Am Rande der internationalen Pressekonferenz des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko kam es zu einem Zwischenfall.

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Wien/Minsk – ORF-Korrespondentin Carola Schneider und ihr Kameramann sind am Montag bei Dreharbeiten in der belarussischen (weißrussischen) Hauptstadt Minsk vorübergehend angehalten worden. Nachdem die örtliche Menschenrechtsorganisation Wjasna am Dienstagvormittag die Szene beschrieben hatte, bestätigte die ORF-Pressestelle den Vorfall. Österreich habe Protest eingelegt, hieß es infolge aus dem Wiener Außenministerium. Schneider selbst kommentierte den Vorfall gelassen.

Verglichen mit dem, was im Land mit belarussischen Journalisten geschehe, erachte sie die Überprüfung ihrer Dokumente nicht für einen so großen Skandal, hielt Schneider am Dienstagabend fest. "Da können wir uns mit unserer Wehleidigkeit ein wenig zurückhalten", betonte die ORF-Korrespondentin. Sie beklagte lediglich, dass die Angelegenheit etwa 30 Minuten Zeit gekostet und damit von der Arbeit abgehalten habe. Die Menschenrechtsorganisation Wjasna habe jedoch von diesem Ausgang nicht gewusst und deshalb in ihrer Meldung auch von einem "unbekannten Aufenthaltsort" des österreichischen Kamerateams geschrieben, erläuterte die Journalistin.

"Polizisten in Zivil haben gestern in Minsk am Unabhängigkeitsplatz einen Kameramann sowie eine Journalistin des österreichischen Fernsehens festgenommen, die eine Passantin interviewte", hatte Wjasna auf Twitter berichtet.

Akkreditierungen überprüft

Der weitere Aufenthaltsort der Journalisten sei unbekannt, schrieb die renommierte NGO, die selbst unter massivem staatlichen Druck steht. Laut Angaben der ORF-Pressestelle wurden Schneider und ihr Kameramann im Anschluss auf eine Polizeiwache gebracht, die sie nach Bestätigung ihrer Akkreditierungen wieder zeitnahe verlassen konnten. Die österreichische Botschaft sowie das österreichische Außenministerium in Wien seien über den Vorfall informiert worden.

Ein Sprecher des Ministeriums bezeichnete die Anhaltung des ORF-Kamerateams am Dienstag als "völlig inakzeptabel" und erklärte: "Österreich hat gegen diese Vorgehensweise umgehend Protest bei den belarussischen Behörden eingelegt." Man erwarte, dass Journalistinnen und Journalisten ihrer Arbeit ungehindert nachgehen können und die Medienfreiheit in vollem Umfang gewahrt werde, betonte er.

Berufsvertretungen verurteilen Festnahme

Die Österreich-Sektion der "Vereinigung der Europajournalisten" (AEJ) verurteilte den Vorfall ebenso wie die NGO "Reporter ohne Grenzen" (ROG/RSF). In einer Mitteilung des Wiener Büros von ROG hieß es: "Dieser Zwischenfall ist ein weiterer Beweis für die Missachtung der Pressefreiheit in Belarus. Wir verurteilen auch in diesen Fall die Vorgangsweise, die dem Prinzip der freien Berichterstattung Hohn spricht."

"Letzter Diktator"

Der Machtapparat des umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko geht in Belarus immer wieder hart gegen Kritiker und Andersdenkende vor. Zuletzt hatte es Razzien gegen unabhängige Medien und Nichtregierungsorganisationen gegeben, bei denen mehrere Menschen festgenommen wurden. Die EU erkennt den immer wieder als "letzten Diktator Europas" kritisierten Lukaschenko seit der weithin als gefälscht geltenden Präsidentenwahl vor rund einem Jahr nicht mehr als Staatsoberhaupt an.

Bei Protesten in den Monaten nach der Wahl gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Im Zuge der Proteste wurden auch internationalen Medienvertretern, etwa des deutschen Fernsehsenders ARD, zumindest vorübergehend die Akkreditierungen entzogen.(APA, 10.8.2021)