Die Sensoren zur Messung des Gewebezuckers sollen eigentlich Diabetikern das Leben erleichtern. Nun werden sie teuer als Leistungsoptimierungshilfe im Sport angeboten.

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Das kleine runde Ding am Oberarm ist eigentlich untrügliches Erkennungszeichen für Diabetiker. Seit einigen Jahren erleichtern sogenannte Glukosesensoren Zuckerkranken das Leben. Sie messen im Fünf-Minuten-Takt den Gewebezuckerwert durch einen kleinen Sensorstreifen, der alle zehn bis 14 Tage mittels "Schussgerät" in den Oberarm oder Bauch gesetzt wird. Mittels App am Handy oder einem eigenen Empfangsgerät haben Betroffene so stets ihren Zuckerwert im Blick. Für Diabetiker eine lebenserleichternde Erfindung.

Ein Hersteller dieser Sensoren hat im Vorjahr eine neue Zielgruppe für sich entdeckt: die Ausdauersportler. Unter dem Namen "Supersapiens" bietet das Unternehmen die Sensoren als Trainingshilfsmittel für Radsportler an. Durch "Echtzeitglukosemessung" seien die Athletinnen und Athleten in der Lage, ihr Leistungslevel optimal einzustellen. Denn zu niedriger Blutzucker – der sogenannte "Hungerast" – lässt die Leistungskurve stark absinken.

Teures Spielzeug für Selbstoptimierer

Dieses Gadget hat einen stolzen Preis. Um ein "Supersapiens" zu werden, kann man unterschiedliche Pakete wählen. Das "beliebteste" Angebot sei jenes für 14 Wochen Training. Es beinhaltet sieben Sensoren und die dazugehörige App und kostet 565 Euro. Das Mitgliedschaftsprogramm, bei dem man zwei Sensoren alle 28 Tage erhält, kommt auf 150 Euro pro Turnus – bei drei Monaten Mindestvertragsdauer.

Ein Videobericht mit Praxistest des Sensors.
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Die neueste Spielart der Selbstoptimierung ruft aber auch Kritiker auf den Plan. So hat der Weltradsportverband UCI die Glukosesensoren im Juni dieses Jahres für Wettkämpfe verboten – im Training bleiben sie erlaubt. Einige Profiteams wie Jumbo-Visma hatten diese bereits bei der Tour de France 2020 eingesetzt. Auch das Canyon-Sram-Frauenteam baut auf die Sensoren, wie deren Manager Ronny Lauke dem "Rennrad"-Magazin erklärte: "Die Technologie hinter Supersapiens und vor allem die Informationen, die wir über individuelle 'Re-Fuel'-Strategien erhalten können, werden unseren Fahrern helfen, ein noch höheres Leistungsniveau zu erreichen."

Geteilte Meinungen zur neuen Technik

Befürworter der neuen Technologie sprechen von "strategischer Nahrungsaufnahme", die dadurch ermöglicht werde. Zudem würden die Sportlerinnen und Sportler damit ihren Körper und die Art, wie er auf unterschiedliche Nahrungsmittel reagiert, besser kennenlernen. Kritiker halten dagegen, dass man gerade als Sportler eigentlich so viel Körpergefühl haben sollte, um selbst zu erkennen, wann der Organismus Energiezufuhr benötigt.

Während die UCI die Sensoren für Wettkämpfe verboten hat, sind die Ironman-Triathlons eine Kooperation mit dem Hersteller eingegangen. Der fungiert 2021 als "Official Real-Time Energy Management System Partner" in ausgewählten europäischen Ländern, darunter Österreich. In Branchenmedien gibt es Kritik an der Haltung des Radsportverbands.

Diabetiker-Profiteam

Für Diabetiker, die auf die Sensoren angewiesen sind, soll dem Vernehmen nach eine Ausnahme vom Verbot ermöglicht werden. So gibt es mit dem Team Novonordisk aus den USA seit 2008 ein Profiradteam, dessen Mitglieder allesamt Typ-1-Diabetiker sind. Ihr Ziel ist neben dem sportlichen Erfolg, das Bild von Diabetikern zu verändern. Typ-1-Diabetikern fehlt das lebenswichtige Hormon Insulin. Bei der Autoimmunerkrankung zerstört das Immunsystem die insulinproduzierenden Betazellen in den Langerhans-Inselzellen der Bauchspeicheldrüse. (Steffen Arora, 9.8.2021)