Am Sonntag erinnerte die belarussische Diaspora in Kiew an den jüngst verstorbenen Aktivisten Witali Schischow – es besteht Mordverdacht.

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Minsk – Belarus (Weißrussland) und damit natürlich Alexander Lukaschenko halten Europa in Atem. Seit Wochen lässt der Machthaber Flüchtlinge und Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika ins Land fliegen, um sie dann nach Litauen und so in die EU zu schicken. Tausende illegale Grenzübertritte wurden schon registriert, bis Ende des Sommers vielleicht zehntausende.

Den Bau eines litauischen Zauns an der 680 Kilometer langen Grenze zu Belarus und Zurückweisungen von Migranten ebendort beantwortete Lukaschenko, indem er Ende vergangener Woche eine Grenzschließung veranlasste. Damit will er verhindern, dass Zurückgewiesene wieder zurück auf sein Territorium gelangen.

Sondersitzung der EU

Was das genau für die Flüchtlinge und Migranten im Grenzgebiet bedeutet, ob sie von einem Land ins andere und wieder zurück gedrängt werden, ist unklar. Fakt ist, dass in Litauen gegen die Neuankömmlinge demonstriert wird und dass die EU-Partnerländer Grenzbeamte – 13 wurden von Österreich entsandt – oder Material zur Fertigstellung des Grenzzauns schicken. Fakt ist auch, dass für 18. August eine Sondersitzung der EU-Innenminister anberaumt wurde, um über die neue Migrationskrise zu beraten.

Als gesichert gilt, dass all dies Lukaschenko als Revanche sieht für EU-Sanktionen. Die wiederum waren eine Antwort auf Lukaschenkos aufsehenerregendes Manöver, eine Ryanair-Maschine zur Landung in Minsk zu zwingen, um den darin sitzenden oppositionellen Blogger Roman Protassewitsch festzunehmen.

Neue Sanktionen angedroht

Anlässlich des Jahrestags des Beginns der Proteste in Belarus und angesichts der Situation in Litauen hat die EU jetzt weitere Sanktionen angedroht. "Die EU ist bereit, angesichts der eklatanten Missachtung internationaler Verpflichtungen durch das Regime weitere Maßnahmen in Erwägung zu ziehen", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntag im Namen der 27 Mitgliedsstaaten.

Am 9. August 2020 hatte sich Lukaschenko trotz massiver Vorwürfe der Wahlfälschung zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Die darauffolgenden Massenproteste ließ er brutal niederschlagen, tausende Demonstranten und Oppositionelle einsperren. Bereits dafür hatte die EU Sanktionen verhängt, was unter anderem dazu führte, dass Lukaschenko sich verstärkt Russland und somit seinem Amtskollegen Wladimir Putin zuwandte.

Von Tokio nach Polen

Weitere Schlagzeilen verursachte Belarus vergangene Woche, als die Sprinterin Kristina Timanowskaja von den Olympischen Spielen in Tokio nach Hause fliegen sollte, weil sie Kritik an den Trainern geübt hatte. Dies verhinderte die japanische Polizei, mittlerweile fand sie über den Umweg Wien Zuflucht in Polen.

Und nahezu zeitgleich wurde der in Kiew lebende belarussische Dissident Witali Schischow tot aufgefunden – erhängt an einem Baum in einem Park. Die Polizei ermittelt wegen Mordverdachts. (ksh, 8.8.2021)