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Was ist gut? Was zu viel des Guten? Das kann jeder nur für sich selbst beantworten.

Foto: Getty Images/1001nights

Die sechs überraschendsten Worte, die eine Mutter zu ihrem Sohn sagen kann: "Liebling, ich schreibe einen erotischen Roman." Genau das geschah vor einigen Jahren dem CNN-Nachrichtenmoderator Anderson Cooper. Als das Buch "Obsession: An Erotic Tale" (in der deutschen Übersetzung viel schwächer "Die Bienenkönigin: Roman einer Begierde") veröffentlicht wurde, befand sich seine Mutter im stattlichen 86. Lebensjahr.

Doch die Gute war ja auch nicht irgend jemand, sondern Gloria Vanderbilt: "Wenn ich morgens aufwache, glaube ich noch immer, dass die nächste große Sache, die nächste große Liebe auf mich wartet", notierte die legendäre Erbin, Schauspielerin, Autorin und Geliebte vieler prominenter Männer und Frauen.

Ihr Interesse für "elektrisierende Liebe" hatte sie im Laufe ihres Lebens in zahllose Arme sinken lassen. Darunter jene von Howard Hughes ("sehr diskret"), Marlon Brando ("flüchtig, aber schön"), Gene Kelly ("wie Brando") und Frank Sinatra ("magisch").

Zahlen, bitte

Vanderbilt starb mit 95 in ihrem Appartement in Manhattan. Angeblich soll sie "sehr glücklich" eingeschlafen sein. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie viele Abenteuer muss man gehabt haben, damit man sich restlos befriedigt ins Nirwana verabschieden kann?

Keine andere Disziplin verfügt über eine so hohe Schwankungsbreite: Ich bin mit Frauen befreundet, die bringen es nach vierzig Erwachsenenjahren gerade mal auf zwei verschiedene Sexpartner. Andere haben ab siebzig aufgehört zu zählen. Einige meiner männlichen Künstlerfreunde operieren im dreistelligen Bereich.

Bettgeschichten

Wir wollen jetzt nicht spießig werden und diese unterschiedlichen Zahlenangaben bewerten. Was ist gut? Was zu viel des Guten? Das kann jeder nur für sich selbst beantworten.

Wahrscheinlich verhält es sich mit Bettgeschichten wie mit Ernährungsfragen: Die einen tingeln ein Leben lang von Gaststätte zu Gaststätte und geben sich der Völlerei hin. Die anderen schwören auf die Paläo-Diät – man sitzt in seiner Höhle und hofft, dass irgendwann ein anderer Steinzeitmensch vorbeikommt.

Kopf oder Bauch

Entscheidend scheint, ob sich die Sehnsucht im Kopf oder im Bauch abspielt. Die einen setzen auf puren Sport. Die anderen nutzen erotische Begegnungen als Motor für Fantasie und Lebenskraft.

So schreibt etwa Laurence Sterne, einer der großen Dichter der Aufklärung: "Es gibt keinen Tag in meinem Leben, an dem ich mich nicht verliebt hätte."

Ähnlich optimistisch sah das auch Gloria Vanderbilt: "Eines meiner Geheimnisse ist, dass ich immer verliebt bin." Ich würde sagen: Alles, was hängende Mundwinkel verhindert, ist mit Applaus zu begrüßen. (Ela Angerer, RONDO, 16.8.2021)