Es war eine überraschende Zahl, die dieser Tage vorgelegt wurde: Die Zahl offener Stellen ist geradezu explodiert. 113.000, das ist Rekordniveau. Und das nach dem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Monaten der Pandemie. Doch was hat den Turbo am Arbeitsmarkt gezündet?

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat für das "Fast-Jobwunder" einige Erklärungen. Da ist zum einen das Anspringen der Konjunktur. Mitte Mai hat sich die Wirtschaftsleistung wieder dem Vorkrisenniveau angenähert. Dafür haben Exporte, der Umstand, dass die Menschen Nachholbedarf beim Konsum haben, und das Wiederanspringen des Tourismus gesorgt.

Nachfrage bei den Betrieben

Das sorgt auch für mehr Nachfrage bei den Betrieben: Sie stellen wieder ein. Im Tourismus hat sich die Arbeitslosigkeit fast halbiert. Nicht nur dort werden Arbeitskräfte gesucht. Auch Baubranche und Industrie florieren. In Bundesländern wie Tirol, Oberösterreich oder Salzburg herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Der Fachkräftemangel ist wieder in vieler Munde. Installateure, Schlosser, Maurer, Maschinenbauer, Kfz-Mechaniker werden zum Teil händeringend gesucht. Die Arbeitskräfteüberlasser sind wieder groß im Geschäft.

Nicht nur in der Tourismusbranche werden Mitarbeiter gesucht. An diplomierten Krankenpflegekräften oder Installateuren herrscht echter Mangel.
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Nur Wien hinkt bei der Erholung hinterher. Der schleppende Städtetourismus möge ein Grund für die nach wie vor hohe Arbeitslosenquote von 11,7 Prozent sein, die Wirtschaftsstruktur ein anderer, mutmaßt Kocher bei einem Hintergrundgespräch. Alles in allem ist der Arbeitsmarkt von hoher Dynamik geprägt. Dafür hätten auch die Hilfen gesorgt, sagt Kocher.

Milliarden für den Arbeitsmarkt

Tatsächlich hat sich der Staat die Rettung der Arbeitsplätze viel kosten lassen. Das Arbeitsmarktbudget ist von 4,59 Milliarden im Vor-Corona-Jahr 2019 auf 9,42 Milliarden im Jahr der Pandemie angeschwollen. Für heuer sind gut neun Milliarden vorgesehen. Für Umschulungen, Eingliederungsbeihilfen, Fachkräftestipendien etc. Mehr als 400 Millionen stehen für die Corona-Joboffensive bereit. Einer der großen Brocken ist die Kurzarbeit: Im ersten Halbjahr flossen vier Milliarden Euro.

Diese Subvention der Arbeitsplätze sei kein verschwendetes Geld, beteuert Kocher. Man hätte fast alle Beschäftigungsverhältnisse gerettet. Ein Konter auf die Kritik der Neos, die der Regierung vorwerfen, den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg verpasst zu haben.

Der Arbeitsminister sieht das anders: Im ersten Halbjahr hätten rund 250.000 Personen aus der Kurzarbeit wieder Beschäftigung gefunden. Die Zahl der Kurzarbeitenden sinke sukzessive. Waren im Vorjahr mehr als ein Viertel der 3,85 Millionen unselbstständig Beschäftigten in diesem Modell, rechnet Kocher in der aktuellen fünften Phase mit rund 150.000. Zum Vergleich: In der Finanzkrise 2008 waren in der Spitze 100.000 Menschen in diesem (anders gestrickten) Programm.

Die Baubranche ist schnell wieder angesprungen. Maurer, Dachdecker und Co wurden schon gesucht, als im Tourismus noch alles darnieder lag.
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Was bleibt, sind die strukturellen Probleme. Auch wenn 350.000 Menschen im ersten Halbjahr einen Job gefunden haben – darunter auch gar nicht so wenige Langzeitarbeitslose –, bleibt die Arbeitslosigkeit hoch. Ende Juli waren 344.000 Menschen ohne Job. Viele von ihnen schon lange. Ein Problem, das es seit Jahren gibt. Im Jahr 2013 waren 40.000 Menschen langzeitarbeitslos, derzeit sind es trotz Rückgangs 130.000. "Das System spielt da durchaus eine Rolle", meint OECD-Experte Christopher Prinz. Das Arbeitslosengeld sei zwar vergleichsweise niedrig, dafür könne es ein Langzeitarbeitsloser in Form von Notstandshilfe zeitlich unbeschränkt beziehen. "Das ist im internationalen Vergleich durchaus ungewöhnlich."

Eine Reform steht ohnedies auf der Agenda. An der Notstandshilfe werde wohl kaum gerüttelt, glaubt Arbeitsminister Kocher. Die Zumutbarkeitsbestimmungen hält er "in vielen Teilen für adäquat". Aber es gebe Diskussionsbedarf bei Arbeitslosengeld, Zumutbarkeit oder Zuverdienstgrenzen. Wichtig sei – vor allem mit Blick auf Wien – auch die überregionale Vermittlung: "Es muss ja nicht gleich Tirol sein." Niederösterreich wäre eine Option. (Regina Bruckner, 7.8.2021)