Extremsport für den Umweltschutz: Chemieprofessor Andreas Fath (rechts) und sein Kollege Thorsten Hüffer beim Probeschwimmen vor der Wiener Reichsbrücke.
AWP/Mario Kümmel

Ein kurzer Anlauf, und schon springt Andreas Fath kurzerhand über die Reling des Oberdecks der MS Marbach und köpfelt in die Donau. Vergleichsweise angenehme 17 Grad hat das Wasser, die schlammbraune Farbe erinnert noch an die Hochwässer, die vor kurzem auch die Donau ansteigen ließen. Den Leopoldsberg im Rücken, krault Fath, Chemieprofessor an der deutschen Hochschule Furtwangen, in Richtung Wiener Reichsbrücke, begleitet von einem Kajak – und von Thorsten Hüffer, Chemiker an der Universität Wien, ebenfalls passionierter Schwimmer und wie Fath auf Mikroplastikforschung fokussiert.

Andreas Fath machte am Dienstagvormittag Station in Wien, um bei einem Probeschwimmen den Fluss vor Ort kennenzulernen und sich mit Forschern der Uni Wien abzustimmen. Die Mission des 56-Jährigen: Im Frühjahr 2022 will er im Rahmen des Projekts Cleandanube die gesamte Donau abschwimmen – um auf ihre Verschmutzung aufmerksam zu machen, besonders auf die Gefahr durch Mikroplastik, das über die Flüsse in die Ozeane gelangt.

"Ein Großteil der Menschheit bezieht ihren Proteinkonsum aus den Meeren. Wenn die Tiere durch Schadstoffe und Mikroplastik ungenießbar werden und sterben, steuern wir auf eine Ernährungskrise zu", erläutert Fath mit einem plakativen Beispiel seine Motivation. "Mir geht es darum, dass wir nicht wieder zu spät dran sind – so wie bei der Klimakrise oder der Pandemie."

Der 56-jährige Chemiker hat schon den Rhein und den Tennessee River durchschwommen. Jetzt wartet die insgesamt 2.850 Kilometer lange Donau auf ihn.
AWP/Mario Kümmel

Mit seinen Extremsportaktionen hat Fath schon für einiges Aufsehen gesorgt. 2014 schwamm er den 1.230 Kilometer langen Rhein ab, um Schadstoffe zu messen und Spenden für ein neues Analysegerät für seine Forschung zu sammeln. 2017 schwamm er in Rekordzeit die 1.049 Kilometer des gesamten Tennessee River in den USA.

Nun steht mit der insgesamt 2.850 Kilometer langen Donau seine bisher forderndste Schwimmstrecke auf dem Programm. Ab dem offiziellen Auftakt am 22. April in Ulm will Fath den Weg bis ins rumänische Sulina im Donaudelta in acht bis neun Wochen zurücklegen. Das bedeutet: acht Stunden schwimmen pro Tag, mit einer Mittagspause nach vier Stunden.

Mobiles Labor

In einigen Städten, darunter in Wien, wird das Cleandanube-Team allerdings haltmachen, um mit Workshops, Experimenten und Plastiksammelaktionen vor allem Jugendliche direkt einzubinden. Das von der deutschen Naturschutzorganisation Association for Wildlife Protection (AWP) auf die Beine gestellte Projekt will aber auch umfassende Daten zur Verschmutzung der Donau sammeln, von Mikroplastik über Industrie- und Haushaltschemikalien bis hin zu Landwirtschafts- und Medikamentenrückständen.

Dafür sollen alle 50 bis 100 Kilometer Wasserproben genommen werden. In einem mobilen Labor können erste Schadstoffmessungen durchgeführt werden, genauere Analysen nehmen Partnerinstitutionen wie eben die Uni Wien vor. Zusätzlich trägt Fath am Fußgelenk einen sogenannten Passivsammler, der quasi eine Fischhaut simuliert und zeigt, welche Stoffe sich darin verfangen. Außerdem sollen ein Gerät für Tiefenmessungen und spezielle Netze, die Mikroplastikteile filtern, zum Einsatz kommen.

Ab ins Wasser: Die beiden forschenden Schwimmer Andreas Fath (im Flug) und Thorsten Hüffer beim Testlauf in Wien.
AWP/Mario Kümmel

Tatsächlich ist der Forschungsbedarf groß: Denn wie viel Mikroplastik in der Donau schwimmt, lässt sich nicht genau quantifizieren, wie Faths Kollege Thorsten Hüffer von der Forschungsplattform Plenty (Plastics in the Environment and Society) des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien betont. "Die Konzentration von Mikroplastikpartikeln ist im Gegensatz zu gelösten Schadstoffen im Wasser nicht konstant und schwankt sowohl zeitlich als auch je nach Ort und Wassertiefe", sagt Hüffer.

Eine Studie von Limnologen der Uni Wien schätzte im Jahr 2014, dass die Donau jeden Tag 4,2 Tonnen Plastikmüll ins Schwarze Meer spült. Eine 2015 veröffentlichte Studie von Umweltbundesamt, Universität für Bodenkultur und Viadonau fand heraus, dass die Donau jährlich rund 40 Tonnen Plastikteilchen transportiert.

Schädliche Plastikzusätze

Die aktuellsten Daten stammen aus dem Joint Danube Survey 4 von 2019, durch den über ein halbes Jahr systematisch Proben an Standorten entlang der gesamten Donau analysiert wurden. Erste Ergebnisse zeigen, dass in allen Proben Mikroplastik gefunden wurde, hauptsächlich Polyethylen, gefolgt von Styrol-Butadien-Kautschuk, der vor allem von Reifenabrieb stammt, und den Kunststoffen Polystyrol und Polypropylen.

"Das Problem ist nicht nur, dass Tiere Mikroplastik im Magen haben und dadurch verhungern", sagt Hüffer. "Mit dem Mikroplastik nehmen sie auch Zusatzstoffe wie Weichmacher auf, die letztlich im menschlichen Organismus landen." Bei Forschungen hat sich gezeigt, dass sich ausgerechnet bestimmte Kunststoffe dazu eignen, schädliche Plastikzusatzstoffe und andere Abwasserchemikalien zu binden. In einem laufenden Projekt an der Uni Wien wird untersucht, wie diese Bindung am besten funktioniert.

Andreas Fath und seine Kollegen wiederum versuchen auf Basis dieser Erkenntnisse, in dem Start-up Polymeractive aus 3D-Drucker-Abfällen ein kunststoffbasiertes Filtermaterial zu entwickeln. Es könnte als Alternative zu wenig nachhaltiger Aktivkohle eingesetzt werden. Nebenbei würde dadurch Plastikmüll im Sinne der Kreislaufwirtschaft weiterhin genutzt werden.

Zunächst einmal gilt es für Fath aber, die Donau-Challenge zu meistern. Wien ist dabei ein "Highlight", wie er sagt: Die vielen Brücken sind für ihn willkommene Orientierungspunkte im langen "Flow" des Stromschwimmens. (Karin Krichmayr, 3.8.2021)