Auf den Klimademos wird die Politik zum Handeln aufgefordert.

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Der Klimawandel vollzieht sich schneller und folgenschwerer als bisher angenommen – das ist das Ergebnis des ersten Teils des neuen Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC. "Wir müssen handeln." Das steht nicht nur für den UN-Ausschuss für Klimawandel fest, sondern auch für Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen: "Wir alle sind bereits heute von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen." Die immer häufiger und intensiver auftretenden Unwetterereignisse in Österreich, Europa und weltweit würden zeigen, dass es engagierte Klimaschutzpolitik braucht. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betont: "Handeln wir nicht und geben wir das Heft aus der Hand, dann sind wir durch globalen Temperaturanstieg, steigenden Meeresspiegel und Extremwetter weiteren irreversiblen Konsequenzen ausgesetzt, mit zahlreichen dramatischen sozialen Folgen."

Der am Montag erschienene Bericht des Weltklimarats spricht eine klare Sprache: Die Klimaerwärmung schreitet schneller voran als bisher angenommen, extreme Wetterereignisse werden häufiger auftreten. Die ZAMG rechnet für Österreich vor, dass es ohne Trendumkehr bis 2100 zu einem Temperaturanstieg von mindestens fünf Grad kommen wird. "Der Bericht muss die Totenglocke für Kohle und andere fossile Brennstoffe sein, bevor sie unseren Planeten zerstören. Wenn wir unsere Kräfte jetzt bündeln, können wir die Katastrophe abwenden", erklärte UN-Generalsekretär Antonio Guterres in New York.

ÖVP will mehr Investitionen und raschere Genehmigungsverfahren

Doch auch wenn die Dringlichkeit der Klimakrise von allen bejaht wird, fallen die Lösungsansätze der Parlamentsparteien unterschiedlich aus. So hält es Karlheinz Kopf von der ÖVP, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), für dringlich, große Mengen an erneuerbarer Energie herzustellen und die dafür notwendigen Stromleitungen und Speichermöglichkeiten zu errichten. "Hier brauchen wir so rasch wie möglich die nötigen Investitionen", sagt Kopf. Außerdem brauche es raschere Genehmigungsverfahren bei größeren klimarelevanten Projekten.

Auch Magnus Brunner, Staatssekretär im Umweltministerium, hält Investitionen für den Schlüssel. Das vor kurzem beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz müsse mit Leben erfüllt und die Infrastruktur dafür errichtet werden. Deshalb sollten UVP-Verfahren im Energiebereich maximal zwei Jahre dauern, so Brunner: "Wir brauchen Tempo, keine Verzögerungen."

Opposition sieht Versäumnisse von Regierung

Für den Klima- und Umweltsprecher der Neos, Michael Bernhard, zeichnet der Weltklimarat einen dramatischen Lagebericht. "Er legt schockierend offen, wie die Welt mit offenen Augen, mit einer Mischung aus Schuldzuweisung und Achselzucken auf einen Abgrund zusteuert." Er fordert daher eine Ökologisierung des Steuersystems, die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen und eine "echte Mobilitätswende".

Auch die SPÖ sieht klar die Regierung in der Verantwortung. "Während international alle Alarmglocken schrillen, richten Türkis und Grün einander wechselseitig seit Tagen aus, wer jetzt realitätsfremder ist. Ein längst überfälliges Klimaschutzgesetz, das gesetzliche Klimaziele definiert, fehlt dabei nach wie vor", so Umweltsprecherin Julia Herr.

Mahnungen der Wissenschaft laut Aktivistin missachtet

Für Fridays for Future (FFF) war der letzte IPCC-Bericht aus dem Jahr 2018 ein maßgeblicher Faktor bei der Gründung. FFF-Aktivistin Ida Ploner forderte am Montag Verantwortung von der Politik ein: "Was in der Klimakrise passiert, ist so, als würde die Politik in der Covid-19-Pandemie jegliche Empfehlungen der Wissenschaft missachten." Es fehle ein nationales Klimaschutzgesetz, eine Liste mit allen klimaschädlichen Subventionen hätte längst vorliegen müssen, und es würden weiterhin Autobahnprojekte vorangetrieben, die vor dem Pariser Klimaabkommen geplant wurden.

Greta Thunberg, schwedische Klimaaktivistin, meldete sich auf Twitter: "Der neue IPCC-Bericht enthält keine wirklichen Überraschungen. Er bestätigt, was wir schon aus Tausenden vorherigen Studien und Berichten wissen – dass wir uns in einem Notfall befinden."

Greenpeace fordert die Europäische Kommission zudem auf, endlich notwendige Mindestmaßnahmen auf EU-Ebene einzuleiten und aus einem "Fit for 55"-Paket schleunigst ein "Fit for 65"-Paket zu schnüren: Die Reduktion um 55 Prozent der Treibhausgasemissionen sei viel zu gering angelegt, mindestens 65 Prozent seien zwingend notwendig. Von der österreichischen Bundesregierung fordert Greenpeace, "schleunigst ein umfassendes und ambitioniertes Klimaschutzgesetz sowie eine sozial abgefederte ökosoziale Steuerreform umzusetzen".

Global 2000 forderte einen "Green Deal" für Österreich. Dazu gehöre ein Klimaschutzgesetz mit einem wirksamen Sofortmechanismus und einem stufenweisen, rechtlich verbindlichen Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle bis spätestens 2040. Weiters braucht es einen Öko-Bonus für alle Haushalte, der sich aus einer CO2-Bepreisung finanziert. Das Volumen einer ökosozialen Steuerreform soll dabei fünf bis sieben Milliarden Euro betragen.

"Jede zusätzliche Erhitzung vergrößert die Intensität und Häufigkeit von Klimakatastrophen und gefährdet damit das Überleben vieler Menschen und Tierarten. Daher muss die Politik rasch handeln, bevor es zu spät ist", ergänzt Lisa Plattner, Expertin für internationale Klimapolitik beim WWF Österreich. (red, APA, 9.8.2021)