Angela Merkel hat zu einem neuen Treffen gebeten, um über Corona-Maßnahmen zu beraten.

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Das Format hat jetzt längere Zeit Pause gehabt – dank der lange Zeit niedrigen Corona-Zahlen in Deutschland. Doch am Dienstagnachmittag hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Regierungschefs der 16 Bundesländer wieder einmal zum Videotreffen gebeten, um mit ihnen weitere Corona-Maßnahmen zu beraten. Denn seit einiger Zeit steigen die Zahlen wieder, es grassiert zudem die Delta-Variante. Die gute Nachricht ist jedoch: Derzeit gibt es keine hochangespannte Situation auf den Intensivstationen.

Beschlossen wurden dennoch einige Verschärfungen, die zumindest vom Boulevard schon vorab als "Corona-Hammer" tituliert wurden. Zum einen macht Berlin das, was in Wien derzeit noch diskutiert wird: Die Regierung beendet die kostenlosen Corona-Tests. Diese können die Deutschen in Testzentren durchführen lassen, der Abstrich wird von medizinischem Personal vorgenommen.

Ende der Bürgertests

Bisher ist dieser "Bürgertest" für alle gratis. Das wird ab 11. Oktober nicht mehr der Fall sein, wie mehrere Medien am Dienstagnachmittag gleichlautend vermeldeten und Kanzlerin Merkel auch bei der Pressekonferenz am Abend bestätigte. In der Bund-Länder-Vorlage, aus der die Zeitungen der Springer-Gruppe schon vor der Sitzung zitiert hatten, war von Ausnahmen die Rede gewesen. Diese wurden offenbar auch beschlossen. So soll es weiterhin Gratis-Antigentests für jene geben, für die keine Impfempfehlung vorliegt (Schwangere, Jugendliche).

Ziel der Maßnahme ist es, bisher Ungeimpfte zum Stich zu bewegen, was Merkel auch bei der Pressekonferenz am Dienstagabend sagte: "Wir haben genug Impfstoff, doch müssen wir nun für die Impfung werben." Erfreulich sei, dass mehr als 80 Prozent der Über-60-Jährigen geimpft seien, die schlechte Nachricht sei das eben verlangsamte Impftempo.

Berlins Bürgermeister: "Impfen, impfen, impfen"

Aus diesem Grund ist die Abschaffung der Gratistests auch an einen zweiten Beschluss gebunden, auf den man sich am Dienstag geeinigt hat: eine generelle Testpflicht in Innenräumen – vergleichbar mit den "grünen Pass"-Regelungen wie es sie in Österreich und auch etwa in Frankreich und Italien gibt. Konkret umfasst sie etwa Kinos, Restaurants, Kirchen, Fitnessclubs. Besonderheit: Sie ist an die Inzidenz gebunden. Liegt diese unter 35, steht es den Ländern frei, die Testpflicht auf ihrem Gebiet aufzuheben.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sagte bei der Pressekonferenz, dass "impfen, impfen, impfen" das Gebot der Stunde sei. Man sehe, dass die Impfung bei den Älteren helfe und nun müsse man die Jüngeren erreichen, wo die Rate noch nicht so hoch sei: "Ich sage das ohne Vorwurf, denn die Jüngeren haben ja auch erst später das Impfangebot erhalten", sagt Müller. Doch man habe in Berlin in der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen eine Inzidenz, die um die 100 liegt.

Für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) läuft es bei den Maßnahmen auch nicht auf eine 3G-Regel, sondern vielmehr auf eine 2G-Regel hinaus. "Unser normales Leben kommt zurück durchs Impfen", sagte er am Dienstagabend. Das bedeutet, dass künftig gewisse Freiheiten nur den Geimpften und Genesenen offenstehen könnten, nicht aber den Getesteten.

Kritik von der FDP

Vor der Debatte hatte es in diesem Punkt zwar nicht völlige, aber doch weitgehende Einigkeit gegeben. "Ich halte es ausdrücklich für richtig, dass Ungeimpfte ab dem Herbst ihre Tests selbst bezahlen müssen. Bis dahin hatte jeder die Möglichkeit, sich kostenfrei impfen zu lassen", hatte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmer (Grüne) meinte: "Auf Dauer wird die öffentliche Hand die Tests nicht finanzieren können."

Außerhalb der Konferenz gab es an den ersten Beschlüssen allerdings schon am Nachmittag Kritik. Darunter aus der wahlkämpfenden FDP, die sich schon seit längerem für eine Lockerung der Maßnahmen einsetzt. Mitten in der Pandemie Geld für Tests zu verlangen sei "in sich selbst unlogisch", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei, Wolfgang Kubicki. Er halte den Beschluss zudem für rechtlich fragwürdig, der Staat könne nicht einfach Bevölkerungsgruppen vom öffentlichen Leben ausschließen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte weitere Einschränkungen für Ungeimpfte ins Gespräch gebracht. Er könne sich vorstellen, diese, wenn die Zahl der Neuinfektionen wieder steigt, von Veranstaltungen und Gastronomie auszuschließen, selbst wenn ein negativer Test vorliege. Doch Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der auch Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist, warnt: "Wer geimpft, genesen oder getestet ist, den darf der Staat nicht von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausnehmen." Die Drei-G-Regel sei "sinnvoll, maßvoll und umsetzbar".

Inzidenz bleibt Richtwert

Die lange Debatte darüber, ob in einem Land mit hoher Impfrate die Inzidenz überhaupt noch dazu geeignet ist, als Richtschnur für staatliche Maßnahmen zu dienen, konnte auch das Treffen vorerst nicht auflösen. Aber die Anzahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner wird weiter eine wichtige Zahl für die Einschätzung des Pandemiegeschehens bleiben. Gemeinsam mit der Impfquote, wie Merkel sagt. Spitals- und Intensivstationsbelegung – die beide von gewichtigen Stimmen als neue Indikatoren empfohlen worden waren – werden in die Bewertung einfließen. Da sie aber erst dann Auskunft geben, wenn es bereits zu spät ist, könnten sie nicht die einzige relevanten Zahlen sein. (Birgit Baumann aus Berlin, Manuel Escher, red, 10.8.2021)