Die Debatte über die Impfpflicht läuft, doch bundesweite Maßnahmen blieben bisher aus.

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Aus immer mehr Ecken ist der Ruf nach einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen zu vernehmen. Manche Länder haben bereits angekündigt, die Initiative ergreifen zu wollen, zum Beispiel was Gesundheitspersonal oder Lehrer betrifft. Doch weder Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) noch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) fühlen sich primär zuständig. Sollte der Bund keine einheitlichen Regeln vorgeben, droht ein Fleckerlteppich.

Frage: Ist eine generelle Impfpflicht denkbar?

Antwort: Ja, wenn die epidemiologische Lage es erfordert. Zwar ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgeschrieben, dass "jedermann" das Recht auf die Achtung der Privatsphäre hat, es sind aber Ausnahmen definiert: etwa dann, wenn es um den Schutz der Gesundheit geht.

Frage: Was ist mit bestimmten Berufsgruppen, könnte da die Impfpflicht kommen?

Antwort: In der Privatwirtschaft ist das nach Ansicht vieler Juristen und Juristinnen recht einfach: Firmen könnten Impfverweigerern die Anstellung verwehren. Für Angestellte im öffentlichen Dienst bräuchte es zum Teil aber Gesetzesänderungen, die müssten stets begründet und verhältnismäßig sein. In bestimmten Bereichen haben auch die Bundesländer großen Handlungsspielraum; sie können zum Beispiel Regeln für Landesbedienstete erlassen.

Frage: Ist eine Pflicht nicht diskriminierend?

Antwort: Nicht nach der derzeit gültigen Rechtssprechung. Auch das wurde bereits von Arbeitnehmervertretern explizit festgehalten. So sagte etwa der Direktor der Arbeiterkammer Christoph Klein kürzlich: "Was nicht geht, ist eine Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung." Aber: "Impfverweigerung ist nach aktuellem Rechtsstand weder Religion noch Weltanschauung."

Frage: Um welche Berufsgruppen drehen sich die Debatte und jüngste Neuerungen?

Antwort: Allen voran um das Personal im Gesundheitsbereich, etwa Krankenhausmitarbeiterinnen oder Pfleger. Bei einigen Spitalsträgern galt eine Impfpflicht für bestimmte Krankheiten schon vor Corona. Manche Bundesländer kündigten nun an, generelle Regelungen für den Gesundheitsbereich wie auch für Landesbedienstete zu schaffen.

Frage: Was ist im Bereich der Pädagogik?

Antwort: Beim Lehrerdienstrecht ist die Zuständigkeit recht kompliziert: Der Bund macht zwar die Gesetze, in denen die Anstellungsvoraussetzungen definiert sind, er ist aber nur bei den höheren Schulen auch der Dienstgeber. Bei den Pflichtschulen sind das die Länder. Wenn da nun die Grundlage für eine Impfpflicht fehle, dann bräuchte es Gesetzesänderungen, sagt Medizinjurist Karl Stöger. Auf der anderen Seite könnte es für die Länder heikel sein, ohne gesetzliche Deckung eine Impfung als Einstellungsvoraussetzung zu verlangen. Bei den Kindergärten ist das einfacher: Da sind die Länder selbst für die Anstellungsvoraussetzungen zuständig.

Frage: Was ist der Plan für Kinder unter zwölf Jahren, wie sorgt man für deren Schutz?

Antwort: Nachdem für diese momentan noch kein Impfstoff zugelassen ist, könnte sich das Argument, ihre Betreuungspersonen in Kindergarten und Schule zu impfen, verstärken. Interessensvertreter sind eher zögerlich, was eine Impfpflicht für Pädagogen angeht. Die Bundesjugendvertretung lehne eine solche ab, "vorstellbar" wäre es bei Neuanstellungen, sagt Vorsitzender Julian Christian. Man befürworte aber Ideen wie ein flächendeckendes Impfangebot für Schüler in den Schulen selbst. Die Testinfrastruktur solle außerdem erhalten bleiben. Die Lehrergewerkschaft zeigt sich ebenso ablehnend, die Bundesschülervertretung will sich dazu nicht äußern.

Frage: Also ist ohnehin niemand für eine Lehrer-Impfpflicht?

Antwort: Doch. Die Vorsitzende der Bioethikkommission hat sich kürzlich dafür ausgesprochen. Die Stadt Wien wäre gesprächsbereit, gäbe es einen Vorschlag des Bundes zur Impfpflicht für Lehrer, heißt es. Am Montag sagte Paul Haschka, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Dachverbands der Elternverbände der Pflichtschulen: "Die Schulen dürfen auf keinen Fall wieder gesperrt werden. Bevor das passiert, muss eine Impfpflicht für Lehrer eingeführt werden." Am Dienstag stellte Haschka jedoch klar, dass diese Aussage seiner Privatmeinung entspreche – zudem schwächte er seine Aussage insofern ab, dass auch "noch nicht klar" sei, ob eine Impfpflicht helfe, Schulschließungen zu vermeiden. Die offizielle Position der Elternvertreter hingegen laute: "Der Dachverband ist der Meinung, dass Impfen eine private Entscheidung ist und ist daher nicht für eine Impfpflicht."

Frage: Wäre eine Impfpflicht für Pflichtschullehrer rein rechtlich überhaupt denkbar?

Antwort: Das hängt von vielen Faktoren ab: etwa wie gefährlich einzelne Virusvarianten für Kinder sind und wie weit diese die Gefahr weitertragen würden. "Aber natürlich ist das Argument stärker, weil sich diese Kinder nicht selbst schützen können", sagt Stöger.

Frage: Was machen die zuständigen Regierungsmitglieder?

Antwort: Faßmann meinte zuletzt, er habe keinen gesetzlichen Hebel für eine Impfpflicht, und eine Änderung bräuchte zu viel Zeit. Mückstein spielt den Ball zu Faßmann. Er könnte aber auf ein neues Gesetz drängen, das eine Impfpflicht für bestimmte, besonders gefährdete Berufsgruppen ermöglicht.

Frage: Was ist, wenn ich einen Impfschaden habe?

Antwort: Alle von Ärzten oder Behörden verimpften Stoffe sind offiziell geprüft und zugelassen. Im Falle eines sehr unwahrscheinlichen gesundheitlichen Schadens durch die Impfung hat man je nach Schweregrad Anspruch auf Entschädigung. Das betrifft die bis 1980 vorgeschriebene Pocken-Schutzimpfung, alle Impfungen, die im Mutter-Kind-Pass vorgesehen sind, und alle Impfungen, die durch eine Verordnung des Gesundheitsministers empfohlen werden – also auch die Corona-Impfung. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, 2.8.2021)