Nach zwölf Tagen sind in der Türkei insgesamt 16 Löschflugzeuge, etliche Hubschrauber und besser koordinierte Kräfte am Boden im Einsatz, um die Brände zu bekämpfen.

Foto: imago images/Xinhua

Ömer E. lässt seine Handykamera durch eine große Halle in Bodrum, einem der Brandhotspots der letzten zehn Tage, kreisen. Er zeigt Berge von Wasserflaschen, Lebensmittelkisten, aber auch neuen Schaufeln und neuen Feuerlöschern, die dort zu Hunderten gestapelt sind. Diese Halle ist das von einer Privatinitiative errichtete Krisenzentrum in der Urlaubsmetropole Bodrum, wo Spenden gesammelt werden, die den Opfern der Brandkatastrophe zugutekommen sollen, aber auch Material bereitgestellt wird für Freiwillige, die sich an der Bekämpfung der letzten Brandherde in der Region beteiligen wollen. Hunderte vor allem junge Leute haben sich hier in den letzten Tagen engagiert und die oft hoffnungslos überforderte Feuerwehr unterstützt.

Ohne die Freiwilligen, sagt Nihat G., der in Bodrum in der Kommunalpolitik engagiert ist, wäre die Katastrophe noch weit schlimmer ausgefallen. "Wir haben die Lücken gefüllt, die die Regierung bei der Brandbekämpfung gelassen hat." Nicht nur in Bodrum, auch in Marmaris und den Dörfern im Hinterland von Antalya waren vor allem die Bevölkerung und Freiwillige, die aus allen Teilen des Landes anreisten, bei der Brandbekämpfung aktiv. Nur so konnten etliche Dörfer vor der völligen Vernichtung gerettet werden, nur weil zivile Helferinnen und Helfer mitgeholfen haben, Schneisen rund um Dörfer zu schlagen, konnte an vielen Stellen verhindert werden, dass die Brände auf die Häuser übergriffen.

Löschflugzeuge aus dem Ausland

Gelöscht werden konnten die meisten Großbrände an der türkischen Mittelmeer- und Ägäisküste aber erst, als nach langen, apokalyptischen zehn Tagen endlich Löschflugzeuge aus dem Ausland eintrafen. "Uns haben sechs Löschflugzeuge aus der Ukraine und Spanien gerettet", berichtet Selçuk M. aus Bozburun, einem Fischerdorf südwestlich von Marmaris, dem anderen Brandhotspot neben Bodrum, am Telefon. Die Urwälder in den zerklüfteten Bergen zwischen Marmaris und Datça sind in den zehn Tagen, die der Staat die Leute vor Ort alleine gelassen hat, weitgehend abgebrannt. "Du traust deinen Augen nicht", erzählt Selçuk, "wenn du die seit zwei Tagen wieder geöffnete Straße nach Marmaris entlangfährst. Wo vorher grüne Wälder prunkten, ist jetzt nur noch eine graue Mondlandschaft, in der die verkohlten Bäume wie Mahnmale einer vergangenen Zeit stehen."

Am Montag brannten zwar an einigen Stellen immer noch die Wälder, die größten Brände im Raum Antalya, Marmaris und Bodrum sind aber mittlerweile unter Kontrolle. Oft aber auch, "weil es nichts mehr gibt, was noch brennen könnte", wie Selçuk sagt. In Antalya hat am Samstag ein heftiger Regen geholfen, die letzten Brandherde zu löschen; so weit ist es in Marmaris und Bodrum noch nicht.

Besser koordinierte Kräfte

Doch nach zwölf Tagen verheerender Brände sind nun endlich insgesamt 16 Löschflugzeuge, etliche Hubschrauber und besser koordinierte Kräfte am Boden im Einsatz, um die immer wieder aufflammenden Brände zu bekämpfen. Es habe den Eindruck, dass das Schlimmste überstanden ist, sagt Nihat G. aus Bodrum. Doch die Menschen, die nun auf den Trümmern ihrer Existenz sitzen, sind unendlich wütend über die mangelnde Hilfe aus Ankara. "Wo waren unsere Löschflugzeuge?" war die häufigste Frage in den betroffenen Gebieten. Die Türkei hatte bei Amtsantritt der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan 2002 noch 16 intakte Löschflugzeuge. Die verrotteten, weil die Betreiber der Luftflotte angeblich der oppositionellen CHP nahestehen. Als die Katastrophe vor zwölf Tagen begann, hatte die Türkei deshalb kein einziges einsatzfähiges Löschflugzeug.

Statt auf die Fragen eine Antwort zu geben, wurden die Kritiker mundtot gemacht. Die staatliche Medienaufsicht verbot Fernsehsendern an vielen Orten zu filmen, angeblich um keine "Panik zu verbreiten". Bereits zu Beginn der Brände hatten einige Leute einen Hashtag "Help Turkey" installiert, über den zivile Unterstützung im In- und Ausland mobilisiert wurde. Gegen die Initiatoren wird jetzt wegen "Verunglimpfung der Türkei" ermittelt, weil die Türkei "ein starkes Land ist und keine Hilfe braucht", wie ein Regierungssprecher sagte. Doch die Brände werden auch in der politischen Landschaft ihre Spuren hinterlassen. Erdoğans Umfragewerte, schon länger unter Druck, sind nach einem völlig missratenen Auftritt in Marmaris vor einigen Tagen noch einmal abgesackt. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 9.8.2021)