Leinwände tarnen sich als Bastelbögen, Versatzstücke aus der Werbeindustrie treffen auf solche aus der Kunstgeschichte: Künstlerin Seyoung Yoon agiert mit einer "Foundation" im Rücken.

Foto: Verena Nagl

Aus einem Mantelärmel lugt ein Fuß, unter Abreißzetteln lauert ein Totenkopf, woanders entblättert die aufgeschnittene Leinwand einen mit kräftigem Farbauftrag gemalten Frauenakt. Auf den Bildern von Seyoung Yoon geht es drunter und drüber, auch was die künstlerischen Medien betrifft: Gedrucktes überlagert Gemaltes, computergenerierte Farbwerte decken auf der Malerpalette gemischte zu, Versatzstücke aus der Werbeindustrie treffen auf solche aus der Kunstgeschichte, Leinwände tarnen sich als Bastelbögen, aus denen Kleidungsstücke für Anziehpuppen ausgeschnitten werden könnten.

Mit Sternchen garniert

Und da und dort ist all das auch noch mit ebenfalls aus Leinwand gebastelten Sternen garniert – von denen man nicht so recht weiß, ob sie als reines Dekor, Rabattmarkerl oder gar Gender-Sternchen fungieren.

Hinter dieser wilden Mischung aus Formen und Stilen steckt eine ausgeklügelte Unternehmensstruktur, Yoon, 1986 im südkoreanischen Seoul geboren, operiert seit einiger Zeit nämlich mit einer gewissen Cindy de Perky Foundation im Rücken: Es handelt sich dabei um eine raffinierte und mit eigener Corporate Identity (CI) ausgestattete Fiktion, die nicht zufällig Assoziationen zu den Privatstiftungen diverser Unternehmerfamilien weckt.

Bloß ist bei Yoon das Philanthropische nicht vom Geschäftlichen zu trennen, jedes Bild ist mit Firmenlogo ausgestattet, Werbeslogans versprechen hundertprozentige Nachhaltigkeit, mit Foundation könnte auch ein Produkt aus der Kosmetikindustrie gemeint sein, im Ausstellungstitel Prosumer Prosciutto weist die Wortschöpfung aus "producer" und "consumer" auf das doppelte Spiel hin.

Was ihre Beschäftigung mit der Konsumwelt betrifft, spricht die Künstlerin selbst eher von Analyse als von Kritik, freilich lösen sich auch hier die Grenzen auf, und die Erzählung bleibt – je nach Perspektive – ebenso löchrig oder durchlässig wie so manche Leinwand, unter der stets schon die nächste wartet. Die Erweiterung des Bildraums geht hier schichtweise vonstatten, dabei erhält man allerlei Einblicke in tieferliegende Erzählungen, mittels Textfragmenten werden auch Fährten zu einer rätselhaften Geschichte gelegt, in der die Farbe Rot eine zentrale Rolle spielt. Glaubt man der Werbung, macht sich diese in Form von Rouge besonders auf den Wangen von Toten gut.

Frage der Autorschaft

Mit zeitgenössischen Fragen zu den Bedingungen und Mitteln der Bildproduktion oder zur Autorenschaft bekam man es in der seit dem Jahr 2018 von Anette Freudenberger geleiteten Galerie der Stadt Schwaz zuletzt häufiger zu tun, ab dem kommenden Jahr betreut Freudenberger die Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzer Hof und verlässt Schwaz deshalb vorzeitig, hier übernimmt die Innsbrucker Kuratorin Nadja Ayoub. (Ivona Jelcic, 4.8.2021)