Unser innerer Nachbarplanet muss sich auf neuen Besuch einstellen: Kommende Woche werden binnen weniger Stunden gleich zwei Raumsonden der Europäischen Weltraumorganisation Esa nahe an der Venus vorbeifliegen. Gemeinsam mit der japanischen Mission Akatsuki, die sich seit 2015 in einem Venusorbit befindet, werden dann kurzzeitig drei Sonden vor Ort sein.

Der Solar Orbiter soll am 9. August an der Venus vorbeifliegen.
Illustration: ESA/ATG medialab

"Das war nicht aktiv geplant. Jetzt sind die Wissenschafter ganz froh, weil sie bekommen drei Datensätze von der Venus aus unterschiedlichen Blickwinkeln, was für sie ein Novum ist", sagte Simon Plum, Leiter des Esa-Missionsbetriebs im Kontrollzentrum in Darmstadt. "Dass man die Venus aus drei verschiedenen Winkeln beobachten kann, ist einmalig."

Annäherung auf 550 Kilometer

Für die zwei Neuankömmlinge ist die Venus aber nur ein Etappenziel. Am Montag, dem 9. August, nutzt der Solar Orbiter den Vorbeiflug, um auf eine neue Umlaufbahn um die Sonne einzuschwenken. Schon am nächsten Tag fliegt dann Bepicolombo ein ähnliches Manöver, bevor sich die Doppelsonde der europäischen und der japanischen Weltraumagenturen Esa und Jaxa auf den letzten Teil ihrer Reise zum Merkur macht.

Konkret wird der Solar Orbiter am 9. August um 6.42 Uhr (MESZ) in einer Entfernung von 7.995 Kilometern an der Venus vorbeifliegen. Am Folgetag wird sich an der gegenüberliegenden Planetenseite Bepicolombo um 15.48 Uhr auf nur 550 Kilometer Höhe an den Planeten heranwagen, das ist nur wenig mehr als der Abstand der Internationalen Raumstation ISS zur Erde.

Am 10. August soll Bepicolombo unserem inneren Nachbarplaneten sehr nahe kommen.
Illustration: ESA/ATG medialab

Datensammeln im Halbschlaf

Aus wissenschaftlicher Sicht passieren beide Missionen die Venus quasi im Halbschlaf: Während einige Instrumente zu ihrem eigenen Schutz ausgeschaltet sind, sammeln andere, die Teilchen und Magnetfelder in der Umgebung der Venus messen können, wertvolle Daten. "Wir versuchen, das Beste aus diesem glücklichen Zufall zu machen", sagte Plum. Noch immer könnten im Kontrollzentrum wegen der Corona-Pandemie die Teams nicht in voller Stärke arbeiten. Bei beiden Missionen gebe es im Vorfeld noch kleine Kurs-Korrekturen.

Beim Vorbeiflug habe man dann aber ohnehin keine Eingriffsmöglichkeiten mehr. Zur Venus gebe es immerhin zehn Minuten Datenverzögerung. Aber: "Wir sind gut vorbereitet. Etwas Unvorhergesehenes kann immer passieren, aber das ist das normale Risiko", sagte Plum.

Die europäische Raumfahrtagentur steuert nach eigenen Angaben derzeit 25 Satelliten, davon 22 vom Kontrollzentrum in Darmstadt aus. Die Merkursonde Bepicolombo startete im Oktober 2018 ihre sieben Jahre dauernde Reise zum sonnennächsten Planeten. Ab Dezember 2025 soll sie Merkurs Oberfläche und sein Magnetfeld untersuchen. Das europäisch-japanische Gemeinschaftsprojekt mit Gesamtkosten von rund zwei Milliarden Euro soll dazu beitragen, die Ursprünge des Sonnensystems besser zu verstehen.

Magnetfeldforschung

Der rund 1,5 Milliarden Euro teure Solar Orbiter der Esa und der US-Raumfahrtbehörde Nasa war im Februar 2020 von Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida aus ins All gestartet. An Bord des 1,8 Tonnen schweren Orbiters sind zehn wissenschaftliche Instrumente. Forscher erhoffen sich neue Erkenntnisse über die Sonne und ihr Magnetfeld. Der Solar Orbiter soll bis auf heiße 42 Millionen Kilometer an die Sonne heranfliegen.

Ein Sonnenschnappschuss des Solar Orbiters aus dem Vorjahr.
Foto: AFP/Esa/Nasa

Die Sonnensonde hat bereits erste Aufnahmen von Partikeleruptionen aus der Sonnenatmosphäre gemacht. Solche starken Sonnenwinde können das Weltraumwetter beeinflussen. Bei Planeten mit Atmosphäre können die Teilchen Polarlichter auslösen. Sie können aber auch zu technischen Problemen führen, wie dem Ausfall von Navigationssystemen oder Schäden an Satelliten.

Beide Sonden fliegen auf ihrer Reise mehrfach und geplant an Planeten vorbei, um abgebremst zu werden. Der Solar Orbiter wird im November zum letzten Mal die Erde passieren. Ohne diese Manöver würden die Sonden in Richtung Sonne durch die Anziehungskraft immer weiter beschleunigt und höchstwahrscheinlich an dem Stern vorbeischießen, sagte Plum: "Wir müssen sie abbremsen, damit sie in die entsprechenden Orbits einschwenken können." (red, APA, 4.8.2021)