Das Klimaschutzsofortprogramm der deutschen Grünen beginnt mit einer Klage: "Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht viel zu langsam voran, im aktuellen Tempo bräuchte Deutschland noch 56 Jahre, um auf 100 Prozent Ökostrom zu kommen." Derzeit beträgt der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland 44,7 Prozent – in Österreich liegt er dank Wasserkraft bei mehr als 70 Prozent.

Damit das schneller geht, wollen die deutschen Grünen bei der Solarenergie die Ausbauziele für 2022 auf zwölf Gigawatt pro Jahr und bei Wind an Land auf sechs Gigawatt pro Jahr erhöhen, um sie gegenüber dem heutigen Stand zu verdreifachen. Die Flächenplanung für Windkraft soll so angepasst werden, dass zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windräder bereitstehen.

Die deutschen Grünen präsentieren ihr Klimaschutzprogramm vor wenigen Tagen ein einem Wald in Brandenburg.
Foto: Birgit Baumann

Der Ausbau der Erneuerbaren ist auch für Österreichs Grüne ein Herzensthema. Das Ziel lautet: Bis 2030 soll bilanziell 100 Prozent des Stromverbrauchs aus sauberen Quellen stammen. Mit dem vor wenigen Wochen beschlossenen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wurde der Grundstein dafür gelegt. Insgesamt soll die Ökostromleistung bis 2030 um 27 Terawattstunden (TWh) gesteigert werden.

Mehr Geld für die Schiene

Sollten die Grünen auch in Deutschland in die Bundesregierung kommen, dann wollen sie im Bundeshaushalt 2022 die Investitionen für Schiene, öffentlichen Personennahverkehr und Rad um 2,5 Milliarden Euro erhöhen. Sie treten auch für ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen ein, in Deutschland gilt ja grundsätzlich "freie Fahrt". Eine Geschwindigkeitsbegrenzung würde, so ihre Rechnung, zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen, so viel wie der gesamte innerdeutsche Flugverkehr.

Auch hierzulande ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein grünes Kernthema. In den kommenden fünf Jahren sollen 17,5 Milliarden Euro in den Bahnausbau fließen. Das angekündigte 1-2-3-Ticket lässt aber nach wie vor auf sich warten.

Wie es im Verkehr weitergehen soll, zeigt der kürzlich präsentierte Mobilitätsmasterplan auf: Die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will, dass in Österreich ab 2030 keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden. Die ÖVP hat sich gegen ein Verbot positioniert. Ein Tempolimit gibt es auf Österreichs Autobahnen bekanntlich schon. Eine generelle Reduktion der bisherigen Höchstwerte ist nicht geplant.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler will, dass ab 2030 keine Verbrenner mehr neu zuglassen werden.
Foto: Heribert Corn

Zentraler Punkt in dem Sofortprogramm der deutschen Grünen ist die Erhöhung des CO2-Preises. Über eine Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes soll der Preis bei Wärme und Verkehr auf 60 Euro pro Tonne ab 2023 anziehen. Derzeit beträgt er 25 Euro pro Tonne, gemäß dem Klimaschutzprogramm der amtierenden Koalition soll der Preis bis 2025 auf 55 Euro steigen.

Einigen Grünen gehen die von ihrer eigenen Partei angepeilten 60 Euro nicht weit genug. Sie hatten 80 Euro gefordert, sich aber beim Beschluss des Wahlprogramms nicht durchsetzen können. Zuvor hatte Grünen-Chef Robert Habeck gemahnt, dass man alle Menschen mitnehmen und gesellschaftliche Mehrheiten organisieren müsse. Daher wollen die Grünen auch die Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben: als pro Kopf ausgezahltes "Energiegeld" und eine Absenkung der Erneuerbaren-Umlage.

Über Preise redet man nicht

In Deutschland ist man mit der Diskussion schon deutlich weiter als in Österreich: Ab 2022 soll zwar eine CO2-Bepreisung eingeführt werden, wie diese aussehen wird, ist aber noch völlig offen. Details zur geplanten Ökosteuerreform dringen nicht nach außen. Ministerin Gewessler selbst hat sich bisher nicht zu einem möglichen Preispfad geäußert. ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel brachte zuletzt einen Preis von 25 Euro je Tonne ins Spiel. Vonseiten der Wissenschaft wird das als zu niedrig erachtet, um einen Lenkungseffekt zu erzeugen.

Die Grünen in Deutschland und Österreich wollen die Klima- und Energiewende rasch umsetzen. Die Ideen sind in beiden Ländern ähnlich – und nicht immer mit dem (möglichen) Koalitionspartner vereinbar.
Foto: Imago

Anders als in Österreich ist für die deutschen Grünen der Kohleausstieg ein großes Thema. Dieser soll vom Jahr 2038 auf 2030 vorgezogen werden. Außerdem planen sie eine Reform des Bundesberggesetzes, um den Abriss von Dörfern für den Kohleabbau zu verhindern.

Wenn die Grünen in Deutschland an die Macht kommen, soll es außerdem – wie auch in Österreich – ein Klimaschutzministerium geben. Dieses hätte, nach Vorstellungen der Ökopartei, ein Vetorecht gegenüber allen Vorhaben, die nicht mit dem Pariser Klimavertrag vereinbar sind. Allerdings darf bezweifelt werden, dass sich die anderen Ministerien das gefallen lassen. Ein solches Vetorecht hat das Finanzministerium, doch dieses ist im Grundgesetz festgeschrieben. Das Klimaschutzministerium soll zudem eine "Klima-Taskforce" leiten.

Ein "Klimakabinett" ist auch in Österreich geplant. Ein Vetorecht des grünen Ministeriums gibt es zwar nicht – durch ein Grundrecht auf Klimaschutz in der Verfassung soll das Thema aber zumindest einen größeren Hebel bekommen. (Birgit Baumann aus Berlin, Nora Laufer, 6.8.2021)