Besiedelung 2022 – aber wie? Die Erlen haben ihren Platz im ORF-Newsroom schon einmal gefunden – sie schmücken den schmucken Lichthof.

Foto: ORF / Roman Zach-Kiesling

Wien – Der Herbst auf dem Küniglberg und in der ORF-Information könnte heiß werden, wenn der als Favorit gehandelte Roland Weißmann tatsächlich am 10. August zum Generaldirektor bestellt wird. Weißmann will den neuen Newsroom für die hunderten ORF-Redakteurinnen und -Redakteure 2022 in den alten Führungsstrukturen besiedeln. Der jedenfalls noch bis Jahresende amtierende General Alexander Wrabetz kündigt in seinem Konzept die neue Newsroom-Struktur bis Ende September an und ihre Besetzung bis Jahresende.

Gemeinsame Vorstellungen

Inhaltlich klingen die Vorstellungen von Weißmann und Wrabetz (und übrigens auch jene der Newsroom-kritischeren Mitbewerberin Lisa Totzauer) sehr ähnlich. Ein zentraler Newsdesk soll sich um Breaking News und Nachrichtenformate über alle Medien von Social Media und Online bis "ZiB-Flash" und Radiokurznachrichten kümmern. Diesen Newsdesk soll der bisherige ORF-Korrespondent Peter Fritz aufbauen und zumindest vorerst für ein Jahr leiten.

Online first, aber starke Sendungsteams, multimediale Fachressorts, Investigativteams und freiwerdende Kapazitäten für Eigenrecherche kommen in den Konzepten ebenfalls vor, ebenso Führungsteams. Totzauer kündigt bei ihrer Wahl einen eigenen Infodirektor an, Wrabetz und auch Weißmann haben in ihren Konzepten eine grundsätzlich unveränderte Direktionsstruktur ohne Infodirektor; dafür ist derzeit der ORF-General mit zuständig. Weißmann schreibt von möglichen Anpassungen der Direktionsstruktur im Lauf der Funktionsperiode.

"Endlich starten"

Vizefinanzdirektor Weißmann, der selbst als Journalist im ORF begonnen hat, drängt in seinem Konzept auf einen baldigen Start des Newsrooms – das Kapitel beginnt als Appell: "Multimedialer Newsroom: Lasst uns endlich starten!".

Auch hier äußert er sich kritisch zu den internen Prozessen in der Amtszeit von Wrabetz als ORF-General seit 2007: "Das Projekt gehört aufgrund nicht getroffener Entscheidungen wohl zu den längsten Prozessen in der Geschichte des ORF, und das trotz seiner Dringlichkeit – ein Verlauf, der sich bereits negativ auf die Unternehmenskultur auswirkt. Vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fällt es mittlerweile schwer, an eine tatsächliche Realisierung zu glauben – und man kann es ihnen nicht vorwerfen", schreibt Weißmann.

Der Generalsbewerber: "Manche Workshops zur Definition multimedialer Zusammenarbeit sind bereits so lange her, dass sie nun schon ein zweites Mal stattfinden mussten. Dennoch arbeitet der ORF nach wie vor kaum multimedial zusammen. Selbst in der einen kleinen Hauptabteilung (Religion), die bereits den Namen 'multimediale Redaktion' führt, wird nicht durchgehend multimedial gearbeitet." Organisationsstruktur und Organisationskultur insgesamt im ORF hätten "akuten Überarbeitungsbedarf", das zeige das Projekt Newsroom deutlich.

Weißmann will alte Struktur zum Start

Aber bei der Führung des Newsrooms will es nun Weißmann nicht überstürzen: "Bei der Implementierung der neuen multimedialen Führungsstruktur sehe ich zwei Phasen: In der Phase eins der rund sechs Monate dauernden Übersiedlung in den multimedialen Newsroom werde ich die aktuellen Strukturen bestehen lassen, damit die Tagesarbeit in Radio, Fernsehen und Online ohne gröbere Hindernisse erledigt werden kann. Parallel dazu werden die Vorarbeiten für die neue, multimediale Führungsstruktur gemeinsam durchgeführt, Workflows aufgesetzt und ausprobiert, notwendige Einschulungen durchgeführt. Wenn die Übersiedlung abgeschlossen und die neuen Strukturen und Workflows etabliert sind, wird die neue multimediale Chefredaktion die Arbeit aufnehmen."

Der Newsroom soll nach bisherigem Planungsstand im ersten Halbjahr 2022 besiedelt werden. Mit 1. Jänner 2022 beginnt die nächste Generals-Amtszeit, die Besetzung entscheidet der Stiftungsrat in einer Woche, am 10. August.

Wrabetz plant neue Struktur zum Start

Bis 31. Dezember 2021 ist jedenfalls noch Wrabetz ORF-Generaldirektor. Er hat angekündigt, die Newsroom-Führung noch selbst zu besetzen. Und so steht es auch in seinem Bewerbungskonzept für die nächste Amtszeit:

"Die genaue Ausarbeitung der Struktur erfolgt bis 30.9.2021, sodass die für die Implementierung des Multimedialen Newsrooms relevanten Führungspositionen bis 31.12.2021 besetzt werden können." Denn, so Wrabetz: "Eine Verzögerung dieses Prozesses würde zu Unklarheit im entscheidenden Jahr 2022, Demotivation und Desorientierung von Mitarbeiter/innen führen und die Betriebssicherheit bei Start des Multimedialen Newsrooms gefährden."

"Eindruck und Realität eines sogenannten zentralen Chefredakteurs vermeiden"

Wrabetz skizziert seine geplante Führungsstruktur so: "Das Management des Multimedialen Newsrooms soll, um Eindruck und Realität eines sogenannten 'zentralen Chefredakteurs' zu vermeiden, aus mehreren Personen bestehen. Je ein Mitglied des Newsroom-Managements soll für die Angebote im Bereich Video (TV und Player), Audio (Radio und Podcast) und Online (Text und Teletext) sowie digitale Innovation (z. B. ZiB Insta u. a.) letztverantwortlich sein. Die Mitglieder des Newsroom-Managements berichten auch an unterschiedliche Mitglieder der Geschäftsführung. Die gemeinsamen Entscheidungen des Newsroom-Managements werden gegenüber der Geschäftsführung transparent offengelegt. In dieser Struktur wird bewusst der Transparenz und Vielfalt gegenüber einem zentralistischen Effizienzkriterium der Vorzug gegeben."

Da zeichnen sich aber auch schon wieder mögliche Gemeinsamkeiten mit Weißmann ab: Wrabetz hat eine Chefredaktion von drei, später sprach er von vier, Mitgliedern angekündigt. Es spricht einiges dafür, dass er da – bei Bewerbung – auf die bestehenden Chefredakteure zurückgreift, zum Beispiel Matthias Schrom (derzeit TV-Chefredakteur ORF 2), Hannes Aigelsreiter (Radio) und Christian Braun-Staudinger (ORF On, Player). Langjähriger Chefredakteur bei ORF On ist zudem Gerald Heidegger, Chefredakteur von ORF 1 Wolfgang Geier. Die von Wrabetz neu besetzte Chefredaktion könnte sich also nicht allzu sehr von der alten Struktur unterscheiden, die Weißmann in den ersten Monaten beibehalten will.

Unabhängigkeit, Objektivität, Pluralismus

Weißmann verspricht für die ORF-Information an vielen Stellen seines Konzepts: "Das Ziel ist klar: Die Information muss im multimedialen Newsroom noch bessere Arbeitsumstände vorfinden und noch weiter gestärkt werden. Die Unabhängigkeit, die Objektivität und der Binnenpluralismus sind dabei die wichtigsten Güter, die es zu erhalten gilt."

Und Wrabetz kündigt gleich auf den ersten Seiten an: "Kernkompetenz des ORF ist seine größtmögliche Unabhängigkeit und objektive Informationsleistung in allen Medien, für die er großes Vertrauen und hohe Legitimation genießt. Die Wahrung dieser Unabhängigkeit ist für den ORF existenziell: Ich werde die journalistische Unabhängigkeit und die Objektivität auch in Zukunft vehement verteidigen." (fid, 2.8.2021)