FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker hat am Dienstag die Sicht seiner Fraktion auf den Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgelegt

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Knapp einen Monat nach Ende der Beweisaufnahme und etwas früher als nötig hat die FPÖ am Dienstag ihren Bericht zum Ibiza-Untersuchungsausschuss präsentiert. Sie ist damit die erste Fraktion, die nach dem Bericht des unabhängigen Verfahrensrichters eine umfassende politische Bewertung der parlamentarischen Befragungen sowie der an den U-Ausschuss gelieferten Akten vorlegt. Auf 150 Seiten wird die freiheitliche Sicht auf Causen der türkis-blauen Ära – von Postenbesetzungen über Prikraf bis Parteispenden – erzählt. Wobei die grundsätzliche Argumentationslinie recht einfach ist: volle Attacke auf den Ex-Koalitionspartner ÖVP, vehemente Verteidigung des eigenen Regierungshandelns. Selbstkritische Töne findet man nicht, auch Vorwürfe gegen den in Ungnade gefallenen Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache lässt die FPÖ nicht gelten.

Wie kritisch man den ehemaligen Koalitionspartner mittlerweile sieht, zeigte sich schon während des Ausschusses. Unter dem Titel "Der Schwarze Faden" fokussierte sich die FPÖ auf einem Twitter-Account und in Youtube-Sendungen vor allem auf die Untersuchung der ÖVP-Verbindungen. Diese hätten einen "tiefen Staat" gebildet, indem sie sich die "totale Kontrolle über die Exekutive, die Judikative" sowie das Finanzministerium gesichert hätten.

"Masterplan für Korruption"

"Du bist Familie": Diese Chatnachricht des jetzigen Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP) an den damaligen Finanzgeneralsekretär Thomas Schmid rückt die FPÖ in den Kontext der Mafia. "La famiglia" sei "gemeinhin die Bezeichnung der italienischen Mafia, 'la familia' beschreibt auch südamerikanische Verbrechersyndikate oder Drogenkartelle. Sie alle haben eines gemeinsam: Wer dazu gehört, ist 'Familie', wer nicht dazugehört, wird bekämpft, im schlimmsten Fall getötet", schreibt die FPÖ. Und: "Es ist wenig glaubwürdig, dass Blümel diesen Konnex nicht gekannt hat bzw. dass er die Bezeichnung nicht bewusst gewählt hat."

Das "Projekt Ballhausplatz", in dem das Umfeld von Sebastian Kurz dessen Weg vom Außenministerium ins Kanzleramt skizziert hat, wird als "Masterplan für Korruption" bezeichnet; penibel listet die FPÖ auf, welche Vorteile Parteispender der ÖVP unter Türkis-Blau erhalten haben. Die Regierung bezeichnet die FPÖ übrigens als "Kabinett Kurz I", was passenderweise die blaue Beteiligung unter den Tisch fallen lässt.

Angegriffen wird auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Ihm wirft die FPÖ vor, dass er "sich zu Zeiten von Türkis-Blau permanent in die Tagespolitik einbrachte und mahnende Worte am laufenden Band produzierte, die türkise ÖVP seit ihrer politischen Ehe mit den Grünen mit Glacéhandschuhen" anfasse. Auch rund um das Ibiza-Video sieht die FPÖ "offene Fragen" wegen der Rolle der Präsidentschaftskanzlei; wie berichtet wollte sich Videoproduzent Julian H. vor der Veröffentlichung an Van der Bellen wenden.

Wegen Sidlo Widerspruch zum Verfahrensrichter

Ganz anders sieht die FPÖ ihre eigene Rolle. So wird etwa die Bestellung des FPÖ-Bezirksrats und Finanzmanagers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der teilstaatlichen Casinos AG (Casag) in hellen Farben gezeichnet. Sidlo sei "ein bestqualifizierter Kandidat" für den Posten gewesen und aufgrund seiner hohen Expertise nominiert und dann auch gekürt worden. Strache habe die Bewerbung seines Bekannten Sidlo bloß unterstützt, um zu verhindern, dass die Casag in ausländische Hände – also jene der tschechischen Sazka-Gruppe – gerät. Gewünschte Gegenleistungen seien damit nicht verbunden gewesen, und einen Deal mit der Novomatic habe es schon gar nicht gegeben. Die FPÖ sei von vornherein nicht in der Lage gewesen, der Novomatic in absehbarer Zeit Glücksspiellizenzen zu verschaffen, daher sei auch ein kolportierter Deal "Lizenzen gegen Sidlo" unplausibel.

Der FPÖ-Bericht weicht hier deutlich von der Analyse des Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl ab, der jüngst zum Engagement Straches und des türkisen Finanzministeriums für Sidlo geschrieben hatte: "Insgesamt ergibt (…) sich das Bild einer geradezu unabänderlichen Willensdurchsetzung auf Regierungsebene, gerade diesen Mann in diese Position zu bringen." Der Verfahrensrichter ortet zudem eine politische Verquickung der Sidlo-Bestellung mit der Beförderung des türkisen Vertrauensmanns Thomas Schmid zum Alleinvorstand der staatlichen Beteiligungsholding Öbag. Die FPÖ attackiert den Verfahrensrichter für diese Auffassung heftig. Pöschl habe Aussagen, die die FPÖ entlasten, nicht einbezogen und Auskünfte von Zeugen "tendenziös" gewichtet.

Beharren auf Qualifikation

Die FPÖ versucht auch an anderer Stelle, den Eindruck von Postenschacher zurückzuweisen. Etwa im Bezug auf den oberösterreichischen Immobilienunternehmer Siegfried Stieglitz. Der steht im Verdacht, gegen Spenden an den FPÖ-nahen Verein "Austria in Motion" Asfinag-Aufsichtsrat geworden zu sein. Er bestreitet das vehement, es gilt die Unschuldsvermutung.

Im Bericht des Verfahrensrichters Pöschl heißt es jedenfalls, dass die Begünstigung im Fall Stieglitz "erweislich" sei. Sowohl Stieglitz als auch Strache hätten sich in Chats immer wieder auf Vereinbarungen und Versprechungen berufen. So schrieb Stieglitz Ende Jänner 2018 in einer Nachricht an Strache, dass Norbert Hofer – damals Verkehrsminister – ihm einen Aufsichtsratsposten zugesichert habe: "So wie von uns – Norbert – Dir und mir – im Sommer besprochen und geplant." Im Bericht verteidigen die Freiheitlichen Stieglitz gegen die "persönliche Sichtweise" des Verfahrensrichters. Stieglitz sei aufgrund seiner Qualifikation Aufsichtsratsmitglied der Asfinag geworden.

Rückendeckung für Strache

Auch bei der Reform des Privatkrankenanstaltenfinanzierungsfonds (Prikraf) sieht die FPÖ sich und ihren Ex-Vizekanzler Strache entlastet. Privatspitäler, die Mitglieder im Prikraf sind, können bestimmte medizinische Leistungen direkt mit der Sozialversicherung abrechnen, was ihnen finanzielle Vorteile bringt. Während der türkis-blauen Regierungszeit wurde der Prikraf erweitert und aufgestockt, auch die Währinger Privatklinik des FPÖ-Spenders und Strache-Freundes Walter Grubmüller wurde in den Fonds aufgenommen. Schon zuvor hatte die FPÖ als Oppositionspartei eine Gesetzesinitiative im Sinne Grubmüllers gesetzt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Strache und Grubmüller wegen Bestechlichkeit respektive Bestechung angeklagt, ein Urteil im Gerichtsprozess soll Ende August gefällt werden. Es gilt die Unschuldsvermutung – und die FPÖ gibt sich von Straches Unschuld schon jetzt vollends überzeugt. Die Urlaube mit Grubmüller habe Strache aus der eigenen Tasche finanziert, und der Einsatz in Sachen Prikraf habe nichts mit der 10.000-Euro-Parteispende zu tun, sondern vielmehr mit dem Engagement gegen "Ungerechtigkeit". Zugleich hegt die FPÖ aber einen "dringenden Verdacht des Gesetzeskaufs" gegen die ÖVP. Damit ist gemeint, dass die Uniqa-Tochter Premiqamed als Klinikenbetreiberin einerseits massiv von der Prikraf-Reform profitierte und andererseits von 2017 bis 2018 insgesamt 50.000 Euro an die ÖVP gespendet hatte.

Die Freiheitlichen lassen auch Strache und dessen Rolle im Ibiza-Video gut davonkommen. Die danach vorgebrachten Vorwürfe seien gar "in sich zusammengebrochen". Anteile an der "Kronen Zeitung", mit deren Übernahme die falsche Oligarchin den ehemaligen FPÖ-Obmann lockte, habe sich letztlich der Immobilienunternehmer und Kurz-Intimus René Benko gesichert. Zur Umsetzung von Straches Aussage, den Baukonzern Strabag bei einer Regierungsbeteiligung von öffentlichen Aufträgen auszubooten, sei es in der kurzen türkis-blauen Episode auch nicht gekommen. Illegale Parteispenden über Vereine am Rechnungshof vorbei könne man der FPÖ nicht nachweisen. "Novomatic zahlt alle" hat sich aus Sicht der Blauen eher als eine türkise und rote Realität herausgestellt. Die Gründung des blauen Instituts für Sicherheitspolitik (ISP), dem die Novomatic 200.000 Euro spendete, sei vielmehr ein Vorschlag des damaligen SPÖ-Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil gewesen, argumentiert die FPÖ.

Zeitversetzte Streams und Videobefragungen

Im Schlusskapitel des Berichts nennt die FPÖ Vorschläge, um das Prozedere von U-Ausschüssen zu verbessern. So sollen rechtliche und technische Voraussetzungen geschaffen werden, um Videobefragungen möglich zu machen. Überdies sollen die Befragungen für die Öffentlichkeit im TV übertragen werden: Um den Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten, kann sich die FPÖ "zeitversetztes Streaming" vorstellen, das eine nachträgliche Anonymisierung bestimmter Passagen zulässt.

Umkehren will die FPÖ die Regelung, wonach der Verfahrensrichter vor den Abgeordneten die Erstbefragung von Zeugen übernimmt. Stattdessen sollen zunächst die Fraktionen reihum ihre Fragen stellen und erst danach der Verfahrensrichter am Zug sein, wenn für ihn noch etwas offen ist. Wenn es nach der FPÖ geht, soll bald ein weiterer U-Ausschuss eingesetzt werden. Er soll den externen Einfluss auf Beamte in Ministerien zum Thema haben. (Theo Anders, Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 10.8.2021)