Im Rahmen seines Masterstudiums Medical Technologies am Management Center Innsbruck (MCI) hat Johannes Sieberer ein Virtual-Reality-Interface aus der Sicht eines Rollstuhlfahrers nachgebaut.

Foto: MCI / Kiechl

Virtual-Reality-Anwendungen haben die Computerspielwelt voll im Griff: Mit einer entsprechenden Brille auf dem Kopf und einem Joystick in der Hand bewegt man sich durch unbekannte Welten. Die wichtigste Zutat ist Immersion – also das Gefühl, sich tatsächlich an diesem Ort zu befinden.

Statt einer Fantasiewelt hat Johannes Sieberer die Realität abgebildet und die Hindernisse, die diese oft mit sich bringt. Im Rahmen seines Masterstudiums Medical Technologies am Management Center Innsbruck (MCI) hat er ein Virtual-Reality-Interface aus der Sicht eines Rollstuhlfahrers nachgebaut.

Statt eines Controllers bedient dieser seinen Rollstuhl, der mit dem Programm verbunden ist. Das hat viele Anwendungen: "Wenn ein Architekt zum Beispiel wissen will, ob sein Gebäude wirklich barrierefrei ist, kann er sich auf den Rollstuhl setzen und durchfahren", sagt Sieberer.

Ziel ist, dass Architekten etwa eigene Gebäudepläne mit der Anwendung verknüpfen und in Echtzeit sehen können, wo es Verbesserungspotenzial hinsichtlich Barrierefreiheit gibt: sei es die Höhe des Waschbeckens oder die Sichtbarkeit entgegenkommender Personen.

Aber auch Menschen, die tatsächlich und womöglich erst seit kurzem mit einer Behinderung leben, können den Simulator nutzen: "Sie können in einer geschützten Umgebung das VR-Set aufsetzen und so etwa erleben, wie sich eine Verkehrssituation als Rollstuhlfahrer anfühlt, ohne gleich auf einer realen Hauptverkehrsstraße fahren zu müssen."

Zeitgemäße Grafik und Open Source

Für die Anwendung mit dem Arbeitstitel "VR wheelchair simulator" steht der Rollstuhl auf einem Brett, an dem Rollen angebracht sind. Rudimentäre Virtual-Reality-Darstellungen gab es schon vor 20 Jahren – nun geht es darum, neue, grafisch anspruchsvolle Anwendungen zu schaffen und sie so niederschwellig wie möglich zu gestalten.

Dank eines Stipendiums wird Sieberer zur Weiterentwicklung der Anwendung ab Herbst für elf Monate an der renommierten Universität Yale in den USA forschen. Er möchte den Simulator so einfach gestalten, dass ihn auch Schüler verwenden können. Die dahinterstehenden Informationen sollen für alle verfügbar werden: "Wir wollen eine Anwendung schaffen, um die Welt von Rollstuhlfahrern möglichst gut zu erfassen. Und indem wir das als Open Source gestalten, hoffen wir, dass stets daran gearbeitet und Barrierefreiheit weiterverbessert wird."

Als Sohn einer Therapeutin und somit immer wieder mit dem Themenfeld konfrontiert, hat Sieberer schon lange die Barrierefreiheit als Anliegen im Visier. Egal, ob die medizintechnischen Anwendungen Rollstuhlfahrern, älteren Menschen oder jenen mit Prothesen helfen sollen.

Prinzipiell gehe es immer darum, Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen: "Wenn man Menschen ein Umfeld schafft, in dem sie sich entfalten können, können sie alles erreichen." Virtual Reality sei ein Medium, mit dem man viel Verständnis für Menschen schaffen kann, die Einschränkungen haben – "aber auch, um Emotionen zu vermitteln", sagt Sieberer. (Katharina Kropshofer, 5.8.2021)