Mein von Herzen kommender Seufzer wird von den Wänden der umliegenden Wohnbauten zurückgeworfen, Balou, der Wolfsspitz, blickt mich verwundert an und richtet die Lauscher auf. So, als ob er sagen wollte: Ich war’s diesmal nicht. Den nicht für Hunde- und schon gar nicht für Kinderohren bestimmten Fluch verkneif ich mir.

Kopfschüttelnd stehe ich nach nur einer (!) Woche Abwesenheit auf den brennheißen Waschbetonplatten der Terrasse und blicke auf die braun-gelben Flecken vor mir. In der Hitzewelle im Juli hatte sich rund die Hälfte der Grasfläche, die die meiste Sonne abkriegt, ins Burnout verabschiedet. Im Mai und Juni sah die Sache noch anders aus: Ein dichter, sattgrüner, wenn auch nicht perfekter Grasteppich breitete sich vor mir aus.

Der Hitzewelle folgt das Burnout auf den Fuß.
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Seit rund fünf Jahren haben wir nun einen Garten in Wien, und während rings um die Rasenfläche alles blüht und gedeiht, stellte sich der Rasen schon öfters als schwer erziehbares Problemkind dar. Eines, das sehr viel Zeit, Energie und Geld verschlingt. Dabei sind es gerade mal hundert Quadratmeter. Ich setze meinen nackten Fuß auf die verdorrten Halme. Es piekst wie Stroh und knistert auch so. "So eine Sch…", denke ich, laut sage ich mir aber: "Ach, das wird schon wieder."

Sommerschlaf und neue Hoffnung

Aber ist das bloßer Zweckoptimismus, ist dem wirklich so? Anruf bei Stephan Breisach, Gründer von Rasendoktor, einem einschlägigen Infoportal/Onlineshop. Seit über drei Jahrzehnten beschäftigt er sich mit dem Thema Rasen. Der Fachmann kennt das Problem: "Man sagt, der Rasen hält einen Sommerschlaf." Zurückzuführen sei das darauf, dass die Gräser, wenn es heiß wird, ihr Wachstum dramatisch reduzieren. "Dann sollte man die Pflanzen nicht noch zusätzlich stressen, durch Wassermangel oder zu kurzes Mähen." Solche Fehler würden sich schnell gravierend summieren.

Ich muss zugeben: Beide Fehler sind mir unterlaufen. Aber zumindest klingt das mit dem Sommerschlaf beruhigend. Was schläft, wird eines Tages wieder aufwachen, oder? Und tatsächlich ist jetzt, Anfang August, wo es deutlich frischer ist und es auch in Wien häufiger regnete, feststellbar, dass die braunen Flecken sichtbar kleiner werden. Das Gras wächst nach. "Möglicherweise sind noch intakte Wurzeln vorhanden", meint Breisach. Aber wahrscheinlicher sei, dass das gesunde Gras vom Rand her die Fläche erobert, auf der es jetzt keine Konkurrenz mehr gebe.

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Mähen, mähen, mähen: Je öfter, desto dichter wächst der Rasenteppich – nur übertreiben sollte man es nicht.
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In einem ersten Impuls habe ich das verwelkte Gras ausgerecht (gut gemacht, bestätigt Breisach) – und gleich nachgesät. Dazu erläutert der "Rasendoktor": "Kann man machen. Wenn man die Zeit hat, fünf- bis sechsmal am Tag zu wässern." Denn: "Um zu keimen, brauchen die Samen gerade im Sommer einen dauerfeuchten Boden, sonst wird das nix. Die Samen vertrocknen dann binnen weniger Minuten." Hinausgeschmissenes Geld sei das meist, resümiert Breisach. Besser ist, man wartet bis September, da seien die Bedingungen – genügend Licht, Taufeuchte und noch ausreichend Wärme – ideal.

Ausreichend und richtig

Dann stehen jene (Regenerations-)Arbeiten an, die jede Rasenbesitzerin, jeder Rasenbesitzer zweimal im Jahr durchführen sollte: vertikutieren, aerifizieren, wiederansäen, düngen … und natürlich immer wieder mähen. Letzteres sollte man maximal alle drei Tage machen und auch nur in der Wachstumsperiode Mitte April bis Mitte Mai bzw. im September. Aber auch nur höchstens ein Drittel der Grashöhe wegnehmen. Dann habe man eine gute Chance, einen dichten und sattgrünen Rasen zu erhalten, erklärt Breisach. Im Sommer sollte man mit dem Mähen eher zurückhaltend sein – und auch den Rasenmähroboter entsprechend programmieren, sollte man einen haben.

Dafür aber ausreichend und richtig wässern. "Und zwar lieber einmal pro Woche ordentlich, sodass der Boden mit Wasser durchtränkt ist, als mehrmals und nur kurz", erläutert Breisach. Der Boden könne ruhig bis zu zehn Zentimeter tief feucht sein. Damit die Rasenwurzeln ordentlich mit Wasser versorgt sind. Rasengräser wurzeln nicht sehr tief – zwischen acht und zwölf Zentimeter sind die Wurzeln lang. Das hängt auch vom Boden und den Nährstoffverhältnissen ab. Ein sandiger Boden trocknet zum Beispiel schneller aus. Wenn die Sonne senkrecht über mehrere Stunden draufknallt und das über mehrere Tage, ist die Feuchtigkeit schnell weg – wie ich am eigenen Rasen erfahren habe.

Licht, Wärme, guter Boden und natürlich Wasser – lieber einmal ordentlich wässern statt oft und kurz.
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Lohnt sich also eine professionelle Bewässerungsanlage? Beim Blick in die mittlerweile damit ausgestatteten Nachbarsgärten würde ich die Frage eindeutig bejahen: Dort gedeiht der Rasen vorbildlich. (Aber: Das Gras auf der anderen Seite ist ja bekanntlich immer grüner …) "Schadet nicht, muss aber nicht sein", meint Breisach, ein Rasensprenger in Verbindung mit einer Zeitschaltuhr tut's auch. Gerade bei einer eher überschaubaren Rasenfläche.

Nobelpreis für den Trockenrasen

Angesichts immer heißer und trockener werdender Sommer stell ich mir die Frage, ob ich nicht in Zukunft auf sogenannte Trockenrasensorten ausweichen sollte. Einschlägige Angebote findet man nun immer häufiger. Breisach unterbricht: "Nennen Sie mir eine Sorte, und ich schlage Sie für den Nobelpreis vor." Weltweit würde in diese Richtung geforscht werden, und es gebe zwar Grassorten, die die Hitze besser vertragen, Wald- und Wiesengräser wie die Wiesenrispe etwa. "Aber was man dann bekommt, hat mit einem Rasen nicht mehr viel zu tun", sagt der Experte. Deshalb stehe am Anfang auch immer die Frage: Was will man haben? Eine Wiese oder einen Rasen?

Okay, ich bin zwar tendenziell im Team Rasen. Aber in Hinblick auf die Biodiversität und den Arbeitsaufwand hat auch eine Naturwiese ihren Reiz. Ist so ein Rasen denn nicht eher eine Monokultur? Auch hier widerspricht Breisach: Ein Rasen bestehe nie aus nur einer Grassorte. Klar könne man eine Rasenfläche nicht mit der genetisch vielfältigeren Blumenwiese vergleichen, aber auch ein Rasen speichere CO2 und sorge für Kühlung. Was den Arbeitsaufwand betrifft, stellt er pragmatisch fest: "Jede Pflanze braucht Pflege."

Hunde: Sie sind ja lieb, aber was ihr Urin mit dem Rasen anrichtet, kann man hier sehen.
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Man könne nicht gegen die Natur arbeiten, denn ohne Natur wird auch die Kultur nicht gedeihen. Das macht aus dem Garten einen Ort des Unvorhersehbaren, wie es etwa der Landschaftsarchitekt Piet Oudolf ausdrückt: "Man lebt in Erwartung, aber immer kann alles ganz anders kommen." Für den Rasen bedeutet das, hält Breisach fest: "Nach einigen Jahren hat man nicht mehr denselben Rasen, den man einst gesät hat." Samen anderer Grasarten werden eingetragen, (Un-)Kräuter gehen auf. Kultur und Natur müssen sich immer aufs Neue arrangieren, und gerade für einen perfekten Rasen muss man sich schon ordentlich anstrengen. Und so manchen Rückschlag in Kauf nehmen.

Man wird bescheiden

Apropos arrangieren. Seit Balou bei uns eingezogen ist, tun sich mancherorts eine andere Art von braunen Flecken auf. Man kann mit Fug und Recht sagen, dort, wo der Kerl sein Haxerl hebt, wächst kein Gras mehr. Was kann man da machen, lieber Rasendoktor? "Neutralisieren mit kohlensaurem Kalk", kommt es als Antwort: zweimal im Jahr rund 30 bis 40 Gramm wasserlöslichen, kohlensauren Kalk pro Quadratmeter ausbringen. "Es lassen sich zwar nicht alle Spuren zu 100 Prozent beseitigen, aber immerhin zu 70 Prozent", sagt Stephan Breisach. Irgendwann ist man eben auch mit 70 Prozent zufrieden. (max, 4.8.2021)