Europarechts-Experte Stefan Brocza kritisiert in seinem Gastkommentar Österreichs Weg, sich für neue EU-Stellen zu bewerben.

Nach der Desasterbewerbung für den Umzug der Arzneimittelbehörde der Europäischen Union (EMA) von London nach Wien vor vier Jahren – es wurden enorme Erwartungen im Inland geweckt, man schied jedoch frühzeitig bei der internen EU-Abstimmung aus, das Engagement eines ehemaligen EU-Botschafters als Lobbyisten für die Bewerbung inklusive der Zusage eines rechtswidrigen "Erfolgshonorars" sorgte für zusätzliche Diskussion – verkündet Österreich einmal wieder, dass nur Wien der einzig mögliche Standort für eine neu zu schaffende EU-Agentur zur Bekämpfung von Geldwäsche sei.

Die Regierung will die EU-Agentur zur Bekämpfung von Geldwäsche nach Österreich holen: Finanzminister Gernot Blümel.
Foto: Heribert Corn

Finanzminister Gernot Blümel hat bereits beim letzten Ecofin-Treffen in Brüssel die Anforderungen verkündet: Es darf nicht Frankreich oder Deutschland sein, denn dort könnte es ja zu ominösen "Interessenkonflikten" mit der bisherigen EU-Bankenaufsichtsbehörde (EBA) bzw. der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen. Es müsse sich aber um ein Land der Eurozone handeln, in dem man sich genug mit jenen Ländern auskenne, die noch nicht die gemeinsame Währung eingeführt hätten. Mit diesen subtilen Andeutungen wollte Blümel wohl für Österreich Werbung machen.

Vor wenigen Tagen erfolgte nun auch die offizielle Ankündigung: Wien bewirbt sich als Standort der neuen EU-Agentur. Dass Blümel mit seinem Anforderungsprofil etwa auch die Slowakei oder Slowenien – beides übrigens EU-Mitglieder, die im Gegensatz zu Österreich bisher keine EU-Agentur beheimaten – ins Spiel brachte, hatte in der Bundesregierung wohl niemand bedacht.

Ins Spiel gebracht

Gut in Erinnerung ist jedenfalls noch die letztjährige Ankündigung, dass Wien unbedingt Standort einer neu zu schaffenden EU-Gesundheitsbehörde sein müsse. Davon ist nichts mehr zu hören, da man ja offensichtlich immer um die jeweils aktuell zu schaffende und zu vergebende Agentur rittert. Von langfristiger strategischer Planung und Konzentration auf ein Vorhaben hält man nichts in Regierungskreisen.

Die Forderung nach dem Sitz der künftigen Gesundheitsbehörde wurde im vergangenen Jahr übrigens vom Bundeskanzler abwärts mit massiver medial geäußerter Kritik an der EMA begleitet. Dieser wurde per Interviews und in Aussendungen ausgerichtet, was sie nun gefälligst zu tun habe im Hinblick auf die Zulassung der Covid-Impfstoffe. In Brüssel fand man sich dadurch nur darin bestätigt, dass es vor vier Jahren wohl die richtige Entscheidung gewesen war, die EMA nicht nach Wien zu vergeben.

Die irrationale Vorgehensweise, etwas von Brüssel zu wollen und gleichzeitig die EU massiv zu kritisieren, wiederholt sich jedenfalls: Man will die Geldwäscheagentur, lehnt jedoch ein zentrales Instrument zur Bekämpfung der Geldwäsche – die Begrenzung von Bargeldzahlungen – strikt ab.

Erstaunt und enttäuscht

Österreichs EU-Politik beschränkt sich offensichtlich auf das Shakespeare-Motto "Lasst mich den Löwen auch noch spielen" – wann immer etwas zu vergeben ist, dann will man es. Egal was. Gegen jede Vernunft, gegen jeden EU-internen Binnenpluralismus. Es gibt etwas – Wien will es. Und jedes Mal wieder ist man erstaunt und enttäuscht, dass man am Ende mit leeren Händen dasteht. (Stefan Brocza, 6.8.2021)