Schule nur mit Test: Das passt nicht allen Eltern.

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Was für den allergrößten Teil der Schulkinder während der Corona-Pandemie zur täglichen Belastung wurde, ist für manche Altersgenossinnen und -genossen schon länger Alltag – wenn auch auf durchaus andere Art: Homeschooling.

Vor der Pandemie verstand man unter Homeschooling nicht die Verlagerung des Klassenzimmers ins Digitale, sondern den häuslichen Unterricht. Also dass Kinder von ihren Eltern von der Schule abgemeldet und stattdessen zu Hause unterrichtet werden; sei es durch Privatlehrer, Eltern oder in manchen Fällen auch: durch niemanden. Im Schuljahr 2019/20 waren das zum Beispiel circa 2.000 Kinder, die von der Schule abgemeldet wurden.

Protest?

Im kommenden Schuljahr dürften diese Zahlen enorm ansteigen. Das legen zumindest aktuelle Zahlen nahe: 3.600 Abmeldungen für das kommende Schuljahr gibt es bereits jetzt, bis zu Schulbeginn könnte die Zahl auf bis zu 6.000 Abmeldungen steigen, wie die "ZiB" unter Berufung auf die Bildungsdirektionen berichtet. Im Bildungsministerium verweist man darauf, dass endgültige Zahlen erst zu Schulanfang vorliegen werden.

Welche Beweggründe die Eltern haben, lässt sich nicht genau sagen: Denn die Gründe für eine Schulabmeldung werden in der Regel nicht erhoben. Doch Experten wie die Bundesstelle für Sektenfragen vermuten, dass ein beträchtlicher Anteil aus dem Milieu der Corona-Maßnahmen-Kritiker bzw. Corona-Leugner kommt. Die Sicherheitsmaßnahmen wie Tests oder Masken, die in Schulen eingeführt wurden bzw. im kommenden Schuljahr fortgesetzt werden sollen, stoßen manchen Eltern offenbar so sauer auf, dass sie ihre Kinder nun von der Schule abmelden. Denkbar wäre freilich auch, dass es Eltern gibt, die die Schutzmaßnahmen nicht als ausreichend erachten.

Häuslicher Unterricht geht unkompliziert

Es ist hierzulande recht einfach, sein Kind von der Schule abzumelden. Denn die allgemein geltende Schulpflicht kann auch zu Hause erfüllt werden. Einzige Bedingung: Der häusliche Unterricht muss mindestens gleichwertig zum herkömmlichen Unterricht in der Schule sein. Während des Schuljahres werden die Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern jedoch nicht überprüft, was den Lernfortschritt betrifft. Lediglich am Ende des Jahres müssen die Kinder eine sogenannte Externistenprüfung bestehen. In einschlägigen Foren kursieren bestimmte Empfehlungen, was Schulen betrifft, die derartige Prüfungen abnehmen und als besonders nachsichtig gelten.

Das Recht auf häuslichen Unterricht ist sehr alt und steht hierzulande sogar im Verfassungsrang. Das macht Österreich seit längerer Zeit schon attraktiv für Eltern, die in ihrem Heimatländern – zum Beispiel Deutschland – andere, strengere Gegebenheiten vorfinden und deshalb auswandern. Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk sprach diesbezüglich von einem "antiquierten Regelsystem, das noch aus der Vorstellung des 19. Jahrhunderts kommt, wo adelige und großbürgerliche Familien in der Lage waren, sich Hauslehrer zu halten". Seiner Ansicht nach gehöre das "überdacht".

Als Problem des aktuellen Systems wird von Experten – und auch von Betroffenen – gesehen, dass Eltern mit Abschottungs- und extremistischen Tendenzen wissen, wie sie sich das Gesetz zunutze machen können. Immer wieder werden derartige Fälle bekannt; in jüngerer Vergangenheit wurde etwa der Fall einer 13-Jährigen bekannt, die starb, weil ihre Eltern ihr aus religiösen Gründen eine medizinische Behandlung verweigerten. Auch sie war im häuslichen Unterricht. Experten argumentieren, dass eine Kindeswohlgefährdung in solchen Fällen oft nicht erkannt werde, weil der gesellschaftliche Anschluss durch den Schulbesuch fehlt. (Vanessa Gaigg, 5.8.2021)