Extreme Wetterlagen – hier eine Hochwasseraufnahme von Kaprun im Juli 2021 – nehmen zu. Wirkungsvolle Warnsysteme sind daher immer gefragter.
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Im Sommer 2021 haben die Auswirkungen der Klimakatastrophe eine neue Qualität erreicht. Die Überflutungen in Deutschland, die hunderte Tote und Verletzte zur Folge hatten, ein Tornado in Tschechien, der ein ganzes Dorf zerstörte, und die verheerenden Brände im Mittelmeerraum geben Zeugnis davon.

Der neue IPCC-Bericht, der eindringlich warnt, dass die Temperaturen schneller als erwartet steigen, lässt zudem erwarten, dass Häufigkeit und Intensität der Extremwetterereignisse weiterhin rasant zunehmen werden.

Dass damit auch eine steigende Gefahr für Leib und Leben einhergeht, zeigte der heurige Sommer. Die Aufgaben der meteorologischen Dienste werden damit relevanter – nicht nur in Hinblick auf die Genauigkeit der Vorhersage solcher Ereignisse, sondern auch bei deren Kommunikation. Die Warnungen dürfen nicht zu abstrakt sein, sondern müssen für ihre Empfänger konkretisiert und veranschaulicht werden. Man spricht von auswirkungsorientierten Wetterwarnungen.

Konkrete Auswirkungen

"Warnt man vor Sturm mit 80 Stundenkilometern oder Niederschlagsmengen von 130 Millimetern, können die Nutzer mit diesen Mengenangaben wenig anfangen. Seit einigen Jahren gibt es hier ein Umdenken. Man geht dazu über, genau darzulegen, was konkret passieren kann", sagt Andreas Schaffhauser von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums.

Wie solche auf Österreich zugeschnittene Warnungen klingen, zeigt das neue Warnsystem der ZAMG, abrufbar auf warnungen.zamg.ac.at. Hier heißt es zum Beispiel: "Große Äste können abbrechen, vereinzelt können auch Bäume entwurzelt werden." Gleichzeitig werden auch Handlungsempfehlungen gegeben: "Parken Sie Fahrzeuge nicht in der Nähe von Bäumen!" Schaffhauser: "Auf diese Weise kommunizieren wir ganz gezielt, dass bestimmte Handlungen bei Extremwetterereignissen einfach keine gute Idee sind."

Meldungen nach Farbsystem

Der Meteorologe ist seit Juli provisorischer Leiter der ZAMG, die 2022 mit der Geologischen Bundesanstalt zu einer Bundesanstalt für Meteorologie, Geophysik und Geologie fusioniert werden soll. Er ist auch Programmleiter von meteoalarm.org, einer Plattform, die von der Eumetnet, einer Vereinigung von 31 europäischen nationalen Wetterdiensten, betrieben wird.

Hier fließen die Warnungen aller kooperierenden Länder zusammen – auch jene Österreichs. In den vergangenen Jahren wurde die Plattform in einem von der ZAMG koordinierten Projekt überarbeitet und europaweit harmonisiert.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Warnungen mitunter nicht ernst genommen werden. Bessere Kommunikation soll das ändern.
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Mit dem Relaunch ist nun sichergestellt, dass Warnungen, egal ob sie Griechenland oder Finnland betreffen, nach demselben Schema erfolgen, betont Schaffhauser. Die Meldungen sind nach einem Farbsystem gegliedert: Gelb soll zur Vorsicht mahnen, Orange Nutzer dazu bringen, Schutz zu suchen und Informationen einzuholen.

Rot zeigt ein seltenes Ereignis an, das eine hohe Gefährdungslage und größere Einschränkungen mit sich bringt. Die letzte großflächige rote Warnung in Österreich gab es etwa im Dezember 2020, als hohe Niederschlagsmengen in Oberkärnten und Osttirol bevorstanden. Kleinräumige rote Gewitterwarnungen wurden auch heuer bereits ausgegeben.

Verständliche Szenarien

"Eine europaweit einheitliche Warnstruktur mit gemeinsamen technischen Formaten zu schaffen und trotz verschiedener Arbeitsweisen inhaltlich und methodisch zusammenzuwachsen, war eine große Herausforderung", betont Schaffhauser. "Das Projekt diente dabei auch dem Know-how- und Technologietransfer. Staaten mit weniger weit entwickelten Systemen bekamen Hilfestellung." Unter anderem gab es ein von der Austrian Development Agency (ADA) unterstütztes, zweijähriges Entwicklungsprojekt in Moldawien.

Die "Übersetzungsleistung" der Vorhersagedaten in verständliche Szenarien und Handlungsanweisungen resultiert aus einer Reihe von Fallstudien der vergangenen Jahre. Dabei wurden Rückmeldungen von Bürgern aus dem Crowdsourcing-Portal wettermelden.at und von einem Netzwerk verlässlicher Beobachter (Trusted Spotter) miteinbezogen, aber auch die Expertise vieler Wissenschafter.

"Beispielsweise erklärten Waldbauexperten, in welchem Ausmaß belaubte Bäume dem Wind mehr Angriffsfläche geben oder die Schneelast erhöhen", so Schaffhauser. Gleichzeitig sind soziologische Aspekte relevant. Man musste berücksichtigen, wie die Warnungen verstanden werden. Sie sollen wirksam sein, aber auch keine Überreaktionen erzeugen. Schaffhauser: "Es ist ein sehr interdisziplinäres Feld, in dem wir uns langsam an die konkreten Texte herangetastet haben."

Europäische Dimensionen

Die Daten von Meteoalarm sind für Nutzer, Medien und Forscher frei verfügbar. Das Projekt resultiert auch aus einer internationaler gewordenen Ausrichtung der ZAMG. "Als kleines Land ist es wichtig, die Warnungen mit Nachbarn auszutauschen", betont Schaffhauser. "Der Gedanke wurde hier auf europäische Dimensionen erweitert."

Von derselben Idee zehrt auch das kürzlich abgeschlossene EU-Interreg-Projekt Crossrisk. Hier kooperierte die ZAMG mit Organisationen in Österreich und Slowenien, um die Koordination bei der Hochwasser-, Schnee- und Lawinenvorhersage zu verbessern. "Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir gemeinsam besser warnen können", sagt Schaffhauser.

Nicht nur Messsysteme wurden beiderseits der Grenze optimiert, man untersuchte auch langfristige Klimatrends, um künftige Gefährdungslagen – inklusive ihrer wirtschaftlichen Relevanz im Tourismus – besser abschätzen zu können.

Informationsketten pflegen

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass selbst rechtzeitige Warnungen manchmal nicht ernst genommen werden – selbst bei Entscheidungsträgern. Für Schaffhauser ist es deshalb wichtig, dass es einen laufenden Austausch zwischen Wetterdiensten und Entscheidungsträgern gibt. Die Akteure sollten einander gut kennen.

"Für wirksame Warnungen muss man gut kommunizieren können. Kontakte und Informationsketten müssen gepflegt werden, damit sichergestellt wird, dass die Warnungen zielgerichtet ankommen und verstanden werden", sagt der Meteorologe. "Neben automatischen Diensten gehört da auch der schnelle Griff zum Telefonhörer dazu." (Alois Pumhösel, 11.8.2021)