Lisa Totzauer: "Ich bin quasi ein Produkt des ORF. Ich weiß, was es braucht."

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KANDIDATEN ÜBER IHRE BEWERBUNG

"Ich habe gezeigt, dass ich das Unternehmen in schwierigen Zeiten führen kann. Ich habe wichtige Zukunftsprojekte begonnen und habe große Lust und Freude, diese in die Tat umzusetzen." (Alexander Wrabetz über seine Wiederkandidatur)

"Ich habe mich heute hier beworben, weil ich davon ausgehe, dass ich gewinne." (Roland Weißmann bei seiner Pressekonferenz)

"Der ORF muss in den nächsten Jahren digitaler, jünger und diverser werden." (Roland Weißmann bei seiner Pressekonferenz)

"Ich bin quasi ein Produkt des ORF. Ich weiß, was es braucht." (Lisa Totzauer anlässlich der Bekanntgabe ihrer Bewerbung)

"Ich bin aber überzeugt davon, dass es entscheidend ist, noch näher an das Publikum heranzurücken und transparent mit Entscheidungsprozessen und Inhalten umzugehen." (Lisa Totzauer in Interviews)

"Ich habe mich für eine Bewerbung entschieden, weil ich seit 33 Jahren in unterschiedlichsten Management-Funktionen und Bereichen des ORF tätig war und ich dieses Haus sehr gut kenne." (Thomas Prantner bei Ankündigung seiner Bewerbung)

DISKUSSION UM STIFTUNGSRAT, PARTEINÄHE UND POLITISCHEN EINFLUSS

"Alle fünf Jahre ist es wirklich frustrierend, für den ORF zu arbeiten. Es gibt wirklich spannende Medienleute in Österreich und Deutschland – aber keiner von ihnen bewirbt sich für die ORF-Generaldirektion, weil allen klar ist, dass der Job politisch ausgedealt wird. Es ist zum Weinen." ("ZiB2"-Anchorman Armin Wolf schaltete sich auf Twitter zur ORF-Wahl ein)

"In Europa sieht man eine ganz klare Tendenz: Je nördlicher das Land liegt, desto unabhängiger ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk von der Politik, je südlicher, umso abhängiger ist er. Im Vergleich zur geografischen Lage von Österreich sind wir, was die Nähe zur Politik betrifft, leider etwas südlicher positioniert, als wir es sein sollten." (Ehemaliger ORF-Generaldirektor Gerhard Zeiler im "Kurier")

"Das ORF-Gesetz macht die politische Kontrolle – vor allem durch die Regierungsparteien – erst möglich. (...) Und so kommt die ÖVP mit 37 Prozent bei der letzten Nationalratswahl auf so gut wie 100 Prozent Einflussmöglichkeit auf die ORF-Geschäftsführung." (ORF-Redakteurssprecher Dieter Bornemann bei der Verleihung der Concordia-Preise)

"Es geht nicht um die besten Ideen. Es geht darum: Wen will Bundeskanzler Sebastian Kurz am Chefsessel des ORF haben. (...) Zu glauben, die ORF-Führung wird ohne die Zustimmung des Bundeskanzlers bestellt, ist nahezu naiv." (ORF-Redakteurssprecher Dieter Bornemann)

"Wegen Erfolgs abgewählt zu werden ist keine Begründung." (Alexander Wrabetz sieht die Checks and Balances des ORF-Gesetzes bei einem "NEOS Lab Talk" derzeit ausgehebelt)

"Es hat noch nie einen Mann wie den Medienbeauftragen im Kanzleramt gegeben, der über alle Medienbudgets, Medienförderungen und letztlich auch im Detail über alles, was beim ORF passiert, entscheiden kann. Das ist schon eine Machtzusammenballung, die möglicherweise verleitet, Dinge zu tun, die nicht richtig sind. Deswegen hoffe ich noch, dass man seitens der Türkisen sagt, die ihnen nahestehenden Stiftungsräte sollen einfach ihre Entscheidung so treffen, wie es für das Unternehmen am besten ist." (Alexander Wrabetz in oe24.tv)

"Ohne Wenn und Aber: Das ist nicht mehr zeitgemäß, und ich erachte es als problematisch. Parteien spielen bei der Besetzung der öffentlich-rechtlichen Positionen zu Recht eine Rolle. Das ist auch in Deutschland so. Aber niemals in einem Ausmaß, das einer Partei erlaubt, durchzumarschieren und den Generaldirektor zu bestimmen." (SWR-Intendant Kai Gniffke im APA-Interview zur Zusammensetzung des Stiftungsrats)

"Der Stiftungsrat soll ein wirklicher Aufsichtsrat werden, der zur Hälfte politisch, zur anderen von Organisationen beschickt wird – wie in Deutschland bei ARD und ZDF" (Grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger in der "Tiroler Tageszeitung")

"Ich habe die Sorge, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den künftigen ORF-Generaldirektor im Alleingang bestimmen will. (...) Hier geht es um die Unabhängigkeit des größten und wichtigsten Medienunternehmen des Landes und damit auch um den Zustand der Medienfreiheit im Land – die darf nicht der türkisen Message Control geopfert werden" (SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried warnt vor einer "Orbánisierung" des ORF.)

"Durch das derzeitige System ist der Stiftungsrat de facto eine Spielwiese der Bundesregierung und momentan durch den Überhang an ÖVP-Stimmen ein reines Sammelbecken für Parteigänger der Volkspartei. Das soll in Zukunft anders werden." (Christian Hafenecker, Mediensprecher der FPÖ, im Interview mit der "Kleinen Zeitung")

"Aber wenn Sie mich fragen, ob ein 35-köpfiger Rat für den ORF das Beste ist, muss ich Ihnen ehrlich sagen, dass ich mir eine andere Struktur wünschen würde." (Lothar Lockl, der für die Grün-nahen ORF-Stiftungsräte spricht, im Interview mit den "Salzburger Nachrichten")

"Ich bin überzeugt, dass diese 35 Personen nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis von Inhalten und unabhängig entscheiden werden." (Lisa Totzauer zeigt sich gelassen)

"Der ORF muss sich seine Seriosität und Unabhängigkeit behalten. Kandidaten haben es nicht verdient, sofort in Parteinähe gerückt zu werden." (Lothar Lockl, der für die Grün-nahen Stiftungsräte spricht)

"Ich werde nicht jede Etappe kommentieren. Der Prozess ist klar definiert, und dem werden wir folgen." (Thomas Zach, Leiter des türkisen "Freundeskreises" hielt sich mit Aussagen im Vorfeld der Bestellung zurück)

WEIßMANN, DER ÖVP-WUNSCHKANDIDAT?

"Ich bin kein Kandidat einer Partei. Ich fühle mich zu hundert Prozent dem ORF und seinem Publikum verpflichtet." (Favorit Roland Weißmann)

"Es ist die Zeit der Zuspitzung." (Roland Weißmanns Erklärung für die ihm häufig von Journalisten attestierte ÖVP-Nähe)

"Wenn der Kanzlerbeauftragte für Medien, Gerald Fleischmann (ÖVP), Gast in bürgerlichen Freundeskreissitzungen ist, würde ich schon erwarten, dass er sich klarer distanziert." (SPÖ-"Freundeskreisleiter" Heinz Lederer fordert von Weißmann ein Unabhängigkeitsbekenntnis ein)

"Das Besondere ist, dass erstmals aufgrund bestimmter Arithmetik eine Gruppe alleine bestellen kann und nicht einmal diese Gruppe – was man so hört – das demokratisch unter sich ausgemacht hat, sondern dass dort ein Externer gesagt hat 'Das ist der Kandidat und dieser ist zu bestellen' (...) Es ist jetzt allgemein bekannt. Der Medienbeauftragte im Bundeskanzleramt. Fleischmann heißt er." (Alexander Wrabetz bei der Puls 24-Elefantenrunde)

"Ich habe natürlich nicht davon gehört." (Roland Weißmanns Reaktion bei der Puls 24-Elefantenrunde auf die Frage, ob er von diesem Vorgehen Fleischmanns gehört habe)

"Es ist offenbar Wahlkampf, in den ich mich nicht einmischen will. Der Stiftungsrat ist ein unabhängiges Gremium, das seine Entscheidungen eigenständig trifft." (Medienbeauftragter im Bundeskanzleramt Gerald Fleischmann (ÖVP) verweist in der "Kronen Zeitung", wie zuvor schon Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beim Sommerministerrat, auf die Zuständigkeit des Stiftungsrats)

WEISSMANN UND DER GENERALSEKRETÄR

"Es lohnt, darüber nachzudenken." (Weißmann bei seiner Antrittspressekonferenz auf STANDARD-Anfrage, ob er einen Generalsekretär installieren wird, in der ORF-Historie vor allem eine Polit-Verbindungsfunktion, die der General ohne Stiftungsrat besetzen kann.)

"Zweimal nein." (Weißmann am Tag nach seiner Pressekonferenz zum STANDARD, ob er nun einen Generalsekretär plant und ob das Richard Grasl, früher Finanzdirektor im ORF und Weißmanns Chef, sein könnte. )

"Kein Interesse an einer Rückkehr. Es geht mir im 'Kurier' sehr gut." (Der heutige Kurier-Vizechefredakteur Richard Grasl über ORF-Spekulationen.)

DISKUSSION UM OFFENE ABSTIMMUNG BEI ORF-WAHL

"Es ist ein grundlegender demokratischer Standard, dass wichtige Funktionen geheim gewählt werden. Das ist in jedem kleinen Verein so üblich. Daher muss es erst recht für das größte und einflussreichste Medienunternehmen des Landes gelten." (FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl)

"Gut, dass die FPÖ nun eine Änderung fordert, die sie 2001 selbst herbeigeführt hatte, als sie – gemeinsam mit der ÖVP – die geheime Wahl abgeschafft hat." (Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter reagiert auf den Vorstoß)

"Sonst läuft die persönliche Verantwortlichkeit und damit die persönliche Haftung ins Leere." (Gesellschaftsrechtler Martin Schauer verweist im STANDARD darauf, dass Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften, denen der Stiftungsrat nachgebildet ist, gemeinhin offen oder nachvollziehbar abstimmen).

ABSTIMMUNGSVERHALTEN DER STIFTUNGSRÄTE

"Jeder, der gegen die Parteilinie stimmt, riskiert natürlich Nachteile in seinem privaten, sozialen oder beruflichen Umfeld. Offenbar finden sich genug Leute, die sich so unter Druck setzen lassen." (Verfassungsrechtler Heinz Mayer in der "Presse" zum Abstimmverhalten der Stiftungsräte)

"Der ORF ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und darf niemanden diskriminieren. (...) Wenn der Beste übergangen wird und jemand genommen wird, der weniger qualifiziert ist, dann gibt es einen Schadenersatzanspruch des Betreffenden. Da haftet meines Erachtens neben dem ORF auch jedes Mitglied des Stiftungsrats, das für diese Bestellung gestimmt hat." (Verfassungsrechtler Heinz Mayer zum Stimmverhalten der Stiftungsräte)

"Ich hafte nicht, wenn ich aufgrund einer angemessenen Information eine unternehmerische Entscheidung treffe und annehmen darf, im Interesse des Unternehmens zu handeln." (Gesellschaftsrechtler Martin Schauer zur Haftungsfrage im STANDARD über das "Business Judgement Rule" – jedenfalls im Gesellschaftsrecht).

INTERNE UND ÖFFENTLICHE STREITEREIEN

"Die Konzentration von Entscheidungsverantwortung in der Generaldirektion sorgt für ein Verantwortungsvakuum in den darunter liegenden Führungsebenen. Bei allem Verständnis für konsensuale Entscheidungsfindungen: Sie können auch ein Zeichen von Mutlosigkeit sein und führen zu Verschleppung und Stillstand." (Roland Weißmann in seinem Bewerbungskonzept über die Amtsführung von Alexander Wrabetz)

"Aber bei der ORF-Ausschreibung ist es klar, dass Roland Weißmann, der ein ordentlicher Abteilungsleiter ist, zum Beispiel die ausgewiesene Erfahrung in der Unternehmensführung bis jetzt nicht hatte. Insofern kann es dann sein, wenn er gewählt würde, dass seine Qualifikationen für diese Ausschreibung geringer wären als jene von Schmid bei der ÖBAG." (ORF-Chef Alexander Wrabetz bei oe24.tv über die Qualifikation seines aussichtsreichsten Mitbewerbers)

"Das ist so elastisch ausgelegt, da muss man kein Großunternehmen geführt haben." (Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal im "Kurier" zur Ausschreibung für den ORF-Generaldirektorenposten)

"Aus meiner Sicht erfülle ich die Ausschreibungskriterien. Ich darf daran erinnern, dass ich vor zehn Jahren die Gesamtprokura bekommen habe und auch als Geschäftsführer einer ORF-Tochter im Firmenbuch stehe." (Roland Weißmann bei der Puls 24-Elefantenrunde)

"Ich respektiere eure Bewerbungen natürlich, aber bitte hört auf, aus euren Titeln 'stellvertretender Direktor' oder 'Vizedirektor' mehr zu machen, als es jemals war. (...) Mit diesen Titeln war immer Ehre, aber, wie ihr wisst, niemals reale Entscheidungskompetenz verbunden." (Alexander Wrabetz in einer Mail an Mitbewerber Thomas Prantner und Roland Weißmann)

"Vielleicht wäre es zielführender, deine eigene Leistungsbilanz als ORF-1-Chefin in den Vordergrund zu stellen, anstatt die erfolgreiche Arbeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus anderen Konzernbereichen zu kritisieren." (Die ORF-III-Führung rund um Peter Schöber und Eva Schindlauer ist vergrämt über Totzauers Aussagen zu ORF III und bezeichnen diese als "befremdlich, um nicht zu sagen rufschädigend")

INFORMATIONSDIREKTION

"Information ist unser sensibelstes Ressort, darum muss es beim Generaldirektor angedockt sein. Das ist Chefsache." (Roland Weißmann bei einer internen ORF-Präsentation)

"Vielleicht ist die Generaldirektion in der Situation, ein Gesetz zu verhandeln. Gleichzeitig könnte ein äußerst unangenehmer Untersuchungsausschuss im Gange sein. Ich halte das in Hinblick auf unsere Glaubwürdigkeit als schwierige Situation." (Lisa Totzauer warb bei einem "NEOS Lab Talk" für ihre Idee, künftig Generaldirektion und Informationsdirektion zu trennen)

NEWSROOM-FÜHRUNG

"Wurscht, wie die Wahl ausgeht, das ist umzusetzen, alles andere kostet Geld und Motivation". (Alexander Wrabetz unterstreicht im Betriebsratshearing, dass er noch in seiner Amtszeit bis Jahresende die Führung und Ressorleitungen im neuen Newsroom bestellen wird.

(APA, red, 9.8.2021)