Der Unmut über strengere Regeln und eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal wächst.

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Paris – In Frankreich wächst der Unmut über strengere Corona-Regeln und die Impfpflicht für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen. In Paris und anderen Städten waren am Samstag fast eine Viertelmillion Menschen auf den Straßen, um gegen die Corona-Politik von Präsident Emmanuel Macron zu demonstrieren. Das Innenministerium bezifferte die Zahl der Teilnehmer landesweit auf etwa 237.000 – so viele wie noch nie seit Beginn der neuen Proteste vor einem Monat.

Es war das vierte Wochenende mit Massenkundgebungen in Folge. In der Hauptstadt Paris waren nach offiziellen Angaben 17.000 Demonstranten unterwegs. Die Kundgebungen gegen die Impfpflicht für das Personal im Gesundheitswesen sowie den Gesundheitspass mit Corona-Einschränkungen verliefen weitgehend friedlich. Erst am Donnerstag hatte Frankreichs Verfassungsrat die strengeren Maßnahmen gebilligt. Sie treten am Montag in Kraft.

Ein Schwerpunkt der Proteste lag diesmal im Süden, wo die Zahl der Neuinfektionen derzeit besonders hoch ist. Zwischen Montpellier und Nizza sollen nach Polizeiangaben etwa 47.000 Menschen auf die Straße gegangen sein, davon 19.000 in Toulon und 10.000 in Nizza. In einzelnen Gegenden gelten dort wieder strengere Regeln wie Maskenpflicht im Freien oder frühere Schließzeiten für Geschäfte.

Digitaler Pass

Die Vorlage des digitalen Gesundheitspasses, der Aufschluss über einen Negativtest oder eine Impfung gibt, wird in Frankreich bereits im Kino und bei Großveranstaltungen verlangt. Künftig ist er auch zum Besuch von Restaurants und Bars und bei Reisen per Flugzeug oder Fernzug erforderlich. Die neuen Regeln hatte Macron bereits Mitte Juli angekündigt. Seither reißen die Proteste nicht mehr ab.

In der Tageszeitung "Le Parisien" kündigte Gesundheitsminister Olivier Véran zumindest leichte Änderungen an den bisherigen Plänen an. Beispielsweise gelten Negativtests nun 72 statt 48 Stunden. Die Corona-Situation ist generell angespannt, die Zahl der Neuansteckungen pro 100.000 Personen lag zuletzt innerhalb einer Woche bei gut 230.

Sorge über Proteste

In dem Land mit 67 Millionen Einwohnern sind inzwischen etwa 63 Prozent mindestens einmal geimpft, mehr als die Hälfte der Bevölkerung bereits zweimal. Trotzdem wächst die Sorge über das Ausmaß der Proteste. Mitten in der Urlaubszeit seien solche Teilnehmerzahlen ungewöhnlich, sagte David Le Bars, Generalsekretär der Polizeigewerkschaft SCPN, im Radiosender France Info. Der Herbst könne "etwas kompliziert" werden.

Auch der Politologe Jérôme Fourquet blickt den nächsten Monaten mit Sorge entgegen. Man könne bei der Anti-Corona-Bewegung durchaus Parallelen zur Gelbwesten-Bewegung ziehen, die monatelang gegen die Sozialreformen der Regierung demonstrierte, sagte er im Fernsehsender LCI. Die Bewegung sei ebenfalls ohne Rückhalt der Gewerkschaften und ohne selbsternannte Anführer entstanden. Sie vereine Menschen mit unterschiedlichem soziologischem und ideologischem Hintergrund. Eine weitere Gemeinsamkeit sei das Misstrauen gegenüber der Regierung, vor allem gegenüber Macron. (APA, 8.8.2021)