Hartnäckige Gerüchte behaupten, die Covid-Impfung mache unfruchtbar. Im Faktencheck bestätigt sich das nicht.

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Das Gerücht gibt es wohl, seit es Impfungen gibt – und das ist bei der Pockenimpfung immerhin schon ein paar Jahrhunderte der Fall: Die Immunisierung soll unfruchtbar machen. Einige neuere Beispiele: 2004 verbreiteten islamische Geistliche in Nigeria die Info, die Polio-Impfung würde Frauen sterilisieren, 2014 behauptete die katholische Kirche in Kenia das von der Tetanusimpfung. Jetzt ist also das Corona-Vakzin an der Reihe.

Das Gerücht tauchte bereits bei der Zulassung der Impfung auf und wurde auch vielfach widerlegt, hält sich aber immer noch hartnäckig. Vor allem auf Social Media wird es verbreitet sowie auf diversen impfkritischen Plattformen. Verunsichert davon werden in erster Linie junge Mädchen und Frauen mit akutem Kinderwunsch – kein Wunder, haben sie ja die Familienplanung noch vor sich.

Mehrere Gründe soll es für die Unfruchtbarkeit geben. Einige behaupten, der Impfung seien entsprechende Hormone beigesetzt, der Grund dafür sei, dass sich bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht vermehren sollten. Quellen für diese Behauptung gibt es nicht, sie gehört klar in den Bereich der Verschwörungstheorien.

Lipid-Nanopartikel in Fortpflanzungsorganen

Eine andere Begründung behauptet, dass sich durch die Impfung Lipid-Nanopartikel, die das Spike-Protein enthalten, in den Eierstöcken und auch den Hoden ablagern sollen. Hintergrund dafür ist eine angeblich vertrauliche Studie von Biontech/Pfizer, die japanische Forscher entdeckt haben wollen. Tatsächlich gibt es eine entsprechende Studie, und zwar an Ratten. Untersucht wurde, wie sich die Lipid-Nanopartikel, in denen die mRNA der Impfstoffe verpackt ist, im Körper verteilen, wie der deutsche Immunologe Carsten Watzl von der TU Dortmund auf Nachfrage der Faktenchecker-Plattform "Correctiv" erklärte.

Kernaussage der Studie ist, dass diese Lipide in verschiedenen Organen des Körpers zu finden sind, allen voran in der Leber. In sehr geringen Mengen waren die Nanopartikel auch in Hoden und Eierstöcken zu finden. Auf diversen Plattformen wird behauptet, das werfe "schwerwiegende Fragen" in Bezug auf die Fruchtbarkeit auf. Welche Fragen das sein sollen, wird aber nicht präzisiert.

Tatsächlich handelt es sich bei der Studie um die Ergebnisse einer vorklinischen Forschung von Biontech/Pfizer zu den mRNA-Impfstoffen. Die Daten sind seit Dezember 2020 bekannt und in die Zulassung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eingeflossen.

Die Erkenntnisse aus den Rattenversuchen können aber ohnehin nicht auf Menschen übertragen werden. Den Tieren wurde nämlich nicht der eigentliche Impfstoff injiziert, sondern eine abgewandelte Form, und diese wiederum in wesentlich größerer Menge als die aktuell verabreichten Impfdosen, um die Verteilung überhaupt messen zu können. Der Molekularbiologe Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin betont gegenüber "Correctiv" außerdem, dass in keiner Weise eine toxische Wirkung festgestellt werden konnte, Schlussfolgerungen auf eine Gesundheitsgefährdung durch die Impfung seien nicht zulässig.

Ähnliche Aminosäuren

Bleibt eine dritte angebliche Begründung für Unfruchtbarkeit durch die Impfung – und die wahrscheinlich hartnäckigste, weil sie auf wissenschaftlichen Begriffen und Konzepten fußt. Für Nichtexperten in diesem Bereich – also die meisten Menschen – macht es das umso schwieriger, die Falschheit zu erkennen, da die Begründung so fachlich daherkommt.

Der Vorwurf im Detail: Teile der Virushülle, das sogenannte Spike-Protein, sind im mRNA-Impfserum enthalten, so weit, so klar. Dieses Spike-Protein sei dem Plazenta-Protein Syncytin-1 ähnlich, das für die Bildung der Plazenta zuständig ist. Die Befürchtung ist, dass Antikörper, die gegen das Spike-Protein gebildet werden, aufgrund dieser Ähnlichkeit theoretisch auch das Plazenta-Protein angreifen und so deren Wachstum stören könnten.

Dieses Gerücht hat der Molekularbiologe Martin Moder bereits vor Monaten in einem Video auf seinem Youtube-Kanal M.E.G.A. widerlegt. Erstes und wichtigstes Argument ist, dass das Spike-Protein ja nicht nur durch die Impfung in den Körper kommt, sondern auch bei einer Corona-Infektion. In beiden Fällen bildet das Immunsystem Antikörper dagegen. Würde die Behauptung mit der übergroßen Ähnlichkeit zutreffen und für die Fruchtbarkeit problematisch sein, wäre das Gleiche bei einer Covid-Infektion der Fall, wie Moder betont. Doch es gibt keine einzige Arbeit, die so eine Folge nachweisen könne.

Aber auch die zugrundeliegende Behauptung, dass sich die beiden Proteine so ähnlich seien, dass das Immunsystem sie verwechseln könne, stimmt nicht. Sämtliche Proteine werden aus langen Ketten von insgesamt 20 verschiedenen Aminosäuren gebildet. Das Spike-Protein von Sars-Cov-2 besteht aus einer Kette von über 1.200 Aminosäuren, jene von Syncytin-1 ist deutlich kürzer. Vergleicht man diese Ketten miteinander, sind maximal drei Aminosäuren hintereinander ident – eine sehr geringe Anzahl bei 1.200. Solche minimalen Überlappungen finden sich bei praktisch allen Proteinen, wenn man sie vergleicht, wie Moder betont. Solche Ähnlichkeiten haben etwa auch jene von Rhinoviren, die Schnupfen verursachen. Noch mehr Ähnlichkeiten findet man mit den Proteinen von Rotaviren, den Auslösern von Durchfall. Ein Vergleich: Das ist in etwa so, als würde man zwei Seiten eines Buches übereinanderlegen. Auch da finden sich gleiche Buchstabenkombinationen.

Das bestätigt auch Bettina Toth, Direktorin der Innsbrucker Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin: "Jede Impfung löst eine Immunreaktion aus, da sich das Immunsystem mit dem Virus beziehungsweise den Viruspartikeln auseinandersetzt. Die Corona-Impfung macht genauso wenig unfruchtbar wie ein Schnupfen oder Durchfall."

Kinderwunsch und Impfung

Bleibt noch die Frage, ob man sich nun, wenn man einen akuten Kinderwunsch hat, impfen lassen soll. Das beantworten Experten ganz klar mit Ja. "Wir empfehlen Frauen, sich vor der Verwirklichung des Kinderwunsches impfen zu lassen und dann noch vier Wochen zu warten", sagt Toth. Bei bestehender Schwangerschaft rät sie zu einer Impfung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel, besonders auch jenen Frauen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf in der Schwangerschaft haben, etwa bei Adipositas, Diabetes oder Bluthochdruck. Zusatznutzen dabei, so Toth: "Die Antikörper der geimpften Mutter gehen auf das Kind über und geben in den ersten Wochen nach der Geburt einen Nestschutz."

Ähnliches gilt für die Stillzeit: "Man kann sich gefahrlos impfen lassen. Studien weisen außerdem auch beim Kind Antikörper nach einer Impfung der Mutter nach." (Pia Kruckenhauser, APA, 8.8.2021)