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Die Explosion hinterließ eine Rauchwolke.

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Kabul/Washington – In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einer Explosion in der Nähe des Hauses des Verteidigungsministers mehrere Menschen verletzt worden. Mindestens vier Personen seien tot und weitere elf mit Verletzungen zur Behandlung gebracht worden, teilte die Nichtregierungsorganisation Emergency, die ein Krankenhaus im Zentrum Kabuls betreibt, am Dienstag auf Twitter mit.

Der Politiker Junus Kanuni sagte in einer über Whatsapp geteilten Sprachnachricht, die Explosion habe sich bei einem Gästehaus von Verteidigungsminister Bismillah Khan Mohammadi ereignet. Der Minister selbst sei zur Zeit der Explosion mit ihm bei einer Trauerfeier gewesen. Nach Angaben eines Gehilfen des Ministers ist dessen Familie in Sicherheit gebracht worden.

Kämpfe im Stadtzentrum

Von einem Sprecher des Innenministeriums hieß es, eine Autobombe sei im Stadtteil Sherpur im Zentrum der Stadt gezündet worden. Dort leben viele hochrangige Politiker. Im Anschluss seien mehrere Terroristen in Wohnhäuser vorgedrungen und hätten sich Feuergefechte mit Sicherheitskräften geliefert, sagte der Sprecher weiter. Spezialkräfte der Polizei führten Operationen vor Ort durch. Bisher seien zwei Terroristen getötet und 30 gefangen genommene Zivilisten gerettet worden. Es gab keine Angaben dazu, um wessen Wohnhäuser es sich handelte.

Nach der ersten massiven Explosion waren noch mehrere kleinere Explosionen im Zentrum zu hören und immer wieder Gewehrfeuer. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums teilte ein Video des Ministers Mohammadi, in dem dieser sagte, es gehe ihm und seiner Familie gut. Allerdings seien drei seiner Leibwächter verletzt.

Bisher bekannte sich niemand zu dem Angriff. In der Vergangenheit reklamierten die militant-islamistischen Taliban sowie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Anschläge in Kabul.

Pentagon: Abzug weit fortgeschritten

Die USA etwa haben indes ihren Truppenabzug aus Afghanistan zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen, wie das US-Verteidigungsministerium am Dienstag mitteilte. Die Menge des bisher ausgeflogenen Materials entspreche etwa 984 Ladungen von C-17-Transportflugzeugen. Die USA hätten bisher außerdem sieben Einrichtungen offiziell an das afghanische Verteidigungsministerium übergeben.

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Das Pentagon meldete am Dienstag, dass der US-Truppenabzug bereits sehr weit fortgeschritten sei.
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Bis Ende August wollen die USA ihren Militäreinsatz in Afghanistan vollständig beenden – nach knapp 20 Jahren. Danach sollen nur noch US-Soldaten zum Schutz der Botschaft in Afghanistan bleiben. Mit der Abzugsentscheidung der Amerikaner endet auch der Einsatz der Nato insgesamt.

Taliban auf dem Vormarsch

Seit dem Beginn des Abzugs der US- und Nato-Truppen Anfang Mai haben die Taliban große Gebiete erobert. Sie beherrschen mittlerweile etwas mehr als die Hälfte der Bezirke des Landes und bedrohen mehrere Provinzhauptstädte.

Die Kämpfe in der Stadt Lashkargah forderten auch viele zivile Todesopfer.

Am Dienstag griff die Terrorgruppe zentral gelegene öffentliche Einrichtungen an. Die Regierung hält nur mehr zwei der zehn Polizeibezirke der Stadt. Sollte Kabul keine Verstärkung schicken, drohe die Hauptstadt der Provinz Helmand an die Islamisten zu fallen, sagte Provinzrat Ataullah Afghan. Die Verteidiger würden seit elf Tagen praktisch ohne Schlaf kämpfen. Ihr größtes Problem sei, dass sich Taliban-Kämpfer in Wohnhäusern verschanzt hielten.

Die Zahl der zivilen Opfer in der Stadt steigt jedenfalls besorgniserregend. Binnen 24 Stunden seien in der Stadt mindestens 40 Zivilisten getötet und 118 verletzt worden, teilte die UN-Mission in Afghanistan (Unama) am Dienstag auf Twitter mit. Sollten die Parteien nicht mehr für den Zivilschutz in Afghanistan tun, drohten "katastrophale" Auswirkungen.

Kämpfe in Städten

Berichte über dutzende Tote und hunderte Verletzte in den vergangenen zehn Tagen gab es auch aus den Städten Herat und Kandahar. In Herat schlugen am Dienstag dem lokalen TV-Sender ToloNews zufolge zwei Raketen in der Nähe der Flughafenrollbahn ein. Ein Flugzeug, das gerade hätte landen sollen, sei nach Kabul zurückgekehrt.

Präsident Ashraf Ghani machte den Truppenabzug von USA und Nato für die Verschlechterung der Lage im Land verantwortlich.
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In einer Ansprache vor beiden Kammern des Parlaments hatte der afghanische Präsident Ashraf Ghani am Montag die "plötzliche Entscheidung" der USA und der Nato-Truppen zum Abzug für die Verschlechterung der Sicherheitslage verantwortlich gemacht. Er versprach, binnen sechs Monaten für Stabilität im Land zu sorgen.

Am Dienstag telefonierte US-Außenminister Antony Blinken mit Ghani, wie das amerikanische Außenamt mitteilte. Beide hätten die andauernden Attacken der Taliban verurteilt und die Notwendigkeit betont, die Bemühungen um eine politische Lösung für das Land zu beschleunigen.

Nach US-Angaben verlangen die Taliban für eine Friedenslösung allerdings den "Löwenanteil an der Macht" in Afghanistan. Ein US-Sondergesandter sagte am Dienstag in einer Online-Konferenz des Aspen Security Forums, die Taliban wollten angesichts der militärischen Lage den größten Teil der nächsten Regierung in Kabul übernehmen. (APA, dpa, AFP, 3.8.2021)