Kabinettsbürominister Michael Gove schließt ein weiteres Schottland-Referendum nicht aus.

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Es ist keine Garantie, aber sicherlich die klarste Ansage, dass die in London regierenden Tories einem erneuten Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zustimmen könnten. In einem Interview mit der "Sunday Mail" sagte Kabinettsbürominister Michael Gove, dass die Regierung von Premier Boris Johnson einem solchen "nicht im Weg stehen" werde. Sollte es der "entschiedene Wille" der schottischen Bevölkerung sein, die Abstimmung von 2014 zu wiederholen, dann "wird eine stattfinden", sagte Gove, der in Schottland zur Welt gekommen ist. Wie dieser "entschiedene Wille" definiert wird, verschwieg er.

Trotz der positiven Signale war es Gove wichtig zu betonen, dass nun nicht der richtige Zeitpunkt für ein Referendum sei. Er zeigte sich auch sicher, dass Nicola Sturgeon als First Minister Schottlands wisse, dass die Bevölkerung sich von ihr einen Fokus auf die Corona-Krise erwarte. Erst am Dienstag präsentierte sie einen Plan für eine weitere Lockerung der Restriktionen im Zusammenhang mit der Pandemie. Ab 9. August könnte es laschere Abstandsregeln oder größere Gruppen bei Veranstaltungen geben. Die Maskenpflicht bleibe aber in Kraft, sagte Sturgeon.

Tasse Tee mit Sturgeon

Gove outete sich im "Sunday Mail"-Interview als Sturgeon-Fan. Er nannte sie eine intelligente und fähige Person: "Wäre ich kein Tory, wäre es faszinierend, mit ihr über das Leben und Bücher zu plaudern. Aber wir stehen auf gegenüberliegenden Seiten, und deshalb wird das nicht passieren." Er würde sich von ihr aber schon auf eine Tasse Tee einladen lassen.

Um ein weiteres Referendum zu ermöglichen, müsste London dem schottischen Regionalparlament eine "Section 30"-Verfügung geben. Dadurch könnte Edinburgh Beschlüsse fassen, die sonst nur in Westminster passieren. Seit der Gründung des Regionalparlaments im Jahr 1999 ist eine solche Verfügung mehr als ein Dutzend Mal erteilt worden – etwa um das Schienennetz in Schottland auszubauen oder das Wahlalter zu senken. Boris Johnson hat eine erneute Erteilung im Zusammenhang mit einem Unabhängigkeitsreferendum bisher aber stets ausgeschlossen.

Unterstützung für Verbleib

Goves Aussagen kommen zu einer Zeit der leicht schwindenden Unterstützung für eine Unabhängigkeit. Im vergangenen Jahr zeigten die Meinungsumfragen sechs Monate lang konstant, dass eine Mehrheit der Schotten in einem unabhängigen Land leben möchte. Das höchste Ergebnis waren 58 Prozent für die Loslösung von dem Vereinigten Königreich. Doch nun hat sich das Blatt gewendet: Zuletzt waren wieder 52 Prozent für einen Verbleib.

Das letzte Referendum fand im Jahr 2014 statt. Damals stimmten 55,3 Prozent der Teilnehmenden für einen Verbleib in der Union, bei einer Beteiligung von fast 85 Prozent. Die Stimmung kippte mit Beginn des Jahres 2021, als die Übergangsphase des Brexits ein Ende hatte. (Bianca Blei, 4.8.2021)