Zustimmung erhält der neue iranische Präsident Ebrahim Raisi nicht nur von schwarzverhüllten Tschador-Trägerinnen.

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Der neue Präsident, Ebrahim Raisi (rechts), und sein Vorgänger, Hassan Rohani.

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Ein Volksvotum war es nicht, das Ebrahim Raisi am 18. Juni die iranische Präsidentschaft sicherte. Wenn der achte Präsident der Islamischen Republik am Donnerstag im Parlament angelobt wird, dann haben ihn nur etwa ein Drittel der wahlberechtigten Iraner und Iranerinnen gewählt, bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung und bei ungewöhnlich vielen ungültigen Stimmzetteln. Im Vorfeld hatte ihm der Wächterrat alle stärkeren Gegenkandidaten durch Disqualifizierung derselben aus dem Weg geräumt. Die Entscheidung fiel im Vorfeld, nicht an den Wahlurnen.

Der 60-jährige Raisi, islamischer Jurist und zuletzt Justizchef, ist der Protegé des religiösen Führers Ali Khamenei, der mit 82 Jahren bei schlechter Gesundheit keine Experimente mehr eingehen wollte. Denn Ebrahim Raisi wird mit größter Wahrscheinlichkeit derjenige Präsident sein, der den Übergang in die Post-Khamenei-Ära zu managen hat.

Unterstützt wurde Raisi, dem Mitschuld an Massenhinrichtungen am Ende des Iran-Irak-Kriegs 1988 gegeben wird, von Hardlinern – aber es wäre zu einfach zu sagen, dass seine Wähler und Wählerinnen nur alte und (bei Frauen) dunkelgewandete religiöse Erzkonservative sind. Während der Wahlkampagne gab sich Raisi, dessen Nachname eigentlich Raisolsadati lautet, pragmatisch und flexibel. Auch in seiner Siegesrede versicherte er, der ganzen Republik dienen zu wollen.

Enttäuschung über Rohani

Raisis Vorteil ist die Enttäuschung der Bevölkerung über die acht Jahre unter Präsident Hassan Rohani, der mit seinen Plänen scheiterte und dessen Umfeld zuletzt teilweise von Korruptionsvorwürfen angepatzt war. Das primäre Schlachtfeld, auf dem er die dringendesten Erfolge braucht, ist die Wirtschaft und die soziale Lage der Menschen. Aber es gibt Bereiche – wie gerade die im Sommer sichtbar werdenden Umweltprobleme– in denen es keine schnellen Erfolge geben wird.

Manche Iraner und Iranerinnen erhoffen sich vielleicht auch Verbesserungen unter Raisi, gerade weil er der Macht so nahe steht und er nicht, wie teilweise Rohani, von einem mächtigen Teil des politischen Spektrums sabotiert werden wird. Deshalb wird Raisi etwa auch von Abdolhamid Ismailzahi unterstützt, der als Oberhaupt der sunnitischen balutschischen Minderheit gilt. Die setzten bisher immer eindeutig aufs Reformlager, schreibt Ali Reza Esharghi für den European Council on Foreign Relations.

"Zyklischer Wechsel"

Er sieht die Übernahme Raisis eher im Rahmen des "zyklischen Wechsels" in der politischen Landschaft der Islamischen Republik seit ihrem Bestehen, in der es auch immer wieder zu Spaltungen in den einzelnen Lagern kommt. Aber, wie gesagt, anders ist diesmal, dass die Präsidentschaft Raisi ganz klar eine Übergangszeit sein wird, in der Weichen für die Zukunft des ganzen Systems gestellt werden – nämlich wenn ein Nachfolger für Khamenei bestellt werden muss.

Bald wird sich zumindest entscheiden, wie es mit den Gesprächen zur Wiederbelebung des Atomdeals in Wien weitergeht, deren siebte – und unabhängig vom Ausgang wahrscheinlich letzte – Runde aussteht. Aus Teheran waren am Schluss eher negative Töne gekommen. Khamenei kritisierte nicht nur die USA, sondern auch Rohani: für dessen "Naivität" zu glauben, dass man mit den USA Geschäfte machen könne. Den 2015 ebenfalls in Wien abgeschlossenen Atomdeal hatte US-Präsident Donald Trump ja verlassen.

Teheran will nun unter anderem Garantien, dass das nicht noch einmal passiert. Das wird schwierig. Aber auch die US-Forderung nach weiteren Gesprächen zu anderen Themen – Irans Raketenprogramm, die Regionalpolitik – ist ein echter Knackpunkt.

Gefährliches Spiel auf Zeit

Andererseits hat Khamenei noch nicht, was er jederzeit könnte, das Aus für die Verhandlungen verkündet – was allgemein so gedeutet wird, dass Teheran weiter Interesse an einer Einigung hat. Washington hat die Iraner zuletzt jedoch gewarnt, dass sie sich verspekulieren könnten: "Die Zeit ist nicht der Freund Irans", zitiert Laura Rozen in ihrem Blog einen US-Offiziellen.

Wenn Teheran meint, die Beziehungen zu den USA unter Präsident Joe Biden könnten keinesfalls schlechter werden als unter Trump, könnte es ein böses Erwachen geben: für die ganze Region. Zwar sind die gestörten Beziehungen zu Saudi-Arabien – ebenfalls kein Freund des Atomdeals und dessen Erfinders Barack Obama – momentan eher auf dem Weg der Besserung. Aber der Schattenkrieg zwischen Israel und dem Iran, ausgetragen mit gegenseitigen Angriffen, wird aggressiver. Eine volle Eskalation kann sich keine der beiden Seiten wünschen. (Gudrun Harrer, 5.8.2021)