Max Heidegger übernimmt eine Führungsrolle im Team.

Foto: APA/Ernst Weiss

Heidegger ist eines von vielen Talenten, die endlich nachrücken. Coach Raoul Korner (r.) will eine Mission vollenden.

Foto: APA/Ernst Weiss

Es hat auch etwas Gutes, wenn man am Boden liegt. Man kann nicht mehr tiefer fallen. Österreichs Basketball-Nationalteam der Männer hat noch immer nicht an einer EM teilgenommen. Seit 1977. Die Teilnahme an der Vorqualifikation in diesem Sommer für die WM 2023 hat der österreichische Basketballverband (ÖBV) abgesagt. Aus finanziellen und sportlichen Gründen. Sie hätte im August in einer Bubble in Portugal gegen den Gastgeber und Schweden stattgefunden. EM-Endrunden für den Nachwuchs (U20, U18) gab es in den vergangenen eineinhalb Jahren in Europa nicht, kein Land konnte und wollte eine Corona-Bubble stemmen. Stattgefunden hat hingegen das 3x3-Quali-Turnier in Graz im Juni. Österreich verpasste knapp ein Ticket für Tokio.

Hoffnungen haben sich in der Vergangenheit leider oft zerschlagen im österreichischen Basketball. Wobei 3x3 "eine wichtige Investition in eine neue Modesportart ist, aber das Kerngeschäft bleibt fünf gegen fünf und das Nationalteam", sagt Teamchef Raoul Korner zum STANDARD. Und so hat sich der 47-jährige Wiener, seit zwei Jahren im Amt, hingesetzt und einen 100-seitigen Leitfaden geschrieben, eine einheitliche Philosophie, um Basketball aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu bringen.

Erfolgsgeneration

Den Kern des Teams bildeten in der Vergangenheit Spieler, die 2010 Europameister in der B-Division wurden. "Wir dürfen den Fehler nicht machen, diese Erfolgsgeneration zu Tode zu reiten, bis keiner mehr von ihnen gehen kann und wir in der Zwischenzeit vergessen, neue Talente heranzuführen", sagt Korner. Rückblick: Die EM 2013 verpasste Österreich mit einer knappen 74:78-Auswärtsniederlage im letzten Gruppenspiel in Kroatien. 2014 verlor man das direkte Duell um ein EM-Ticket gegen Deutschland, nachdem man im Heimspiel in Schwechat klar in Führung liegend in den letzten viereinhalb Minuten 0:21 Punkte kassierte. Die jüngste Pleite passierte im Februar dieses Jahres: denkbar knapp gegen Ungarn und die Ukraine in der Quali für die EM 2022.

Nun also folgt der Umbruch. Im ersten Teamtrainingscamp seit zwei Jahren versammelte der Verband in St. Pölten ein verjüngtes A-Team sowie mehrere Nachwuchsnationalteams. Gegen Rumänien wurde zweimal getestet, auf einen Sieg folgte eine Niederlage. Österreichs NBA-Star Jakob Pöltl hätte auch gern mitgespielt, er weilt in Wien. Die San Antonio Spurs hatten ihrem Center auch die Freigabe erteilt, doch die National Basketball Association (NBA) legte sich quer.

Sei’s drum. Es gibt weitere Hoffnungsträger. Max Heidegger war in beiden Partien gegen Rumänien bester Werfer für Österreich, einmal mit 35 Punkten, einmal mit 19. Der 24-jährige Heidegger ist der Sohn des ehemaligen Skirennläufers Klaus Heidegger, wurde in Los Angeles geboren und steht nach einer erfolgreichen Collegekarriere in den USA mittlerweile beim Topklub Maccabi Tel Aviv unter Vertrag. Die Israelis haben ihn für die kommende Saison nach Oldenburg in die deutsche Bundesliga verliehen. Derzeit versucht sich Heidegger in der NBA-Summer-League bei den Atlanta Hawks. Am Dienstag steuerte er acht Punkte zum 84:83-Sieg gegen die Indiana Pacers bei.

Größe gewinnt Österreich durch Luka Brajkovic. Der 2,08 Meter große Vorarlberger spielt seine letzte Saison am College in Davidson. Der gebürtige Georgier Giorgi Bezhanishvili meldete sich nach einer schwachen College-Saison bei Illinios für den NBA-Draft an und wurde nicht berücksichtigt. Auch der 22-Jährige versucht sich in der Summer League bei den Denver Nuggets. Bei der 82:107-Niederlage gegen die Boston Celtics kam er 3:57 Minuten zum Einsatz.

"Mit solchen Talenten tue ich mir leichter, ältere, verdiente Spieler aus dem Team zu verabschieden. Die Tür zum Nationalteam war für junge, hungrige Spieler in der Vergangenheit oft versperrt, sie muss in Zukunft immer offen sein", sagt Korner. Wobei auf einige Säulen des Teams natürlich weiter gesetzt wird. Spanien-Legionär Rasid Mahalbasic, Deutschland-Profi Thomas Klepeisz oder Enis Murati sind unverzichtbar, werden weiterhin Teil des Gerüsts sein. Das Ziel liegt in der Ferne. Weil die EM 2021 wegen der Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio ebenfalls um ein Jahr nach hinten gewandert ist, kann Österreich erst wieder die Qualifikation für die EM 2025 in Angriff nehmen. "Das gibt uns Zeit für einen ruhigen Neuaufbau. Wenn wir aber diesen Umbruch verschlafen, dann kann es ganz bitter werden."

Unterfördert

Im Verband ÖBV macht sich ein junges Team um Neo-Präsident Gerald Martens daran, die Strukturen zu verbessern. Anträge für die kommende Förderperiode 2022 bis 2024 bei der Bundes Sport GmbH wurden eingereicht. Im Förderranking 2019/20 lag Basketball auf Platz 26, mit etwas mehr als 500.000 Euro hinter Hockey, Badminton oder dem nicht olympischen Football. "Damit können wir unsere Aktivitäten nicht einmal annähernd abdecken. Basketball ist eine Weltsportart, wir haben heuer erstmals wieder ein Damen-Nationalteam aufgestellt. Im 3x3-Format richtet Österreich sogar 2022 die EM aus", sagt Generalsekretär Johannes Wiesmann. "Basketball ist weltweit so groß und nur in Österreich chronisch unterfördert."

Der Verband gab Raoul Korner einen unbefristeten Vertrag. Hauptberuf bleibt der Trainerposten in Bayreuth in der deutschen Liga. In der Hochphase der Corona-Lockdowns wurden im vergangenen Frühjahr Basketball-Meisterschaften in ganz Europa abgebrochen. Korner hatte plötzlich viel Freizeit, fand neue Perspektiven, ersparte sich einen Sabbatical. Manche Probleme bleiben. Weil im Basketball anders als im Fußball immer wieder um die Freigabe von Spielern und Trainer für Qualifikationsfenster gestritten wird, hatte Österreich in der Vergangenheit regelmäßig nicht seinen besten Kader zu Verfügung. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Korner: "Das Problem haben alle, nur kleine Länder wie Österreich trifft es härter."

Antrieb Potenzial

Korner hat in seinen zwei Jahren als Teamchef noch kein Wettbewerbsspiel gewonnen. Die Vor-Quali für die EM 2025, die noch nicht vergeben ist, beginnt im November. Noch kennt Österreich keine Gegner. "Mir ist meine persönliche Bilanz völlig wurscht, um mein Ego braucht sich niemand Sorgen machen. Was mich antreibt, ist das Riesenpotenzial, das in diesem Team schlummert. Noch ist es eine unvollendete Mission." (Florian Vetter, 11.8.2021)