Sie ist zurück.

Foto: AFP/BONAVENTURE

Tokio – Nach dem Happy End einer emotionalen Achterbahnfahrt legte sich ein Lächeln der Erlösung auf Simone Biles' Gesicht. Für einige Momente vergaß der US-Superstar alles um sich herum – die Dutzenden klickenden Kameras, den tosenden Jubel und auch den Wirbel, der ihr mit Spannung erwartetes Comeback begleitet hatte.

Mit der Gewissheit einer Medaille drückte die Ausnahmeturnerin ihre Trainerin Cecile Landi ganz fest an sich, Stirn an Stirn verharrten sie und genossen still. Nach ihrer Auszeit wegen mentaler Probleme gelang der 24-Jährigen mit Bronze am Schwebebalken ein mehr als versöhnlicher Abschluss der Olympischen Spiele.

Gerührte Biles

"Es hat mir die Welt bedeutet, da wieder rauszugehen", sagte Biles, die zwei Tage zuvor auch noch die Nachricht des Todes ihrer Tante ereilt hatte, gerührt. Selbst Thomas Bach hielt es nicht auf seinem Sitz, der IOC-Präsident eilte sofort zur Wettkampffläche, um einer der ersten Gratulanten zu sein.

"Ich hätte nicht erwartet, eine Medaille mitzunehmen. Ich habe das nur für mich selbst gemacht", erklärte Biles und sprach von "großer Erleichterung". Und das nicht etwa, weil sie mit ihrer 32. Medaille bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften den Allzeit-Rekord von Larissa Latynina (UdSSR) egalisierte. Nein, weil sie einfach wieder turnte.

Nur den Qualifikations-Wettkampf hatte die Rekord-Weltmeisterin in Tokio zuvor komplett bestritten, im Mannschafts-Finale stieg sie nach dem ersten von vier Durchgängen aus. Das Selbstvertrauen und der Spaß fehlten, Geist und Körper waren auf einmal nicht mehr in Einklang – was der dreimaligen Weltsportlerin sonst so spielend leicht zu gelingen schien, wollte nicht mehr klappen.

Auszeit genommen

Statt um die von vielen erwartete Wiederholung ihrer vier Rio-Goldmedaillen zu kämpfen, nahm sie eine Auszeit und ließ vier Finals aus – zu ihrem eigenen Schutz. "Ich wollte meine Gesundheit und Sicherheit nicht aufs Spiel setzen", erklärte Biles, die sogar aus dem Weißen Haus und von der ehemaligen First Lady Michelle Obama Zuspruch erhielt.

"Am Ende des Tages ist es das nicht wert. Meine mentale und physische Gesundheit stehen über jeder Medaille, die ich je gewinnen könnte", betonte Biles. Zwei Sitzungen mit Sportpsychologen hätten ihr "definitiv geholfen", und am Vortag der Schwebebalken-Entscheidung erhielt sie das Go für den Start.

Statt wie zuvor ihre Teamkolleginnen als "größte Cheerleaderin" auf der Tribüne anzufeuern, schallte um Punkt 18 Uhr Ortszeit bei der Präsentation der Finalistinnen der Name "Simone Biles" wieder durch das Ariake Gymnastics Center. Liebevoll nahm Landi ihren Schützling nochmals in den Arm, bevor es auf den "Zitterbalken" ging.

Offene Zukunft

Wegen ihrer aktuellen Schwierigkeiten mit Rotationen um die Längsachse verzichtete Biles auf jegliche Art von Schrauben, doch mit der sehr exakten Ausführung ihrer Elemente konnte sie dieses Manko weitgehend ausgleichen. Und noch bevor sie ihren Abgang sicher gestanden hatte, überkam Biles ein seliges Lächeln.

Ob die Rekord-Weltmeisterin in drei Jahren bei den nächsten Olympischen Spielen noch einen neuen Anlauf nimmt, ein fünftes Gold zu gewinnen, steht für die 24-Jährige derzeit nicht zur Debatte. "Paris ist definitiv nicht in meinem Kopf, denn ich denke, da sind so viele Dinge, an denen ich zuerst für mich selbst arbeiten muss", sagte sie.

Zwei Goldene für China

Die Chinesinnen Guan Chenchen und Tang Xijing waren eine Klasse für sich und sicherten sich Gold und Silber.

Ebenfalls einen chinesischen Sieg gab es am Barren, an dem Zou Jingyuan seiner Favoritenrolle gerecht wurde. Der Weltmeister von 2017 und 2018 turnte wiederum eine Übung nahe der Perfektion und wurde dafür mit einer Note von 16,233 belohnt. Der Deutsche Lukas Dauser sicherte sich mit Silber die erste Medaille bei einem weltweiten Großanlass, Bronze holte der Türke Ferhat Arican. (sid, 3.8.2021)

Final-Ergebnisse von den Olympischen Sommerspielen in Tokio am Dienstag:

Turnen – Frauen, Balken:
Gold: 1. Guan Chenchen (CHN) 14,633 Pkt.
Silber: 2. Tang Xijing (CHN) 14,233
Bronze: 3. Simone Biles (USA) 14,000

Männer, Barren:
1. Zou Jingyuan (CHN) 16,233 Pkt.
2. Lukas Dauser (GER) 15,700
3. Ferhat Arican (TUR) 15,633