Die internationale Zementindustrie rechnet auch dank staatlicher Infrastrukturvorhaben mit einem enormen Wachstum.

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Trotz leichter Erholung hält der Mangel an Werkstoffen die Baubranche weiterhin auf Trab. Staatliche Konjunkturprogramme, die die geschwächte Wirtschaft wieder auf Touren bringen sollen, könnten das Problem nun zusätzlich verschärfen. Denn milliardenschwere öffentliche Investitionen dürften die globale Nachfrage nach Baustoffen antreiben, sagen Branchenvertreter.

Wie eine aktuelle Studie des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) zeigt, hatte sich die Situation der deutschen Baubranche zuletzt leicht verbessert. Während im Juni 50,4 Prozent der Betriebe im Hochbau angaben, dass ihre Geschäfte unter Lieferverzögerungen litten, waren es im Juli nur noch 48,8 Prozent. Eine Entwicklung, die das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für Österreich grundsätzlich bestätigt. "Man muss allerdings vorsichtig sein, die leichten Veränderungen innerhalb eines Monats als langfristigen Trend zu werten", sagt Ökonom Michael Klien im Gespräch mit dem STANDARD.

Baumaterial weiter knapp

Denn trotz einer gewissen Entspannung bleiben viele essenzielle Baustoffe weiterhin Mangelware. Betroffen sind vor allem Holz, Stahl, Zement, Dämmmaterial und Kunststoffprodukte. Dass Werkstoffe aller Art derzeit knapp sind, hat unterschiedliche Ursachen: Zum einen übersteigt die Nachfrage das Angebot auf den Weltmärkten. Dazu kommt der pandemiebedingte Heimwerkerboom sowie Grenzschließungen und Probleme bei der Containerwirtschaft, die den internationalen Warenverkehr ins Stocken brachten.

Abgesehen von kurzfristigen Lieferschwierigkeiten dürfte in der Bauwirtschaft aber auch längerfristig mit einem Nachfragehoch zu rechnen sein. Wie die "Financial Times" am Montag berichtete, erwarten die Chefs internationaler Branchengrößen ein enormes Wachstum, das den Bedarf an Baumaterial weiterhin auf hohem Niveau halten wird. So geht etwa Jan Jenisch, CEO des weltgrößten Zementproduzenten Holcim, davon aus, dass der Boom zumindest für die nächsten vier bis fünf Jahre andauern wird. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz profitiert trotz Corona-bedingter Einbußen mittlerweile vom Gegensteuern der Regierungen.

Sowohl die USA als auch China und Europa haben milliardenschwere Infrastrukturpakete geschnürt, die der angeschlagenen Wirtschaft aus der Krise helfen sollen. Mit dem American Jobs Plan (AJP) will US-Präsident Joe Biden in den kommenden acht Jahren rund zwei Billionen Dollar in die amerikanische Infrastruktur investieren. Die EU hat mit ihrem Aufbauplan Next Generation EU rund 800 Milliarden Euro lockergemacht.

Staaten treiben Nachfrage

Große Infrastrukturprojekte in den Bereichen Straßenbau, Schiene und Energie könnten daher für nachhaltige Nachfragesteigerungen bei Baustoffen sorgen. Zumindest in Österreich sei die öffentliche Hand aktuell aber nicht der Preistreiber in der Bauwirtschaft, sagt Klien vom Wifo: "Derzeit ist es eher so, dass auch der Staat aufgrund der im Allgemeinen großen Nachfrage hohe Preise in Kauf nehmen muss."

Mit Lieferproblemen ist die Baubranche nach wie vor nicht allein: Erst am Montag beklagte der österreichische Fachverband der Lebensmittelindustrie eine "dramatische Situation auf den Märkten". Der Sektor kämpfe aktuell mit "extremen Herausforderungen". Zuletzt seien etwa die Preise für Verpackungen, Logistik und Agrargüter stark gestiegen. Grund seien die Wetterkapriolen mit Dürre, Hagelunwettern und Starkregen. Dazu kommen die anhaltenden Störungen in den weltweiten Logistikketten als Folge der Pandemie. "Eine Entspannung der Lage scheint aktuell nicht in Sicht", sagt Verbandsgeschäftsführerin Katharina Koßdorff. Sie sieht "historisch hohe Preissteigerungen". (Jakob Pflügl, 9.8.2021)