Grigory Sokolov begeisterte bei den Salzburger Festspielen.

Foto: Flegontova

Als er noch im (kleineren) Haus für Mozart spielte, wirkte der Künstler auf seinem Bühnenweg zu den Tasten fast ein bisschen abweisend. Längst füllt Grigory Sokolov das Große Festspielhaus; seinen "Spaziergang" zum Klavier umweht jedoch nach wie vor leichte Distanziertheit, in die sich nun etwas Gravitätisches und Selbstbewusstes zu mischen schien.

Die exzentrisch-kühle Aura steht wohl für eine Form der Versenkung, aus der diese abenteuerliche Differenzierungskunst unentwegt sprießt. Chopin ist bei Sokolov denn auch nicht der zum Salonmelodiker verniedlichte, dem Schwärmen dienende Komponist. Selbst aus der sattsam bekannten Polonaise As-Dur op. 53 wird punktuell ein dramatischer, gereizter Tanz, der Verzweiflung zeigt, um sich in spieldosenartige Verinnerlichung zu verwandeln.

Kontrast zur Lyrik

Es ist bei Sokolov nichts unverbindlich und voraussagbar. Als instrumentaler Sänger entwirft er etwa bei der Polonaise cis-Moll op. 26 Nr. 1. lakonisch eine wehmütige Erinnerungsmelodik ohne Zuckerguss. Ganz anders die Polonaise fis-Moll op. 44: Die Entfesselung der Kräfte führt zu Momenten, in denen Passagen bewusst quasi ins Groteske und Makabre geführt werden, um den Kontrast zur Lyrik noch deutlicher wirken zu lassen.

Bei Rachmaninows Zehn Preludes op. 23 geht es werkbedingt zunächst sanfter zu. Erst wenn sich bei Nr. 7, 8 und 9 Inspiration und Virtuosität (des Komponisten) quasi auf hohem Niveau verbünden, intensiviert sich auch Sokolovs eleganter Vortrag.

Schließlich eröffnet er den Zugabenblock mit Brahms’ Intermezzo op. 118 Nr. 2.: delikat, klangsensitiv und entschleunigt., aber immer mit Präsenz. (Ljubisa Tosic, .8.2021)