Favorit und ÖVP-Wunschkandidat als nächster ORF-Generaldirektor: Roland Weißmann.

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Wien – Bei der Wahl des neuen ORF-Generaldirektors im ORF-Stiftungsrat am Dienstag zeichnet sich eine deutliche Mehrheit für TV-Chefproducer und ORF.at-Geschäftsführer Roland Weißmann ab. Nach letzten informellen Gesprächen zwischen Türkis und Grün am Wochenende werden laut APA-Informationen auch die drei grünen Stiftungsratsmitglieder den ÖVP-Wunschkandidaten unterstützen.

Die Wahl am Dienstag findet im obersten ORF-Gremium in offener Abstimmung statt. Insgesamt haben sich 14 Personen für den Chefposten beworben. Als aussichtsreichste Bewerber galten der amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz, ORF-1-Channelmanagerin Lisa Totzauer und Weißmann, der auf Basis der türkisen Unterstützung bald die Favoritenrolle übernahm. Daneben bewarb sich aus dem ORF auch noch der stellvertretende Technikdirektor Thomas Prantner.

Für eine Mehrheit im Stiftungsrat braucht es 18 Stimmen. Die Mitglieder werden von Regierung (9), Parlamentsparteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (6) und Zentralbetriebsrat (5) beschickt und sind – abgesehen von einzelnen Ausnahmen – in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert.

Zweidrittelmehrheit

Der türkise "Freundeskreis" hat in den vergangenen Jahren im obersten ORF-Aufsichtsorgan eine zentrale Rolle erlangt. 16 der 35 Gremienvertreter gelten als ÖVP-nah, dazu kommen zwei bis vier weitere türkisnahe unabhängige Stiftungsräte. Die Bürgerlichen werden am Dienstag dem Vernehmen nach geschlossen für Weißmann stimmen. Mit den drei grünen Stiftungsräten und einem weiteren unabhängigen, von der Regierung entsandten Mitglied dürfte Weißmann mit bis zu 23 Stimmen an die Zweidrittelmehrheit herankommen und zum neuen ORF-Chef bestellt werden.

Der ORF-Stiftungsrat.

Eine offizielle Bestätigung für die akkordierte türkis-grüne Unterstützung gab es vorerst nicht. Die Grünen dürfen sich für die Wahl von Weißmann laut APA-Infos zwei von vier ORF-Direktoren – Programm und Finanzen – auf ihre Fahnen heften; DER STANDARD berichtete bereits. Sie plädieren dabei für unabhängige und erfolgreiche ORF-Persönlichkeiten, die bereits gezeigt haben, dass sie Sender kompetent führen können, wie aus dem Stiftungsrat zu hören war. Entsprechende Chancen werden etwa Ö3-Chef Georg Spatt und ORF-3-Geschäftsführerin Eva Schindlauer eingeräumt.

Die Ausschreibung für die vom neuen Generaldirektor vorgeschlagene Geschäftsverteilung erfolgt ebenfalls am Dienstag, die Wahl der Direktoren sowie der neun Landesdirektoren findet am 16. September statt. Die fünfjährige Amtsperiode des neuen ORF-Chefs und seines Teams beginnt am 1. Jänner 2022. Bis dahin führt Alexander Wrabetz jedenfalls die Geschäfte weiter.

SPÖ und Neos alarmiert

Die kolportierte Festlegung auf Weißmann sorgte für erste politische Reaktionen. "Damit bestätigen sich die Befürchtungen, dass Kurz (Anm. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)) versucht, den ORF unter seine Kontrolle zu bekommen. Medien- und demokratiepolitische Fragen und Pressefreiheit interessieren ihn nicht", so SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried in einer Aussendung. Von den Grünen zeigte er sich enttäuscht: "Es geht um das wichtigste Medienunternehmen des Landes, es geht um Pressefreiheit und Demokratie. Das müsste den Grünen wichtiger sein als irgendwelche koalitionsinternen Brosamen." Nun sei es wichtig, die Unabhängigkeit der Redaktion zu stärken – etwa mit einem stärkeren Redaktionsstatut, das den Journalisten bei der Personalbesetzung mehr Mitsprache einräumt, meinte der SPÖ-Mediensprecher.

Das Gezerre rund um die ORF-Wahl zeige Reformbedarf auf, hielt Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter in einer Aussendung fest. Die Bestellung der Leitung müsse auf neue, transparente und unpolitische Beine gestellt werden. "Die Frage nach der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist zu wichtig, als dass wir sie dem System Kurz überlassen dürfen", so Brandstötter. Die Neos fordern eine Gremienreform. Aus dem obersten ORF-Stiftungsrat solle eine "echte Hauptversammlung" werden. "Diese setzt sich durch geloste Personen aus der Bevölkerung, Repräsentantinnen und Repräsentanten von Institutionen der Zivilgesellschaft und einer Person pro Parlamentsklub zusammen und sorgt für eine transparente und faire Bestellung. Damit nicht mehr nur zählt, wen man kennt, sondern was man kann", skizzierte Brandstötter. (APA, 9.8.2021)