Alexander Wrabetz will eine vierte Amtsperiode als Generaldirektor des ORF.

Foto: Heribert Corn

Am Dienstag bestellen 35 Stiftungsräte die nächste Chefin oder, das ist wahrscheinlicher, den nächsten Chef des ORF ab 2022. Wie wäre es, wenn man sich einen ganzen Rundfunk aussuchen könnte? Einen idealen ORF. Ein Versuch ohne Rücksicht auf Realismus.

In einem idealen ORF entscheiden unabhängige Vertreter der Menschen in Österreich nach Sachverstand und bestmöglichem Wissen und Gewissen, wer professionell und persönlich am besten geeignet ist, dieses größte Medienunternehmen Österreichs im Dienst und Interesse möglichst aller Menschen in diesem Land zu führen.

Um einen idealen ORF zu führen, können sich erfahrene Managerinnen und Manager, erwiesene Könnerinnen und Könner bewerben, ohne vorher beim Kanzler oder seinem Medienbeauftragten ihre realen Chancen auszuloten.

2011 hätte der ORF den internationalen Medienkapazunder Gerhard Zeiler wieder zum Chef haben können. Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann zog den gerade noch fast abgesägten Alexander Wrabetz als ungefährlicher für den eigenen Job vor. 2021 hätte der ORF wohl etwa den internationalen Medienprofi Matthias Settele haben können. Sebastian Kurz’ ÖVP setzt auf den ihr vertrauten ORF-Mann Roland Weißmann.

Gemeinsamer Willen

Einen idealen ORF führt ein Team mit dem gemeinsamen Willen und Ziel, allen im Land zu liefern, wozu das Gesetz den ORF verpflichtet. Zum Beispiel "Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe". So steht es im seit 1974 gültigen Verfassungsgesetz Rundfunk, und viele Journalistinnen und Journalisten des ORF arbeiten tagtäglich daran, es bestmöglich zu erfüllen; auch viele Führungskräfte mühen sich darum, wenn sie nicht gerade der Wunsch dabei stört, in einem wesentlich von parteipolitischen Einflussüberlegungen bestimmten öffentlichen Unternehmen etwas zu werden oder zu bleiben.

Der gesetzliche Auftrag schreibt noch viel mehr vor, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Sport, Unterhaltung – bis zur Nachhaltigkeit. Ihn könnte man noch klarer machen, in einem idealen ORF-Gesetz.

In einer idealen Welt kann der ORF seinen Auftraggebern das bestmögliche Angebot nach diesen Vorgaben so liefern, wie sie es erwarten, als Radio- oder Fernsehsendung, als Stream oder Podcast, als rasche Nachricht auf jener Plattform, wo sie es gerade wollen – aber bedacht auf Erhalt und Förderung einer möglichst vielfältigen, eigenständigen Medienlandschaft und ohne sie als Marktbeherrscher mit 650 Gebührenmillionen im Rücken niederzuwalzen.

Publikum als Auftraggeber

Auftraggeber des ORF ist das Publikum, sind die Menschen im Land, nicht Parteien oder Politiker, die diese Menschen ohnehin auch im Umgang mit dem ORF vertreten sollten und nicht ihre eigenen Interessen dort. Das gilt übrigens schon in einer nicht idealen Welt.

In einer idealen Welt ist möglichst allen Menschen im Land klar, warum sie für diesen ORF und seine Leistungen zahlen sollen, wofür sie GIS-Gebühren entrichten oder eine andere Form der Abgeltung, klar auch, was eigentlich dieser öffentlich-rechtliche Auftrag sein soll. Idealerweise finden sie diese Leistungen ihr Geld wert.

Einen Reality-Check gibt es am Dienstag auf dem Küniglberg. (Harald Fidler, 7.8.2021)