Am Sonntag gingen die Olympischen Spiele in Tokio zu Ende.

Foto: Imago/Joe Giddens

Sayonara – doch die großen Aufreger der 32. Olympischen Sommerspiele hallen nach. Tokio hatte einiges zu bieten. Das Tolle am Sport ist unter anderem die Tatsache, dass in diesem kleinen Ausschnitt oft auch das große Ganze sichtbar wird.

Die Flucht der Sprinterin Kristina Timanowskaja führte vor Augen, wie furchtbar die Lage in Belarus ist. Ein Jahr nach den von Diktator Alexander Lukaschenko manipulierten Wahlen ist dieses Thema vielen schon wieder egal gewesen. Man gewöhnt sich halt schnell selbst an Berichte von grausamer Brutalität, mit der Lukaschenko gegen seine Gegner vorgeht. Oder man verhält sich weitgehend auch deshalb ruhig, weil man selbst mit einem solchen Regime dealt – den Vorwurf muss sich als einer der größten Investoren in Belarus auch Österreich gefallen lassen. Danke, Kristina Timanowskaja!

Mentale Gesundheit geht vor

Die US-Turnerin Simone Biles, hatte es in allen Prognosen geheißen, würde Gold nur so abräumen und einer der großen Stars der Spiele werden. Am Ende stand Biles mit einer Bronzemedaille da, sie hat nicht abgeräumt, sondern aufgeräumt – nämlich damit, dass Menschen zu funktionieren haben. Diese Annahme ist in der Sportwelt, bei TV-Sendern, Sponsoren und im Publikum, so verbreitet wie in der Arbeitswelt. Biles trat von fast allen Bewerben zurück. Flott wurde sie von vielen als Nervenbündel hingestellt. "Körperliche Gesundheit ist mentale Gesundheit", betonte sie. Danke, Simone Biles!

Der letzte große Aufreger ging auf mittelschwere Gertenhiebe zurück, die Fünfkämpferin Annika Schleu einem Pferd gegeben hatte, und auf "Hau drauf"-Rufe ihrer Trainerin. Das war natürlich keine Werbung für den Sport, aber es war auch kein Verbrechen. "Tierquälerei!" und "Abschaffen, abschaffen, abschaffen!", tönte es netzauf, netzab, und damit war gleich der gesamte Pferdesport gemeint.

Die Reiterin bekam Hassbotschaften und Drohungen, vielen galoppierten mit der Empörung die Finger davon. Dabei wäre vielleicht auch Verständnis angebracht gewesen. Das zugeloste Pferd hatte schon mit seiner vorigen Reiterin dreimal verweigert. Schleu befand sich in einer emotionalen Ausnahmesituation, hatte Gold vor Augen, fiel nach jahrelanger Vorbereitung in wenigen Sekunden um alle Chancen um.

Tierschutz

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und den Weltverband im Modernen Fünfkampf kann und soll man kritisieren. Er lukriert nicht wenig Geld aus den olympischen Töpfen, und doch lässt er es zu, dass Sportlerinnen mit Pferden, an die sie sich nur zwanzig Minuten gewöhnen konnten, über Hindernisse gehen. Das ist absurd und gefährlich für Tier und übrigens auch Mensch. Eine Lehre aus Tokio? Dieses Reglement gehört dringend überarbeitet. Eine andere? Dann und wann schadet es nicht, ein bisserl nachzudenken, bevor man sich empört. Danke, Annika Schleu!

Es wäre wegen der Relationen. Um beim Tierschutz zu bleiben: Schweinehaltung auf Vollspaltenböden wäre auch ein aktuelles Thema. Viele Länder haben die grausame Praxis verboten, in Österreich ist sie immer noch erlaubt. Abschaffen, abschaffen, abschaffen! Doch in dem Zusammenhang sind die Rufe viel weniger laut. Tierschützer haben halt das Problem, dass sie selbst filmen müssen und die tatsächlich schwer misshandelten Schweine nicht bei den Olympischen Spielen im Einsatz sind. (Fritz Neumann, 8.8.2021)