Startenor an ungewohntem Auftrittsort: Jonas Kaufmann singt insgesamt dreimal bei "Theater im Park".

Heribert Corn

Wien – Während sich entlang der Prinz-Eugen-Straße der Verkehr staut, herrscht hinter der langen, hohen Mauer, die den Gehsteig säumt, paradiesische Ruhe. Hier verbirgt sich einer der schönsten Orte Wiens, ein geheimer Park, eingebettet zwischen Belvederegarten und Palais Schwarzenberg. Seit vorigem Sommer wird der Ort von Michael Niavaranis und Georg Hoanzls "Theater im Park" bespielt und glänzt dabei mit großen Namen. Heuer auch mit dem von Startenor Jonas Kaufmann.

Marcia M.

Er tritt hier in ganz ungewohnter Umgebung auf. Langsam füllt sich der Ort. Neben den Sitzreihen gibt es Heurigentische und Liegestühle, wo es sich die Leute bei Würstel mit Senf und einem Glas Wein gemütlich machen. Hinter der Bühne, die zwischen zwei riesigen Platanen steht, singt sich schon Kaufmann ein. Insgesamt drei Liederabende gibt der Startenor diesen Sommer hier, abseits der großen Festivals und Konzertsäle, dafür in ungezwungener Atmosphäre unter freiem Himmel.

Ein pensioniertes Ehepaar aus der Nachbarschaft hat es sich unter einem Kastanienbaum auf zwei Liegestühlen bequem gemacht. Sie wohnen gleich ums Eck und kommen seit letztem Sommer regelmäßig ins Theater im Park – vor allem wegen des Kabarettprogramms. Heute ist das anders.

"Unbedingt den Kaufmann"

"Klassische Musik ist eigentlich nicht so meines, aber meine Frau wollte unbedingt den Kaufmann hören", sagt Robert und tunkt sein Würstel in Senf. "Aber nicht in der Oper", antwortet Annemarie, "hier im Park können wir unseren Rosé trinken und etwas essen, fast wie beim Heurigen." Gemütlich soll es sein, deshalb haben beide Decken und Polster mit – "für den Rücken".

Um Punkt acht betreten Jonas Kaufmann und sein Pianist Helmut Deutsch das Podium. Der Tenor, lässig gekleidet und mit leicht offenem Hemd, räuspert sich mehrmals. "Das wird schon", sagt er etwas heiser ins Mikrofon und legt sogleich los. Für das Konzert hat er Lieder von Richard Strauss, Wienerlieder und Operettenarien ausgewählt. "Auf, hebe die funkelnde Schale empor zum Mund, und trinke beim Freudenmahle dein Herz gesund", heißt es zum Auftakt in Strauss’ Heimliche Aufforderung. Kaufmann singt es mit viel Hingabe, ganz kurz streikt die Stimme, was hier aber glücklicherweise niemanden stört.

Begnadeter Geschichtenerzähler

Nach jeder Nummer gibt es begeisterten Applaus. Es folgen Lieder über die Natur und das Leben, bei denen sich Kaufmann wieder einmal als begnadeter Geschichtenerzähler erweist. Mittlerweile hat er sogar den "Wiener Schmäh" drauf, diesen einzigartigen Ton zwischen Nostalgie und Melancholie, zwischen Schwärmerei und Raunzerei.

Hinreißend geraten Johann Strauß’ Draußen in Sievering und Hermann Leopoldis Café in Hernals. Gemeinsam zelebrieren Kaufmann und Deutsch das Leichte, Unperfekte. Die Sonne ist inzwischen untergegangen, der Wind streift durch die Blätter, und Fledermäuse fliegen aus ihren Verstecken. Auf den offiziellen Teil des Abends folgen noch ein paar Zugaben. Kaufmann hat mittlerweile ein Glas Wein in der Hand und prostet den Menschen zu. "I bin a stiller Zecher, drum mach’ i so an Lärm! Hollarie, hollaro, halli, hallo!", singt er in fast perfektem Wienerisch. Die Künstler werden vom Publikum mit Geschenken bedacht. Kaufmann bedankt sich, winkt und verschwindet. Am Sonntag tritt er hier noch einmal auf.
(Miriam Damev, 6.8.2021)