfügt, demzufolge der Cayenne Turbo GT um über 19.000 Euro teurer wurde – das entsprach damals etwa dem Preis eines Kleinwagens.

Und damit, Walter Röhrl, vielen Dank für die Gastfreundschaft und die Auffrischung der Erinnerung. Wir sehen uns in zehn Jahren! (Andreas Stockinger, 5.8.2021)