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Zuerst gab es den Skandal um die Spionagesoftware Pegasus der israelischen Firma NSO, jetzt rücken die Eigentümerfirma Novalpina und ein Österreicher verstärkt in den Fokus.

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In der Londoner Innenstadt liegt Caxton House im Dreieck Buckingham Palast, Westminister Abbey und Wirtschaftsministerium. Der Bahnhof Victoria ist fünf Fußminuten entfernt, ebenso lange geht man zum St. James's Park. Zentral gelegen, gleichzeitig abseits vom traditionellen Bankenplatz in der City – eine ideale Location für verschwiegene Finanzgeschäfte.

Im fünfgeschoßigen Bürohaus aus Stahl, Beton und Ziegelsteinen in warmem Dunkelrot residiert die Private-Equity-Firma Novalpina Capital. Der Skandal rund um die Spähsoftware Pegasus hat das Unternehmen mit 23 Mitarbeitern ins Rampenlicht gerückt. Denn der israelische Pegasus-Betreiber NSO war vor gut zwei Jahren der spektakulärste Ankauf des ersten, mit einer Milliarde Euro ausgestatteten Novalpina-Investmentfonds.

"Verleumdungskampagne"

Mithilfe des Reporter-Netzwerkes Forbidden Stories und der Menschenrechtsorganisation Amnesty International haben Medien aus zehn Ländern über Pegasus-Dokumente berichtet. Mindestens zehn Regierungen haben die Spionage-Software eingesetzt, darunter Verbündete Israels wie Saudi-Arabien, Bahrain und Marokko, aber auch das EU-Mitglied Ungarn und die populistisch regierten Länder Brasilien und Indien. Auf den Listen der potenziell Ausgespähten stehen Journalisten, darunter die Financial Times-Chefredakteurin Roula Khalaf, Aktivisten und Spitzenpolitiker bis hin zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der von Israel umgehend Aufklärung verlangte. NSO spricht von einer Verleumdungskampagne.

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit kommt für die Besitzerfirma Novalpina zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Denn am edlen Londoner Firmensitz mit Dachterrasse im vierten Stock spielt sich seit Monaten eines jener Firmendramen ab, das in vielen Branchen alltäglich ist. Einst vertraute Partner zerstreiten sich, der Konflikt kommt vor Gericht, bald wird die Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Nun steht das Unternehmen vor dem Aus: Nach einer Rebellion der Investoren, darunter milliardenschwere Pensionskassen in England und USA, soll der Novalpina-Fonds laut Fachmedien spätestens am Freitag einen neuen Betreiber erhalten. Die Firma hat dazu nicht öffentlich Stellung genommen, auch eine Anfrage des STANDARD blieb unbeantwortet.

Österreicher mit an Bord

Novalpina ist vorrangig die Geschichte dreier Männer, deren Wege sich beim US-Branchenriesen TPG Capital kreuzten. Der frühere englische Olympia-Ruderer Stephen Peel, heute 55, war dort 17 Jahre lang Partner; zu seinem Team gehörten der aus Deutschland stammende Bastian Lueken und der gebürtige Österreicher Stefan Kowski.

Nach weiteren Stationen in der Branche gründete das Trio 2017 ein gemeinsames Investmentvehikel: Novalpina Capital wurde mit je 25 Millionen Euro Eigenkapital der drei Partner aus der Taufe gehoben. Die Geschäftsleute gingen auf Akquise für ihren ersten Fonds, offenbar mit gutem Erfolg. "Wir müssen Deals finden, die andere Leute nicht sehen oder aus bestimmten Gründen nicht machen wollen", beschrieb Peel die gemeinsame Geschäftsmaxime.

Der aus Hall in Tirol gebürtige Stefan Kowski ist einer von drei Eigentümern der Londoner Private-Equity-Firma Novalpina Capital, die vor gut zwei Jahren über einen Investmentfonds bei der israelischen Softwareschmiede NSO eingestiegen ist.
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Die Verantwortlichen der Pensionskasse im westlichen US-Bundesstaat Oregon reagierten enthusiastisch, investierten 200 Millionen Euro, die Pensionskasse der englischen Grafschaft Süd-Yorkshire steuerte 30 Millionen bei. Insgesamt beteiligten sich 87 Investoren an dem Fonds, der es – überraschend für den Erstling einer neuen Firma – auf eine Gesamtsumme von einer Milliarde Euro brachte.

Genau auf diese Summe, allerdings in Dollar, lautete im Februar 2019 die spektakulärste und größte Investition von Novalpina: Das Unternehmen erwarb von der Private-Equity-Firma Francisco Partners den israelischen Spionagesoftware-Betreiber NSO. Der stand schon damals im Zusammenhang mit der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi im Zwielicht.

Novalpina im Visier von NGOs

Und so geriet Novalpina ins Visier einer Gruppe einflussreicher Nichtregierungsorganisationen, angeführt von Amnesty International, Human Rights Watch und Citizen Lab. Artig bekannte sich Peel zu einem "produktiven Dialog" und machte seine Verantwortung deutlich: "Novalpina Capital kontrolliert den Aufsichtsrat von NSO." Die Website des umstrittenen Unternehmens stellte diese Woche neben Peel als weitere Novalpina-Vertreter auch Kowski (42) und Mickael Betito vor. Ursprünglich von der Londoner Firma in das Gremium entsandt wurden zudem deren Senior Adviser Günter Schmid sowie Gerhard Schmidt, Münchner Partner der in New York beheimateten internationalen Anwaltsfirma Weil.

Detaillierten Nachfragen der Aktivisten wich Peel bedauernd aus und verwies auf die "nationalen Sicherheitsgesetze" Israels: Diese verbiete die öffentliche Diskussion bekanntgewordener Fälle, schließlich seien die relevanten Informationen "streng vertraulich". Im Herbst 2019 veröffentlichte NSO neue Richtlinien zur Einhaltung von Menschenrechten.

Stimmrechtsentzug

Über die genauen Hintergründe des zur Existenzbedrohung gewordenen Streits hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Im Jänner dieses Jahres aber suspendierte eine Mehrheit der Verantwortlichen der in Luxemburg angesiedelten Novalpina-Holding NCG Sarl Peels Stimmrecht. Der Partner habe "gegen Firmeninteressen" verstoßen, hieß es offenbar zur Begründung. Peels Anwälte bezeichneten die Vorwürfe als substanzlos, zogen vor Gericht, unterlagen aber Anfang Juli.

In der Zwischenzeit nahm unter den Investoren des Novalpina-Fonds die Besorgnis zu, wie das Fachblatt Private Equite International detailliert aufgeblättert hat. Das Management habe sich dysfunktional präsentiert; alle Bitten darauf, das Trio solle sich doch zum Wohl der Firma zusammenraufen, haben nichts bewirkt. Ums eigene Kapital besorgt griff eine Mehrheit der Investoren zu einem höchst ungewöhnlichen Mittel: Nach einer dreistündigen Videositzung rissen sie vor vier Wochen die Kontrolle des Fonds an sich.

Möglicher Käufer steht bereit

Am Freitag, läuft die Frist aus, bis zu der ein Nachfolge-Verwalter benannt werden muss. Der Financial Times zufolge steht dafür die US-Firma Berkeley Research Group bereit. Ein Käufer für NSO dürfte sich finden, schließlich lässt sich mit dem Produkt des Unternehmens viel Geld verdienen, allen humanitären Zweifeln zum Trotz. Die drei Novalpina-Gründer freilich stehen vor den Trümmern ihres einst so vielversprechenden Unternehmens. (Sebastian Borger aus London, 5.8.2021)