Kristina Timanowskaja nach ihrer Ankunft in Wien.

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Am Vormittag: Timanowskaja am AUA-Gate in Tokio.

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Am Nachmittag: Landung in Wien.

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Wien – Sitzt sie wirklich in der AUA-Maschine? Ist sie tatsächlich mit der OS52 von Tokio nach Wien geflogen? Wird sie aussteigen und gleich wieder einchecken, um weiter nach Warschau zu fliegen? Oder lässt sie sich blicken? Wird sie am Ende vielleicht gar Warschau links liegen lassen und in Österreich, das sie vom Training in der Gruppe von Philipp Unfried gut kennt, um Asyl ansuchen? Fragen über Fragen.

Kristina Timanowskaja hat am Mittwoch ein wenig auch Wien in Atem gehalten. Die Olympischen Spiele und die Sportwelt stehen seit Sonntag bereits im Bann ihrer Geschichte. Die belarussische Sprinterin, die ihre Trainer kritisiert hatte, wehrte sich erfolgreich dagegen, dass sie zur Heimreise gezwungen werden sollte, und verbrachte eine Nacht in einem Flughafenhotel und zwei Nächte in der polnischen Botschaft, ehe sie nach Warschau fliegen sollte, wo ihr politisches Asyl in Aussicht gestellt worden war. Die Sportlerin landete am Abend auf dem Chopin-Flughafen der polnischen Hauptstadt.

Im letzten Moment war die Reiseroute von Timanowskaja geändert worden – aus Sicherheitsbedenken, wie es hieß. Die 24-Jährige flog von Tokio nicht nach Warschau, sondern nach Wien. Die Bedenken waren wohl darauf zurückzuführen, dass auf ihrem geplanten LOT-Flug kurzfristig etliche Tickets gebucht worden war, mutmaßlich von Journalisten. Und sie waren verständlich ob der Tatsache, dass Timanowskaja in den belarussischen Staatsmedien als Staatsfeindin hingestellt wurde – und angesichts der Brutalität, mit der das Regime Alexander Lukaschenkos gegen jene vorzugehen pflegt, die nicht auf Linie sind.

"Sie ist froh, sicher gelandet zu sein"

Jetzt aber zu den Antworten. Ja, Timanowskaja saß im Flugzeug, das nach Wien flog, nein, sie hat hier nicht um Asyl angesucht, aber ja, sie hat sich kurz blicken lassen. Am Flughafen wurde sie von Staatssekretär Magnus Brunner am VIP-Terminal in Empfang genommen. Brunner, der auch Präsident des Tennisverbands ist, sagte dem STANDARD: "Kristina Timanowskaja selbst will kein Statement abgeben. Sie ist froh, sicher gelandet zu sein. Aber sie ist auch nervös und in Sorge um ihre Zukunft."

Timanowskaja hat nicht in Wien um Asyl angesucht. Sie flog nach Polen weiter.
DER STANDARD

Am Abend flog Timanowskaja schließlich von Wien nach Warschau weiter. Dort sollte ebenfalls am Mittwoch auch ihr Ehemann Arseni Sdanewitsch eintreffen, der am Sonntag, als sich die Lage zugespitzt hatte, Hals über Kopf in die Ukraine geflüchtet war. Wie sie hat auch er bereits ein humanitäres Visum für Polen erhalten.

Das Beispiel Protassewitsch

Polen hatte sich eher unglücklich darüber gezeigt, dass die Reiseroute der Athletin über Wien bekannt geworden war. In dem Zusammenhang wurde an die erzwungene Landung eines Ryanair-Fluges im Mai in Minsk erinnert. Die Maschine war eigentlich von Griechenland nach Litauen unterwegs. Der oppositionelle Blogger Roman Protassewitsch, der im Flugzeug saß, wurde festgenommen – und gefoltert, wie furchtbare TV-Bilder wenig später dokumentierten.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat eine Disziplinarkommission zur Untersuchung der Vorfälle in Tokio eingesetzt. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Untersuchung noch während der Spiele, die am Sonntag enden, ein Ergebnis zeitigt. Man müsse die Hintergründe kennen, betonte IOC-Sprecher Mark Adams.

Weitere Athleten wollen folgen

Derweil wird die Kritik am IOC auch deshalb lauter, weil es Lukaschenko gut 23 Jahre lang als Präsidenten des belarussischen olympischen Komitees duldete. Erst Ende 2020 wurde er suspendiert, woraufhin er seinen Sohn Viktor als Nachfolger einsetzen wollte, was ihm das IOC dann aber auch nicht mehr durchgehen ließ.

Unterdessen wurde bekannt, dass auch weitere belarussische Sportlerinnen und Sportler ihre Heimat verlassen wollen. Die Siebenkämpferin Jana Maximowa und ihr Ehemann, der Zehnkämpfer Andrej Krawtschenko, wollen künftig in Deutschland leben. Auch der Coach des Handballvereins "Witjas", Konstantin Jakowlew, ist aus Angst vor Verfolgung von Minsk nach Kiew geflüchtet. Er saß bereits 15 Tage lang im Gefängnis.

Kritik aus Polen und Österreich

In Kiew hält sich auch Alexander Apeikin auf, der "Witjas" gegründet und dort gespielt hat. Apeikin ist Direktor der Belarusian Sport Solidarity Foundation (BSSF), er verfasste gegen Lukaschenko einen Protestbrief, den schon 2.000 Sportlerinnen und Sportler unterschrieben haben.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat Lukaschenko scharf kritisiert und gefordert: "Die Aggression der belarussischen Sicherheitsdienste auf japanischem Gebiet muss auf entschiedenen Widerspruch der internationalen Gemeinschaft stoßen."

"Rekord an Repressionen"

Auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg fand deutliche Worte. Es sei "bedrückend, aber leider keine wirkliche Überraschung, dass das belarussische Regime selbst vor dem olympischen Gedanken kein Halten kennt. Während die internationalen Athletinnen und Athleten in Tokio sportliche Höchstleistungen aufstellen, scheint Minsk auf einen traurigen Rekord an Repressionen abzuzielen". (Fritz Neumann, Thomas Hirner, 4.8.2021)