Laut der Organisation SoHo häuft sich die Gewalt gegen die LGBTQI-Community – auch im Umfeld von Pride Paraden.

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Ein besonders brutaler Fall von homofeindlicher Gewalt geht gerade durch die Medien: Ein Mann soll, nachdem er in einer Gay-Bar war, von einem Taxifahrer mit einem Schlagring attackiert worden sein. Schon zuvor soll der Fahrer den Fahrgast über dessen sexuelle Orientierung ausgefragt haben. Die Wiener Antidiskriminierungsstelle (WASt) startete also einen Aufruf: "Wir vermuten, dass es noch weitere Fälle gibt und bitten Opfer dringend um Information."

Auf Nachfrage schildert die Polizei das etwas anders: Zwar habe es eine Anzeige wegen eines Vorfalls in der entsprechenden Nacht bei der Heimfahrt aus einem Wiener Schwulenclub gegeben, allerdings habe sich die Auseinandersetzung um den Fahrtpreis gedreht. Auch die Angaben, wer zuerst gewalttätig wurde – Fahrer oder Fahrgast –, würden auseinandergehen.

Lockdown senkte Zahlen

Unabhängig vom Einzelfall aber gibt es Grund zur Sorge, dass momentan die Gewalt gegen LGBTQI-Personen ansteigt. So heißt es im Hate-Crime-Bericht, der kürzlich vom Innenministerium präsentiert wurde, dass diese Straftaten wohl in den vorliegenden Daten unterrepräsentiert sind. Der Grund: In dem Bericht, mit dem erstmals erfasst wurde, welche vorurteilsmotivierten Straftaten in welchem Ausmaß verübt wurden, wurde der Zeitraum zwischen November 2020 und April 2021 untersucht.

Im November 2020 schlossen bekanntlich die Lokale wieder ihre Pforten, weil das Land in eine Corona-Welle schlitterte. Der Studienautor geht davon aus, dass das die "Häufigkeit von Straftaten mit Opfern aus der LGBTQI-Szene beeinflusst" hat. Unter "normalen" Umständen, so heißt es, wären wahrscheinlich mehr Delikte mit dem Vorurteilsmotiv "sexuelle Orientierung" verzeichnet worden. 1.936 sogenannte Vorurteilsmotive wurden insgesamt gezählt, davon betrafen in Summe weniger als 150 ein Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung.

Darüber, ob diese Zahl nun wieder steigt, liegen im Innenministerium allerdings keine Daten vor. Öffentlich werden also nur Einzelfälle, die Organisationen oder Medien bekannt werden.

"Handfeste Gewalt"

Etwa der Organisation SoHo. Deren Vorsitzender, SPÖ-Politiker Mario Lindner, meint, Gewalt gegenüber und die Diskriminierung von LGBTQI-Personen steige "definitiv" an. In einem Bericht fasste die SoHo kürzlich die jüngsten Fälle, die bekannt wurden, zusammen. Da heißt es: "Immer mehr Vorfälle zeugen von handfester Gewalt." Zudem würden "Körperverletzung, Beschimpfungen und Bedrohungen in einem Ausmaß, das für Österreich bisher neu ist", die Sicherheit von LGBTQI-Personen bedrohen.

Besonders viele Fälle wurden etwa rund um die Pride-Paraden publik. So wurde etwa in Bregenz am Rande der Parade mit einer Schreckschusspistole geschossen, aus Klagenfurt kamen Berichte von Beschimpfungen sowie Spuck-Attacken und in Wien wurde ein LGBTQI-feindliches Transparent entrollt.

In Innsbruck findet am kommenden Wochenende die Christopher Street Day Parade statt. Auch dort hat sich der Veranstalter, die Hosi Tirol, verstärkt Gedanken um die Sicherheit gemacht. Obmann Markus Möller gibt an, man arbeite mit einer Sicherheitsfirma zusammen, außerdem lasse man die Straße, die durch das Kulturquartier führt, in dem die Kundgebung stattfindet, sperren. Möller betont aber: Tirol sei offen, bunt und vielfältig, er rechne damit, dass die Veranstaltung ruhig ablaufe.

Homophobe Gewalt, so sagt auch Wolfgang Wilhelm, der Leiter der Wiener Antidiskriminierungsstelle, sei in vielen Fällen Ausgehkriminalität. "Das passiert häufig Samstagnacht", Täter seien oft Gruppen von jungen Erwachsenen, auch Alkohol spiele eine Rolle.

Dass homo- und transfeindliche Taten im öffentlichen Raum in Wien momentan zunehmen würden, sieht Wilhelm aber nicht, die berichteten Fälle seien Einzelfälle. Aufgabe sei nun, dafür zu sorgen, dass das nicht steigt. Für manche aus der Community sei aber sogar der Lockdown schwieriger gewesen: "Wir hatten Fälle, wo die Menschen zu Hause massiv diskriminiert wurden, wo das Elternhaus nicht supportive war", sagt Wilhelm. Ein junger Mann habe gar angegeben, er habe zu Hause um sein Leben gefürchtet. "Jetzt sehen wir, dass es für viele eine große Erleichterung ist, wieder Leute zu treffen, nicht mehr in der Herkunftsfamilie festzusitzen". (Gabriele Scherndl, 10.8.2021)