Immer wieder sind Hindutempel in Pakistan Ziel von Mob-Angriffen.

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Islamabad – Eine wütende Menschenmenge hat in Pakistan einen Hindutempel verwüstet. Auslöser sei die Freilassung eines achtjährigen Hindus gewesen, dem Gotteslästerung vorgeworfen worden war, teilte die Polizei in der zentralpakistanischen Provinz Punjab am Donnerstag mit. Die Behörden in der Stadt Rahim Yar Khan, nahe der indischen Grenze, hätten das Militär rufen müssen, um die Hindu-Minderheit in dem überwiegend muslimischen Land zu schützen.

Dutzende Männer seien in den Tempel eingedrungen und hätten Türen, Fenster sowie Hindu-Büsten zerstört. Ein Geistlicher hatte dem Burschen vorgeworfen, in der Bibliothek einer Koranschule uriniert zu haben. Der Achtjährige wurde daraufhin in Gewahrsam genommen. Ein Gericht hatte dann jedoch vor wenigen Tagen die Freilassung angeordnet, weil er noch zu jung sei, um nach dem Blasphemiegesetz verurteilt zu werden, sagte ein Polizeisprecher. Gotteslästerung kann in Pakistan mit dem Tod bestraft werden.

Das Land hat eines der strengsten Blasphemiegesetze weltweit. Zuletzt sorgte etwa der Fall um die junge Christin Asia Bibi für Aufsehen. Sie wurde wegen angeblicher Beleidigung des Propheten Mohammeds 2010 zu Tode verurteilt. Nach achtjähriger Haft wurde sie unter lauten Protesten im Land vom Obersten Gericht freigesprochen. Mithilfe von internationalen Hilfsorganisationen konnte sie das Land Richtung Kanada verlassen.

Starke Reaktionen

Der Vorfall um den achtjährigen Jungen ist das jüngste Beispiel für die Verfolgung von Minderheiten im zu 95 Prozent muslimischen Pakistan. Das Land gehört zu den Staaten, in denen die Religionsfreiheit nach Einschätzung von Menschenrechtlern massiv verletzt wird. Der Vorwurf, den Islam oder den Propheten Mohammed beleidigt zu haben, kann extreme Reaktionen auslösen. Beschuldigte wurden auch schon erschossen, lebendig verbrannt oder zu Tode geprügelt.

Oft liegen den aktuellen Vorkommnissen aber historisch lang gewachsene Prozesse zugrunde, wie etwa Fragen zur sozialen Zugehörigkeit oder frühere Migrationsbewegungen. So wurde die Provinz Punjab, in der sich der aktuelle Vorfall ereignete, 1947 mit der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans geteilt. Als Großbritannien nach langer Kolonialherrschaft den indischen Subkontinent verließ, entschieden sich die damaligen Machthaber zur Gründung zweier Staaten: des muslimisch geprägten Pakistan und des hinduistisch geprägten Indien. In beiden Ländern blieben aber viele Menschen, die der jeweils anderen Religion angehörten, zurück.

Radikale nützen Fehden aus

Pakistan kann dabei keine gute Bilanz aufweisen, wenn es um den Schutz von – vor allem – nicht-muslimischen Minderheiten im Land geht. Vorfälle wie die um den hinduistischen Jungen in Rahim Yar Khan werden oft von radikalen Kräften im Land für ihre Politik missbraucht. Wie die pakistanische Zeitung "Dawn" schreibt, gibt es Berichte darüber, dass ein alter Streit um Geld zwischen lokalen Hindus und Muslimen der eigentliche Grund des Gewaltausbruchs war. Der Verwüstung des Tempels ist demnach eine Kampagne in den sozialen Medien vorausgegangen.

Auch der indischen Regierung der hindunationalistischen BJP wird vorgeworfen, zunehmend antimuslimische Politik zu betreiben und die Minderheit in Indien zu marginalisieren. (APA, saw, 5.8.2021)