Das Thema Kunststoff-Recycling begleitet die chinesisch-kanadische Unternehmerin seit vielen Jahren. Sie arbeitet daran, dass die Wiederverwertung nicht nur technisch möglich, sondern auch wirtschaftlich ist.

Foto: Rolex/Bart Michiels

Plastikabfall ist eines der größten Umweltschutzthemen. NGOs, Medien und die Politik klagen über verschmutzte Meere und Flüsse und fordern den Umstieg auf Kreislaufwirtschaft ein. Die Präsenz des Themas steht jedoch in krassem Gegensatz zur Geschwindigkeit einer tatsächlichen Veränderung. Es ist wie oft: Alle reden, getan wird aber wenig. Nach wie vor werden weltweit gerade einmal 20 Prozent der Kunststoffabfälle recycelt. In der EU, wo man sich diesbezüglich immerhin ehrgeizige Ziele gesetzt hat, ist es knapp ein Drittel. Dass die Tendenz stark steigen würde, kann man im Moment aber nicht feststellen.

Auch in Nordamerika stand Recycling – euphemistisch gesagt – lange Zeit nicht ganz oben auf der Wirtschaftsagenda. Zumindest Miranda Wang kann man nicht vorwerfen, dass sie nur rede, aber das Problem nicht anpacke. Die chinesisch-kanadische Unternehmerin hat mit Novoloop ein Start-up in Kalifornien gegründet, dem zugetraut wird, die Recyclingbranche – nachhaltig! – verändern zu können.

Wang ist mit ihrem Team dabei, eine Wiederverwertungstechnik für Kunststoffe in einem industriellen Maßstab zu etablieren, die aus Verpackungsabfällen höherwertige Kunststoffprodukte mit Anwendungen in der Elektronik, der Automobilfertigung oder der Bekleidungs- und Sportindustrie fertigen lässt. Die Start-up-Unternehmerin geht davon aus, dass dieser Upcyclingprozess nicht nur Ressourcen einspart und CO2-Emissionen verringert, sondern – und das mag das eigentlich Erstaunliche sein – auch wirtschaftlich sein kann.

Der Antrieb, in diesem Bereich etwas zu bewegen, reicht bei Wang bis in ihre Schulzeit zurück. "Meine Co-Gründerin Jeanny Yao habe ich bei einem Recyclingclub-Treffen in der achten Klassen getroffen. Wir haben damals die Wiederverwertungsinitiativen der Schule organisiert", erinnert sich Wang. Ein Schulausflug in eine Müllverwertungsanlage habe ihr dann gezeigt, wie groß das Problem tatsächlich ist und wie wenig dagegen getan wird. Für sie und Yao war das ein "entscheidender Moment", der ihre Laufbahn prägen sollte.

Gründerin im Silicon Valley

In ihren Studienjahren konnte Wang spezielle Plastik abbauende Bakterien in Gewässern identifizieren – eine Entdeckung, die zwar nicht Teil ihrer heutigen Technologie wurde – sie sollte aber helfen, Geldmittel für Wangs Unternehmensidee zu beschaffen und im Silicon Valley das Start-up BioCellection zu gründen, das kürzlich in Novoloop umgetauft wurde. Mittlerweile wurde Wang viel mediale Aufmerksamkeit zuteil – von Interviews in der Washington Post bis zu einem Unternehmerpreis, der ihr die Uhrenmarke Rolex verlieh.

Die Gründe, warum heute noch immer so viel Plastikmüll deponiert oder thermisch verwertet, also verbrannt wird, sind vielfältig. Ein Problem ist, dass Kunststoffabfälle selten in der erforderlichen Reinform vorliegen, um mechanisches Recycling zu ermöglichen. Bei diesem Verfahren wird das Plastik geshreddert und zu Granulat verarbeitet, um danach in neue Formen gebracht zu werden. Meist ist hier nur niederwertiges Recycling möglich. Aus den Kunststoffabfällen werden Gartenstühle oder Blumenkübel.

Doch am Horizont taucht eine weitere Recyclingmethode auf, die viel besser mit Materialmischungen oder stark verschmutzten Kunststoffen zurechtkommt – chemisches Recycling. Die Forschungsarbeiten in diesem Bereich sind vielfältig, haben aber die Entwicklungslabore noch selten in Richtung größer skalierte Anlagen verlassen. In Europa geht man etwa davon aus, dass gerade einmal 0,1 Prozent des Plastikmülls auf diese Weise verarbeitet wird. Es wird noch Jahre dauern, bis aus den Pilotanlagen von heute eine gut etablierte industrielle Praxis entsteht.

Diese Art der Forschung, die gerne den Laboren der großen Chemiekonzerne überlassen wird, haben Wang und ihr Team im Rahmen ihres Start-ups erfolgreich verfolgt. "Wir konnten zeigen, dass unsere Ansätze für viele potenzielle Produktlinien funktionieren", so die Unternehmerin. "Wir sind nun dabei, unsere Produktlinie des sogenannten thermoplastischen Polyurethans (TPU) für größere Anlagen hochzuskalieren." 2023 soll das erste Recycling-Kunststoffwerk stehen, nach Standorten wird gesucht.

Ausgangsmaterial für diesen Verarbeitungsprozess sind verschiedene Arten von Polyethylen (PE), aus denen viele Einwegverpackungen – von Luftpolsterfolien über Shampooflaschen bis zu Fastfood-Gebinden – gemacht werden. In dem entwickelten Verfahren werden die langkettigen Moleküle der Kunststoffpolymere in viel kleinere Molekülstrukturen aufgespalten – sogenannte Monomere. Diese können nach verschiedenen Umwandlungsschritten wieder der Kunststoffproduktion in einem frühen Stadium beigemischt werden.

CO2-Einsparung

Das Endprodukt – im Unternehmen hat man ihm den Markennamen "Oistre" gegeben – beinhaltet 50 Prozent des recycelten Plastiks und soll den CO2-Fußabdruck im Vergleich zu konventionellen Produkten um 45 Prozent verringern. Der Kunststoffabfall gewinne so um das 50-Fache an Wert. Oistre soll künftig etwa als Material für Schuhe oder als Werkstoff für 3D-Drucker eingesetzt werden.

Der Markt ist durchaus groß: 550.000 Tonnen TPU werden jährlich weltweit verarbeitet. Theoretisch könnte also künftig die Hälfte davon aus recyceltem Material bestehen. Für Wang ist das aber nur ein Anfang: "Der direkteste Weg zur Lösung des Problems besteht darin, neue technologische Prozesse in die bestehenden Lieferketten zu integrieren, um die Kunststoffe in Gebrauch zu halten", sagt sie. "Dafür müssen viele verschiedene Lösungen entwickelt werden, die aus ökologischer, technischer und wirtschaftlicher Sicht funktionieren." (Alois Pumhösel, 6.8.2021)