Olaf Scholz will den Platz von Angela Merkel einnehmen.

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Mit der Volksnähe klappt es zunächst nicht so ganz, obwohl es eigentlich ein Heimspiel wäre. Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, steht im Anzug am Rande eines Fußballfeldes in seinem eigenen Wahlkreis Potsdam, unweit von Berlin.

Hier trainieren die Nachwuchskicker von Fortuna Babelsberg. Natürlich sind auch die Eltern gekommen, um ihre Sprösslinge anzufeuern. "Na, gucken Sie auch zu?", fragt Scholz einen Vater. "Jow", antwortet dieser und geht weg.

"Der ist ein bisschen schüchtern", beeilt sich einer der Vereinsoffiziellen zu erklären. Bei einer Gruppe von Teenagern am Spielfeldrand läuft es nicht besser. Zwei Mädels flüchten kreischend. Immerhin eine weiß, wer der hohe Gast ist: "Er könnte die nächste Merkel werden."

Im dritten Anlauf klappt es endlich. Einige Buben scharen sich auf dem Platz um Scholz und erzählen von ihren Spielen. "Wer ist das?", fragt einer seine Kumpel. "Der Bundeskanzler", lautet die Antwort.

"Die nächste Merkel", "der Bundeskanzler": Bei Fortuna Babelsberg spricht man aus, wovon Scholz träumt. Er ist im Kabinett von Angela Merkel Finanzminister und Vizekanzler. Nach der Bundestagswahl am 26. September will er die Rolle des Juniorpartners ablegen, aufsteigen und den Job seiner jetzigen Chefin haben.

In seinen Augen hat er schon sehr früh alles richtig gemacht. Bereits im August 2020 wurde Scholz von der SPD als Kanzlerkandidat nominiert. Dies ging zügig und ohne Streit vonstatten, ganz anders als später beim Unions-Duell zwischen Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU).

Auch das Wahlprogramm der SPD – höhere Steuern für Reiche, Erhöhung des Mindestlohns – lag früher vor als bei der Konkurrenz. "Die SPD steht als Erstes auf dem Platz", freute sich Scholz schon im März, als die anderen noch nachdachten.

Doch in Umfragen tat sich dennoch lange Zeit – nichts. Die SPD kam nicht hoch, sondern verharrte bei 15 bis 16 Prozent. Das Duell, so schien es, würden Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock unter sich aus machen. Scholz galt als der unsichtbare Dritte, zumal er sein Image ja behielt: solide, aber dröge, der alte "Scholzomat" eben, der immer die gleichen Sätze sagt.

Dann aber begannen die beiden anderen zu schwächeln. Baerbock vergaß, Nebeneinkünfte beim Bundestag zu melden, musste ihren Lebenslauf mehrmals korrigieren und legte ein Buch vor, das viele abgeschriebene Passagen enthielt.

Laschets Patzer im Flutgebiet

Laschet patzte im Flutgebiet, er lachte, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach. Und auch in seinem 2009 veröffentlichten Buch wurden Stellen gefunden, die von woanders ohne Quellenangabe übernommen worden waren.

Scholz passierte derlei nicht. Er verteilte Milliarden an Corona-Hilfen und ließ es auch menscheln. Beim Talk der Frauenzeitschrift Brigitte sprach er über die Liebe zu seiner Frau, der brandenburgischen Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).

Man weiß jetzt auch, dass der oft so unnahbar Wirkende zu Hause gern Königsberger Klopse zubereitet, früher sehr unsportlich war, aber heute joggt.

Seine persönlichen Umfragewerte sind mittlerweile die besten. In einer Direktwahl würden sich laut Insa-Institut 27 Prozent für Scholz aussprechen, für Baerbock 13, für Laschet auch nur 14 Prozent. Allerdings geben 36 Prozent an, keine(n) von den dreien wählen zu wollen.

Am beliebtesten ist immer noch Merkel, die ja nicht mehr zur Wahl antritt. Darin sehen viele auch den Grund für Scholz’ Aufschwung. Während Laschet und Baerbock keine Mitglieder der Regierung sind, steht Scholz offenbar für unaufgeregte Kontinuität im Sinne Merkels.

Zwar gelingt es Scholz nicht, die SPD nach oben zu reißen, aber es geht auch dort ein bisschen aufwärts. Sie liegt in Umfragen mittlerweile bei 18 Prozent und somit gleichauf mit den Grünen.

Stimmung dreht sich

"Im Moment bewegt sich die politische Stimmungslage langsam in unsere Richtung, darauf setze ich", zeigt sich Scholz zufrieden.

Dass die Sozialdemokraten noch an der Union vorbeiziehen könnten, glaubt man in der SPD-Zentrale nicht. Aber das müsse auch gar nicht sein. Denn, so Scholz, 40 und mehr Prozent werde ohnehin niemand erreichen. "Alles spricht dafür, dass die nächste Regierung aus drei Partnern bestehen wird", sagt er.

Das wäre dann eine Ampel aus SPD, Grünen und der FDP, Scholz der lachende Dritte. Eine Ampel kommt in Umfragen derzeit auf eine Mehrheit. Das Nachsehen hätte dabei die Union. Sie müsste nach 16 Jahren Merkel in Opposition. (Birgit Baumann aus Berlin, 10.8.2021)