Die Einsatzkräfte versuchen gegen die Brände anzukämpfen.

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Athen – In fast allen Brandgebieten Griechenlands toben die Flammen mit unverminderter Intensität. Im Norden der zweitgrößten griechischen Insel Euböa ist die Lage nach den Worten des Bürgermeisters der kleinen Hafenstadt Istiaia, Giannis Kotzias, katastrophal: "Wir sind allein. Unser Ende ist nahe", sagte er dem griechischen Nachrichtensender Skai. Außer Kontrolle war Sonntag früh auch die Situation auf der Halbinsel Peloponnes.

Premier Mitsokakis in der Kritik

Der gefährlichste Brand tobte dort südlich der Kleinstadt Megalopolis. Ein weiterer Brand fraß sich aus dem Westen der Insel bei Olympia immer weiter ins dicht bewaldete gebirgige Arkadien im Inneren der Halbinsel.

Die Bürgermeister der Region fordern mehr Hilfe aus der Luft. Sie bemängelten, dass die Entscheidungsträger in Athen in den vergangenen zwei Tagen mehr Löschflugzeuge im Raum der griechischen Hauptstadt einsetzten – mit dem Ergebnis, dass die Brände in den Provinzen außer Kontrolle gerieten. Nachdem sich die Situation in Athen stabilisiert, fliegen die Löschflugzeuge seit Sonntag auch Euböa an.

Der Konflikt zwischen der Hauptstadt und den Bewohnern ländlicher Gebiete wird aber wohl nicht so rasch verschwinden. "Es ist das erste Mal, dass die Regierung stufenweise die Kontrolle verloren hat", urteilte die regierungsfreundliche Sonntagszeitung "To Vima". "Priorität haben Menschenleben, erst dann folgen Besitztümer und Natur", verteidigt Griechenlands Premier Kyriakos Mitsokakis dagegen den Fokus der Löscharbeiten auf den Großraum Athen. Dort leben rund vier Millionen Menschen, das auf Euböa von Bränden betroffene Gebiet besteht hingegen hauptsächlich aus Wald.

Internationale Unterstützung

An den Löscharbeiten nehmen in den nächsten Tagen Feuerwehrleute aus zahlreichen Ländern teil. Auch Österreich wird Griechenland ab Montag unterstützen. Laut dem Innenministerium, das die internationale Katastrophenhilfe koordiniert, wurde ein Hilfsangebot umgehend angenommen. Demnach wird sich ein Kontingent der Freiwilligen Feuerwehr aus Salzburg in der Nacht auf Montag auf den Weg machen. In Nordmazedonien etwa stehen bereits seit Freitagfrüh rund 140 Feuerwehrleute aus Niederösterreich und der Steiermark im Einsatz.

Im Norden Athens wird das Ausmaß der Schäden unterdessen immer deutlicher. Nach ersten vorsichtigen Schätzungen sollen mehr als 300 Häuser und Industriebauten verbrannt sein. Schwierigkeiten bereitet auch der Wiederaufbau des Stromnetzes. "Es wird bis zu 15 Tage dauern, bis der Strom überall wieder fließt", sagte ein Techniker der Elektrizitätsgesellschaft Sonntag früh dem Fernsehsender Skai.

Vielerorts brennt es nach wie vor ohne Aussicht auf ein baldiges Ende der Hitze.
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Mindestens 1.300 Strommasten seien verbrannt oder beschädigt und müssten ausgetauscht werden. Auch die Wasserversorgung ist noch nicht vollständig wiederhergestellt, betroffen seien unter anderem mehrere nördliche Vororte Athens, berichtete die Tageszeitung "Kathimerini". Noch gar nicht abzuschätzen ist der ökologische Schaden durch die große Fläche verbrannten Waldes.

Brände in Italien, der Türkei, Russland

Neben Griechenland sind derzeit vor allem die Türkei, Italien und auch Russland von den Bränden betroffen. Auf der italienischen Insel Sizilien erklärte die Regionalregierung für sechs Monate den Not- und Krisenfall. Seit Ende Juli brenne es auf Sizilien, und auch in den kommenden Wochen herrsche ein permanentes Risiko durch die außergewöhnliche Wetterlage auf Sizilien, begründete Regionalpräsident Nello Musumeci die Entscheidung. Aber auch das süditalienische Festland ist von Feuern bedroht, besonders Landwirtschaft und Naturschutzgebiete sind betroffen. Am Rande des Aspromonte Nationalparks sind ein Mann und eine Frau im Zusammenhang mit den Waldbränden gestorben, als es auf ihrem Bauernhof brannte.

Am Sonntag warnte Italiens Zivilschutzbehörde vor einer Hitzewelle und weiteren Bränden. Besonders heiß dürfte es am Dienstag und Mittwoch werden. Die Zivilschutzbehörde rechnete mit Werten bis zu 45 Grad Celsius auf Sizilien und Sardinien. Besonders von den Feuern betroffen sind zudem die südlichen Regionen des Festlandes wie Kalabrien und Apulien.

In der Türkei, die wie Griechenland derzeit eine außergewöhnliche Hitzewelle durchlebt, loderten nach offiziellen Angaben in Nähe der Stadt Mugla noch sechs unkontrollierte Feuer. Dort erschwerten Winde die Löscharbeiten. Ein schon unter Kontrolle geglaubtes Feuer in der Provinz Aydin wurde durch den Wind wieder entfacht, wie der Sender NTV berichtete.

Im südtürkischen Antalya hat sich die Lage unterdessen entspannt. Einsatzkräfte wurden nach Angaben lokaler Behörden dort abgezogen und zur Verstärkung in die Westtürkei geschickt. Landesweit sollen Experten zufolge bisher weit mehr als 100.000 Hektar Land zerstört worden sein.

Gegenseitige Kritik

Seit Beginn der Brände vergangene Woche wird immer wieder Kritik am Krisenmanagement der türkischen Regierung laut. Die Opposition wirft ihr etwa vor, dass keine eigenen einsatzfähigen Löschflugzeuge zur Verfügung standen. Mit Hilfe aus dem Ausland sind nach offiziellen Angaben mittlerweile 16 Flieger und mehr als 50 Hubschrauber gegen das Feuer im Einsatz. Tausende Freiwillige unterstützen die Rettungsteams.

Auch in der Türkei sind die Feuerwehren im Dauereinsatz.
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Zur Brandursache wird weiter ermittelt. Ein Feuer in Marmaris sollen Kinder aus Versehen ausgelöst haben. In Bodrum waren vergangenen Donnerstag Medienberichten zufolge drei Menschen festgenommen worden, unter dem Verdacht, Zigarettenstummel aus dem Auto geworfen zu haben.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hat auch die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK beschuldigt, Feuer gelegt zu haben. Mindestens acht Menschen sind in der Türkei durch die Flammen ums Leben gekommen, Hunderte wurden verletzt.

In Albanien löschten die Brandbekämpfer allein am Freitag 15 Feuer. Zehn Brandherde seien noch aktiv, aber keine Bedrohung für nahe gelegene Dörfer oder Nationalparks. Auch im Kosovo gelang es den Sicherheitskräften, nahezu alle Brände zu löschen.

Ausnahmezustand bei Atomzentrum in Russland verhängt

In Russland wiederum haben die Behörden wegen der massiven Waldbrände in der Stadt Sarow mit dem nationalen atomaren Forschungszentrum den Ausnahmezustand verhängt. Der Schritt sei notwendig, weil sich das Feuer im Gebiet von Nischni Nowgorod ausbreite und so zusätzliche Kräfte zur Löschung der Brände mobilisiert werden können, teilte die Verwaltung der abgeschirmten Stadt mit.

Auch in vielen anderen Regionen waren Ortschaften durch die Feuer bedroht. Besonders stark betroffen war die sibirische Region Jakutien (Republik Sacha) im Nordosten Russlands. Dort brannten Dutzende Häuser ab. Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden.

Nach Behördenangaben standen am Sonntag landesweit rund 3,5 Millionen Hektar in Flammen. Ein Experte der Umweltorganisation Greenpeace sprach von den schlimmsten Waldbränden in der Geschichte der russischen Wetterbeobachtung.

Fünf Vermisste bei riesigem Waldbrand in Kalifornien

Das vergangene Jahr galt auch mit Blick auf die Waldbrände in Kalifornien als das schlimmste in der jüngeren Geschichte. Nun sind im Zusammenhang mit dem im Bundesstaat wütenden riesigen Waldbrand "Dixie Fire" mehrere Menschen als vermisst gemeldet worden. Wie ein Polizeichef am Samstag (Ortszeit) mitteilte, suchten die Einsatzkräfte nach fünf Einwohnern der abgebrannten früheren Goldgräber-Stadt Greenville im Norden des US-Bundesstaats.

Das Dixie Fire zieht eine Spur der Verwüstung nach sich, hier zu sehen in der Stadt Greenville in Kalifornien.
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Das seit Mitte Juli wütende "Dixie Fire" hat sich zum drittgrößten Brand in der Geschichte Kaliforniens entwickelt und ist derzeit der größte aktive Waldbrand der USA. Das Feuer vernichtete bereits mehr als 1800 Quadratkilometer Fläche.

(APA, red, 8.8.2021)